Gleichung
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Unter einer Gleichung versteht man in der Mathematik eine Aussage über die Gleichheit zweier Terme, die mit Hilfe des Gleichheitszeichens („=“) symbolisiert wird. Formal hat eine Gleichung die Gestalt
,
wobei der Term
die linke Seite und der Term
die rechte Seite der Gleichung genannt wird. Gleichungen sind entweder
wahr beziehungsweise erfüllt (beispielsweise
)
oder falsch (beispielsweise
).
Wenn zumindest einer der Terme
von Variablen
abhängig ist, liegt nur eine Aussageform
vor; ob die Gleichung wahr
oder falsch ist, hängt dann von den konkreten eingesetzten Werten ab. Die
Werte der Variablen, für die die Gleichung erfüllt ist, heißen
Lösungen der
Gleichung. Sind zwei oder mehr Gleichungen angegeben, spricht man auch von einem
Gleichungssystem, eine Lösung desselben muss alle Gleichungen
gleichzeitig erfüllen.
Typen von Gleichungen
Gleichungen werden in vielen Zusammenhängen verwendet; dementsprechend gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Gleichungen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten einzuteilen. Die jeweiligen Einteilungen sind zu einem großen Teil unabhängig voneinander, eine Gleichung kann in mehrere dieser Gruppen fallen. So ist es etwa sinnvoll, von einem System linearer partieller Differentialgleichungen zu sprechen.
Einteilung nach Gültigkeit
Identitätsgleichungen
Gleichungen können allgemeingültig sein, also durch Einsetzen aller Variablenwerte aus einer gegebenen Grundmenge oder zumindest aus einer vorher definierten Teilmenge davon wahr sein. Die Allgemeingültigkeit kann entweder mit anderen Axiomen bewiesen werden oder selber als Axiom vorausgesetzt werden.
Beispiele sind:
- der Satz
des Pythagoras:
ist wahr für rechtwinklige Dreiecke, falls
die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite (Hypotenuse) und
die Katheten bezeichnen
- das Assoziativgesetz:
ist wahr für alle natürlichen Zahlen
und allgemein für beliebige Elemente
einer Gruppe (als Axiom)
- die erste
binomische Formel:
ist wahr für alle reellen Zahlen
- die eulersche
Identität:
ist wahr für alle reellen
In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem mathematischen Satz oder Gesetz. Zur Unterscheidung von nicht allgemeingültigen Gleichungen wird bei Identitäten statt des Gleichheitszeichens auch das Kongruenzzeichen („≡“) verwendet.
Bestimmungsgleichungen
Häufig besteht eine Aufgabenstellung darin, alle Variablenbelegungen zu bestimmen, für die die Gleichung wahr wird. Diesen Vorgang bezeichnet man als Lösen der Gleichung. Zur Unterscheidung von Identitätsgleichungen werden solche Gleichungen als Bestimmungsgleichungen bezeichnet. Die Menge der Variablenbelegungen, für die die Gleichung wahr ist, bezeichnet man als Lösungsmenge der Gleichung. Wenn es sich bei der Lösungsmenge um die leere Menge handelt, so bezeichnet man die Gleichung als unlösbar oder unerfüllbar.
Ob eine Gleichung lösbar ist oder nicht, kann von der betrachteten Grundmenge abhängen, zum Beispiel gilt:
- die Gleichung
ist unlösbar als Gleichung über den natürlichen oder den rationalen Zahlen und besitzt die Lösungsmenge
als Gleichung über den reellen Zahlen
- die Gleichung
ist unlösbar als Gleichung über den reellen Zahlen und besitzt die Lösungsmenge
als Gleichung über den komplexen Zahlen
Bei Bestimmungsgleichungen treten mitunter Variablen auf, die nicht gesucht sind, sondern als bekannt vorausgesetzt werden. Solche Variablen werden als Parameter bezeichnet. Beispielsweise lautet die Lösungsformel für die quadratische Gleichung
bei gesuchter Unbekannte
und gegebenen Parametern
und
.
Setzt man eine der beiden Lösungen
in die Gleichung ein, so verwandelt sich die Gleichung in eine Identität, wird
also für eine beliebige Wahl von
und
zur wahren Aussage. Für
sind hier die Lösungen reell, ansonsten komplex.
Definitionsgleichungen
Gleichungen können auch verwendet werden, um ein neues Symbol zu definieren. In diesem Fall wird das zu definierende Symbol links geschrieben, und das Gleichheitszeichen oft durch das Definitionszeichen („:=“) ersetzt oder über das Gleichheitszeichen „def“ geschrieben.
Zum Beispiel wird die Ableitung
einer Funktion
an einer Stelle
durch
definiert. Im Gegensatz zu Identitäten sind Definitionen keine Aussagen; sie sind also weder wahr noch falsch, sondern nur mehr oder weniger zweckmäßig.
Einteilung nach rechter Seite
Homogene Gleichungen
Eine Bestimmungsgleichung der Form
heißt homogene Gleichung. Ist
eine Funktion,
nennt man die Lösung
auch Nullstelle der Funktion.
Homogene Gleichungen spielen bei der Lösungsstruktur linearer
Gleichungssysteme und linearer
Differentialgleichungen eine wichtige Rolle. Ist die rechte Seite einer
Gleichung ungleich Null, heißt die Gleichung inhomogen.
Fixpunktgleichungen
Eine Bestimmungsgleichung der Form
heißt Fixpunktgleichung und deren Lösung
nennt man Fixpunkt der Gleichung. Genaueres über die Lösungen solcher
Gleichungen sagen Fixpunktsätze
aus.
Eigenwertprobleme
Eine Bestimmungsgleichung der Form
heißt Eigenwertproblem, wobei die Konstante
(der Eigenwert) und die Unbekannte
(der Eigenvektor) gemeinsam gesucht werden. Eigenwertprobleme besitzen
vielfältige Einsatzbereiche in der linearen Algebra, beispielsweise bei der
Analyse und Zerlegung von Matrizen,
und in Anwendungsgebieten, beispielsweise der Strukturmechanik
und der Quantenmechanik.
Einteilung nach Linearität
Lineare Gleichungen
Eine Gleichung heißt linear, wenn sie in die Form
gebracht werden kann, wobei der Term
unabhängig von
ist und der Term
linear in
ist, also
für Koeffizienten
gilt. Sinnvollerweise müssen die passenden Operationen definiert sein, es ist
also notwendig, dass
und
aus einem Vektorraum
sind, und die Lösung
aus dem gleichen oder einem anderen Vektorraum
gesucht wird.
Lineare Gleichungen sind normalerweise wesentlich einfacher zu lösen als nichtlineare. So gilt für lineare Gleichungen das Superpositionsprinzip: Die allgemeine Lösung einer inhomogenen Gleichung ist die Summe einer Partikulärlösung der inhomogenen Gleichung und der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung.
Wegen der Linearität ist zumindest
eine Lösung einer homogenen Gleichung. Hat eine homogene Gleichung also eine
eindeutige Lösung, so hat auch eine entsprechende inhomogene Gleichung höchstens
eine Lösung. Eine verwandte, aber wesentlich tiefer gehende Aussage in der Funktionalanalysis
ist die Fredholmsche
Alternative.
Nichtlineare Gleichungen
Nichtlineare Gleichungen werden oft nach der Art der Nichtlinearität unterschieden. Insbesondere in der Schulmathematik werden die nachfolgenden Grundtypen von nichtlinearen Gleichungen behandelt.
Algebraische Gleichungen
Handelt es sich bei dem Gleichungsterm um ein Polynom, spricht man von einer algebraischen Gleichung. Ist dabei das Polynom mindestens vom Grad zwei, so bezeichnet man die Gleichung als nichtlinear. Beispiele sind allgemeine quadratische Gleichungen der Form
oder kubische Gleichungen der Form
.
Für Polynomgleichungen bis zum Grad vier gibt es allgemeine Lösungsformeln.
Bruchgleichungen
Enthält eine Gleichung einen Bruchterm, bei dem die Unbekannte zumindest im Nenner vorkommt, spricht man von einer Bruchgleichung, zum Beispiel
.
Durch Multiplikation mit dem Hauptnenner, im Beispiel ,
lassen sich Bruchgleichungen auf algebraische Gleichungen zurückführen. Eine
solche Multiplikation ist im Regelfall keine Äquivalenzumformung
und es muss eine Fallunterscheidung vorgenommen werden, im Beispiel ist
nicht im Definitionsbereich
der Bruchgleichung enthalten.
Wurzelgleichungen
Bei Wurzelgleichungen steht die Unbekannte mindestens einmal unter einer Wurzel, beispielsweise
Wurzelgleichungen sind spezielle Potenzgleichungen
mit Exponent .
Wurzelgleichungen lassen sich lösen, indem eine Wurzel isoliert wird und dann
die Gleichung mit dem Wurzelexponenten
(im Beispiel ist
)
potenziert
wird. Dieses Vorgehen wird wiederholt, bis alle Wurzeln eliminiert sind.
Potenzieren mit geradzahligem Exponenten stellt keine Äquivalenzumformung dar
und daher ist in diesen Fällen bei der Ermittlung der Lösung eine entsprechende
Fallunterscheidung vorzunehmen. Im Beispiel führt Quadrieren zu der
quadratischen Gleichung
,
deren negative Lösung nicht im Definitionsbereich der Ausgangsgleichung liegt.
Exponentialgleichungen
Bei Exponentialgleichungen steht die Unbekannte mindestens einmal im Exponenten, zum Beispiel:
Exponentialgleichungen lassen sich durch Logarithmieren lösen. Umgekehrt sind Logarithmusgleichungen - also Gleichungen, bei denen die Unbekannte als Numerus (Argument einer Logarithmusfunktion) auftritt - durch Exponenzieren lösbar.
Trigonometrische Gleichungen
Treten die Unbekannten als Argument mindestens einer Winkelfunktion auf, so spricht man von einer trigonometrischen Gleichung, beispielsweise
Die Lösungen trigonometrischer Gleichungen wiederholen sich im Allgemeinen periodisch,
sofern die Lösungsmenge nicht auf ein bestimmtes Intervall, etwa
,
beschränkt wird. Alternativ können die Lösungen durch eine ganzzahlige Variable
parametrisiert werden. Beispielsweise sind die Lösungen obiger Gleichung gegeben
als
mit
.
Einteilung nach gesuchten Unbekannten
Algebraische Gleichungen
Um Gleichungen, bei denen eine reelle Zahl oder ein reeller Vektor gesucht wird, von Gleichungen, bei denen beispielsweise eine Funktion gesucht ist, zu unterscheiden, wird manchmal auch die Bezeichnung algebraische Gleichung verwendet, wobei diese Bezeichnung dann aber nicht auf Polynome eingeschränkt ist. Diese Sprechweise ist jedoch umstritten.
Diophantische Gleichungen
Sucht man ganzzahlige Lösungen einer skalaren Gleichung mit ganzzahligen Koeffizienten, so spricht man von einer Diophantischen Gleichung. Ein Beispiel einer kubischen Diophantischen Gleichung ist
,
von der ganzzahlige
gesucht werden, die die Gleichung erfüllen, hier die Zahlen
.
Differenzengleichungen
Ist die Unbekannte eine Folge, so spricht man von einer Differenzengleichung. Ein bekanntes Beispiel einer linearen Differenzengleichung zweiter Ordnung ist
,
deren Lösung für Startwerte
und
die Fibonacci-Folge
ist.
Funktionalgleichungen
Ist die Unbekannte der Gleichung eine Funktion, die ohne Ableitungen auftritt, so spricht man von einer Funktionalgleichung. Ein Beispiel für eine Funktionalgleichung ist
,
deren Lösungen gerade die Exponentialfunktionen
sind.
Differentialgleichungen
Wird in der Gleichung eine Funktion gesucht, die mit Ableitungen auftritt, so spricht man von einer Differentialgleichung. Differentialgleichungen treten bei der Modellierung von naturwissenschaftlichen Problemen sehr häufig auf. Die höchste auftretende Ableitung wird dabei Ordnung der Differentialgleichung genannt. Man unterscheidet:
- gewöhnliche Differentialgleichungen, bei denen nur Ableitungen nach einer einzigen Variablen auftreten, zum Beispiel die lineare gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung
- partielle Differentialgleichungen, bei denen partielle Ableitungen nach mehreren Variablen auftreten, zum Beispiel die lineare Transportgleichung erster Ordnung
- differential-algebraische Gleichungen, bei denen sowohl algebraische Gleichungen als auch Differentialgleichungen gemeinsam auftreten, beispielsweise die Euler-Lagrange-Gleichungen für ein mathematisches Pendel
- stochastische Differentialgleichungen, bei denen neben deterministischen auch stochastische Ableitungsterme vorkommen, beispielsweise die Black-Scholes-Gleichung der Finanzmathematik zur Modellierung von Wertpapierkursen
Integralgleichungen
Tritt die gesuchte Funktion in einem Integral auf, so spricht man von einer Integralgleichung. Ein Beispiel einer linearen Integralgleichung 1. Art ist
.
Gleichungsketten
Befinden sich in einer Zeile mehrere Gleichheitszeichen, so spricht man von einer Gleichungskette. In einer Gleichungskette sollen alle durch Gleichheitszeichen getrennten Ausdrücke vom Wert her gleich sein. Dabei ist jeder dieser Ausdrücke separat zu betrachten. Beispielsweise ist die Gleichungskette
falsch, weil sie in Einzelgleichungen zerlegt zu falschen Aussagen führt. Wahr ist dagegen zum Beispiel
.
Gleichungsketten sind insbesondere wegen der Transitivität der
Gleichheitsrelation sinnvoll interpretierbar. Gleichungsketten treten oft auch
gemeinsam mit Ungleichungen
in Abschätzungen auf, so
gilt beispielsweise für
.
Gleichungssysteme
Oft werden mehrere Gleichungen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, betrachtet und dabei mehrere Unbekannte gleichzeitig gesucht.
Lineare Gleichungssysteme
Ein Gleichungssystem – also eine Menge von Gleichungen – heißt lineares Gleichungssystem, wenn alle Gleichungen linear sind. Beispielsweise ist
ein lineares Gleichungssystem bestehend aus zwei Gleichungen und drei
Unbekannten
und
.
Fasst man sowohl die Gleichungen, als auch die Unbekannten zu Tupeln zusammen, so lässt sich
ein Gleichungssystem auch als eine einzelne Gleichung für einen unbekannten Vektor auffassen.
So schreibt man in der Linearen
Algebra ein Gleichungssystem als Vektorgleichung
mit einer Matrix
,
den unbekannten Vektor
und der rechten Seite
,
wobei
das Matrix-Vektor-Produkt
ist. In obigem Beispiel sind
,
und
.
Nichtlineare Gleichungssysteme
Gleichungssysteme, deren Gleichungen nicht alle linear sind, werden nichtlineare Gleichungssysteme genannt. Beispielsweise ist
ein nichtlineares Gleichungssystem mit den Unbekannten
und
.
Für solche Gleichungssysteme gibt es keine allgemeingültigen Lösungsstrategien.
Oftmals hat man nur die Möglichkeit, näherungsweise Lösungen mit Hilfe numerischer
Verfahren zu bestimmen. Ein mächtiges Näherungsverfahren ist beispielsweise das
Newton-Verfahren.
Eine Faustregel besagt, dass gleich viele Gleichungen wie Unbekannte benötigt werden, damit ein Gleichungssystem eindeutig lösbar ist. Das ist aber tatsächlich nur eine Faustregel, bis zu einem gewissen Grad gilt sie wegen des Hauptsatzes über implizite Funktionen für reelle Gleichungen mit reellen Unbekannten.
Lösen von Gleichungen
Analytische Lösung
Soweit es möglich ist, versucht man, die Lösungen einer Bestimmungsgleichung exakt zu ermitteln. Wichtigstes Hilfsmittel dabei sind Äquivalenzumformungen, durch die eine Gleichung schrittweise in andere äquivalente Gleichungen (die also dieselbe Lösungsmenge haben) umgeformt wird, bis man eine Gleichung erhält, deren Lösung einfach bestimmt werden kann.
Numerische Lösung
Viele Gleichungen, insbesondere aus naturwissenschaftlichen Anwendungen, können nicht analytisch gelöst werden. In diesem Fall versucht man, am Computer eine näherungsweise numerische Lösung zu berechnen. Solche Verfahren werden in der numerischen Mathematik behandelt. Viele nichtlineare Gleichungen lassen sich approximativ lösen, indem die in der Gleichung auftretenden Nichtlinearitäten linear angenähert werden, und dann die entstehenden linearen Probleme gelöst werden (beispielsweise im Newton-Verfahren). Für andere Problemklassen, etwa bei der Lösung von Gleichungen in unendlich-dimensionalen Räumen, wird die Lösung in geeignet gewählten endlich-dimensionalen Unterräumen gesucht (beispielsweise in der Galerkin-Methode).
Qualitative Analyse
Auch wenn eine Gleichung nicht analytisch gelöst werden kann, ist es dennoch oft möglich, mathematische Aussagen über die Lösung zu treffen. Insbesondere interessieren Fragestellungen, ob eine Lösung überhaupt existiert, ob sie eindeutig ist, und ob sie stetig von den Parametern der Gleichung abhängt. Ist dies der Fall spricht man von einem korrekt gestellten Problem. Eine qualitative Analyse ist auch bzw. gerade bei der numerischen Lösung einer Gleichung wichtig, damit sichergestellt ist, dass die numerische Lösung tatsächlich eine Näherungslösung der Gleichung liefert.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 24.09. 2022