Satz von der impliziten Funktion
Der Satz von der impliziten Funktion ist ein wichtiger Satz in der Analysis. Er beinhaltet ein relativ einfaches Kriterium, wann eine implizite Gleichung oder ein Gleichungssystem (lokal) eindeutig aufgelöst werden kann.
Der Satz gibt an, unter welcher Bedingung eine Gleichung oder ein
Gleichungssystem
implizit eine Funktion
definiert, für die
gilt. Eine derartige Funktion kann im Allgemeinen nur lokal in einer Umgebung
einer Stelle
gefunden werden. Unter strengeren Annahmen existiert jedoch auch eine globale
Version des Satzes.
Ist die Bedingung des Satzes erfüllt, kann die Ableitung
als Funktion von
und
ohne Kenntnis der expliziten Funktion
gewonnen werden; man nennt dies auch implizites Differenzieren.
Begriffsbestimmung
Eine implizit definierte Funktion (kurz implizite Funktion) ist
eine Funktion, die nicht durch eine explizite Zuordnungsvorschrift
gegeben ist, sondern deren Funktionswerte implizit durch eine Gleichung
definiert sind. Dabei ist
eine vektorwertige Funktion, die genauso viele Einzelfunktionen enthält, wie
Komponenten hat. Wird
fixiert, so ergibt sich ein Gleichungssystem in
mit genauso vielen Gleichungen wie Unbekannten. Der Satz über die implizite
Funktion beschreibt Voraussetzungen, unter denen die folgende Aussage
gilt:
- Wenn eine Lösung
für einen Parametervektor
bekannt ist, dann kann auch für jeden Parametervektor
aus einer hinreichend kleinen Umgebung von
eine eindeutig bestimmte Lösung
des Gleichungssystems
gefunden werden, die in einer Umgebung der ursprünglichen Lösung
liegt.
Diese Aussage ermöglicht es, eine Funktion
zu definieren, die jedem Parametervektor
gerade den Lösungsvektor
zuordnet, sodass diese Funktion auf ihrem Definitionsbereich die Gleichung
erfüllt. Der Satz von der impliziten Funktion stellt zudem sicher, dass
diese Zuordnung
unter gewissen Bedingungen und Einschränkungen an
,
und
wohldefiniert ist – insbesondere, dass sie eindeutig ist.
Beispiel
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Setzt man ,
so beschreibt die Gleichung
den Einheitskreis in der Ebene. Der Einheitskreis kann nicht als Graph einer
Funktion
geschrieben werden, denn zu jedem
aus dem offenen Intervall
gibt es zwei Möglichkeiten für
,
nämlich
.
Es ist jedoch möglich, Teile des Kreises als Funktionsgraph darzustellen. Den oberen Halbkreis bekommt man als Graph der Funktion
,
den unteren als Graph von
.
Der Satz von der impliziten Funktion gibt Kriterien für die Existenz von
Funktionen wie
oder
.
Er garantiert auch, dass diese Funktionen differenzierbar sind.
Satz von der impliziten Funktion
Aussage
Seien
und
offene Mengen und
eine stetig differenzierbare Abbildung. Die Jacobi-Matrix
besteht dann aus zwei Teilmatrizen
und
wobei letztere quadratisch ist.
Der Satz von der impliziten Funktion besagt nun:
Erfüllt
die Gleichung
und ist die zweite Teilmatrix
im Punkt
invertierbar, so
existieren offene Umgebungen
von
und
von
sowie eine eindeutige stetig differenzierbare Abbildung
mit
so, dass für alle
,
gilt:
.
Beispiel
Man wende nun diesen Satz auf das anfangs gegebene Beispiel der
Kreisgleichung an: Dazu sind die partiellen Ableitungen nach den -Variablen
zu betrachten. (In diesem Fall ist
,
daher ergibt das eine
-Matrix,
also einfach eine reelle Funktion): Die partielle Ableitung der Funktion
nach
ergibt
.
Der Kehrwert dieses Terms existiert genau dann, wenn
ist. Damit folgert man mit Hilfe des Satzes, dass diese Gleichung für
lokal nach
auflösbar ist. Der Fall
tritt nur an den Stellen
oder
auf. Dies sind also die Problempunkte. Tatsächlich sieht man, dass die Formel
sich genau in diesen Problempunkten in eine positive und negative Lösung
verzweigt. In allen anderen Punkten ist die Auflösung lokal eindeutig.
Beweisansatz
Der klassische Ansatz betrachtet zur Lösung der Gleichung
das Anfangswertproblem
der gewöhnlichen Differentialgleichung
.
Da
in
invertierbar ist, ist dies auch in einer kleinen Umgebung der Fall, d.h.,
für kleine Vektoren
existiert die Differentialgleichung und ihre Lösung für alle
.
Die Lösung der impliziten Gleichung ist nun durch
gegeben, die oben angegebenen Eigenschaften dieser Lösung ergeben sich aus den Eigenschaften der Lösungen parameterabhängiger Differentialgleichungen.
Der moderne Ansatz formuliert das Gleichungssystem
mit Hilfe des vereinfachten Newton-Verfahrens
als Fixpunktproblem und wendet darauf den Fixpunktsatz von
Banach an. Für die dazugehörige Fixpunktabbildung wird die Inverse
der Teilmatrix
der Jacobi-Matrix von
im vorgegebenen Lösungspunkt
gebildet. Zu der Abbildung
kann man nun zeigen, dass sie für Parametervektoren
nahe
auf einer Umgebung von
kontraktiv ist. Dies folgt daraus, dass
stetig differenzierbar ist und
gilt.
Zusammenfassung
Der Vorteil des Satzes ist, dass man die Funktion
gar nicht explizit kennen muss, um eine Aussage über deren Existenz und
Eindeutigkeit machen zu können. Oft ist die Gleichung auch gar nicht durch elementare
Funktionen nach
auflösbar, sondern nur mit numerischen Verfahren. Interessant ist, dass die
Konvergenz solcher Verfahren meist gleiche oder ähnliche Voraussetzungen wie der
Satz von der impliziten Funktion (die Invertierbarkeit der Matrix der
-Ableitungen)
erfordert.
Eine weitere wertvolle Schlussfolgerung des Satzes ist, dass die Funktion
differenzierbar ist, falls
es ist, was bei Anwendung des Satzes über implizite Funktionen
vorausgesetzt wird. Die Ableitung kann sogar explizit angegeben werden, indem
man die Gleichung
nach der mehrdimensionalen
Kettenregel ableitet
und dann nach
auflöst:
.
Eine ähnliche Folgerung gilt für höhere Ableitungen. Ersetzt man die
Voraussetzung „
ist stetig differenzierbar“ durch „
ist
-mal
stetig differenzierbar“ (oder beliebig oft differenzierbar oder analytisch),
kann man folgern, dass
-mal
differenzierbar (bzw. beliebig oft differenzierbar bzw. analytisch) ist.
Satz von der Umkehrabbildung
Ein nützliches Korollar zum Satz von der impliziten Funktion ist der Satz von der Umkehrabbildung. Er gibt eine Antwort auf die Frage, ob man eine (lokale) Umkehrfunktion finden kann:
Sei
offen und
eine stetig differenzierbare Abbildung. Sei
und
.
Die Jacobi-Matrix
sei invertierbar. Dann gibt es eine offene Umgebung
von
und eine offene Umgebung
von b, sodass
die Menge
bijektiv auf
abbildet und die Umkehrfunktion
stetig differenzierbar ist, oder kurz:
ist ein Diffeomorphismus.
Es gilt:

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.09. 2019