Mehrdimensionale Kettenregel
Die mehrdimensionale Kettenregel oder verallgemeinerte Kettenregel ist in der mehrdimensionalen Analysis eine Verallgemeinerung der Kettenregel von Funktionen einer Variablen auf Funktionen und Abbildungen mehrerer Variablen. Sie besagt, dass die Verkettung von (total) differenzierbaren Abbildungen bzw. Funktionen differenzierbar ist, und gibt an, wie sich die Ableitung dieser Abbildung berechnet.
Mehrdimensionale Ableitungen
Ist
eine differenzierbare Abbildung, so ist die Ableitung von
im Punkt
,
geschrieben
,
oder
,
eine lineare
Abbildung, die Vektoren im Punkt
auf Vektoren im Bildpunkt
abbildet. Man kann sie durch die Jacobi-Matrix
darstellen, die mit
,
oder auch mit
bezeichnet wird, und deren Einträge die partiellen
Ableitungen sind:
Die Kettenregel besagt nun, dass die Ableitung der Verkettung zweier Abbildungen gerade die Verkettung der Ableitungen ist, bzw. dass die Jacobi-Matrix der Verkettung das Matrizenprodukt der Jacobi-Matrix der äußeren Funktion mit der Jacobi-Matrix der inneren Funktion ist.
Satz
Sind
und
differenzierbare Abbildungen, so ist auch die Verkettung
differenzierbar. Ihre Ableitung im Punkt
ist die Hintereinanderausführung der Ableitung von
im Punkt
und der Ableitung von
im Punkt
:
bzw.
Für die Jacobi-Matrizen gilt entsprechend:
,
bzw.
wobei der Punkt die Matrizenmultiplikation bezeichnet. Hier werden die
Koordinaten im Definitionsbereich
von
mit
bezeichnet, die Koordinaten im Bildraum
von
und damit dem Definitionsbereich von
mit
.
Ausgeschrieben mit den Komponenten der Abbildungen und den partiellen
Ableitungen:
Höhere Differenzierbarkeit
Sind, für ein ,
die Abbildungen
und
von der Klasse
,
das heißt
-mal
stetig differenzierbar, so ist auch
von der Klasse
.
Dies ergibt sich durch wiederholtes Anwenden der Kettenregel und der
Produktregel auf die partiellen Ableitungen der Komponentenfunktionen.
Spezialfall n = m = 1
Häufig möchte man die Ableitung einer gewöhnlichen reellen Funktion
bestimmen, die aber über einen mehrdimensionalen "Umweg" definiert ist:
mit
und
.
In diesem Fall lässt sich die Kettenregel wie folgt schreiben:
Der letzte Malpunkt bezeichnet dabei das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren, dem Gradienten
der Funktion ,
ausgewertet an der Stelle
,
und der vektorwertigen
Ableitung
der Abbildung
. [1]
Kettenregel und Richtungsableitung
Für den Spezialfall ,
,
mit
,
ist
die Richtungsableitung
von
im Punkt
in Richtung des Vektors
.
Aus der Kettenregel folgt dann
Es ergibt sich also die übliche Formel für die Berechnung der Richtungsableitung:
Beispiel
In diesem Beispiel bildet
die äußere Funktion, abhängig von
.
Somit ist
Als innere Funktion setzen wir ,
abhängig von der reellen Variablen
.
Ableiten ergibt
Nach der allgemeinen Kettenregel gilt daher:
Ein additives Beispiel mittels Substitution
Um die Ableitung von
zu ermitteln, kann man die Funktion zum Beispiel
schreiben und dann die Ketten- und Produktregel anwenden, was zu der
Ableitung
führt. Eine alternative Möglichkeit der Ableitung dagegen bestünde in der Anwendung der mehrdimensionalen Kettenregel:
Sei die Funktion ,
lauten ihre beiden 1. partiellen Ableitungen
und – aufgrund der Umformung
leicht einzusehen –
.
Ersetzt man nun
und
durch die beiden Hilfsfunktionen
und
,
ergibt sich mit
und og. mehrdimensionaler Kettenregel:
Diese Vorgehensweise kann man etwa so beschreiben:
- Man leitet
nach dem
in der Basis ab, wobei man das
im Exponenten als eine Konstante betrachtet,
- man leitet
nach dem
im Exponenten ab, wobei man das
in der Basis als eine Konstante betrachtet,
- man addiert die Ergebnisse.
Der „Trick“ hierbei ist, dass man
in der Basis und
im Exponenten, obwohl sie gleichlauten, unterscheidet.
Diese Herleitung ist allgemeiner anwendbar, z.B. liefert sie ganz einfach auch die Leibnizregel für Parameterintegrale.
Verallgemeinerung auf differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Sind
und
differenzierbare
Mannigfaltigkeiten und
eine differenzierbare Abbildung, so ist die Ableitung
oder
von
im Punkt
eine lineare Abbildung vom Tangentialraum
von
im Punkt
in den Tangentialraum von
im Bildpunkt
:
Andere Bezeichnungen dafür sind: Differential (dann oft
geschrieben), Pushforward
(
)
und Tangentialabbildung (
).
Die Kettenregel besagt dann: Sind ,
und
differenzierbare Mannigfaltigkeiten und ist
die Verkettung der differenzierbaren Abbildungen
und
,
so ist auch
differenzierbar und für die Ableitung im Punkt
gilt :
Kettenregel für Fréchet-Ableitungen
Die Kettenregel gilt ganz entsprechend für Fréchet-Ableitungen.
Gegeben seien Banach-Räume ,
und
,
offene Teilmengen
und
und Abbildungen
und
.
Ist
an der Stelle
und
an der Stelle
differenzierbar, so ist auch die Verkettung
an der Stelle
differenzierbar und es gilt
Fußnoten
- ↑ a
b
Physiker schreiben hier die Vektoren,
bzw.
, mit Vektorpfeilen (
,
) oder mit Fettdruck (
bzw.
). Das hat u.a. den Vorteil, dass man sofort erkennt, dass
im Gegensatz zu
eine eindimensionale Variable ist.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 21.05. 2017