Richtungsableitung
In der Mathematik ist die Richtungsableitung einer von mehreren Variablen abhängigen Funktion die momentane Änderungsrate dieser Funktion in einer durch einen Vektor vorgegebenen Richtung.
Eine Verallgemeinerung der Richtungsableitung auf unendlichdimensionale Räume ist das Gâteaux-Differential.
Definitionen
Seien
eine offene Menge,
und
ein Vektor.
Die Richtungsableitung einer Funktion
am Punkt
in Richtung von
ist definiert durch den Limes
falls dieser existiert.
Alternative Definition
Durch
ist ein Stück einer Parametergerade definiert. Das
ist hierbei hinreichend klein gewählt, so dass
an jeder Stelle
gilt.
Nun ist die Verkettung
eine gewöhnliche reelle Funktion und man erhält gemäß
eine äquivalente Definition der Richtungsableitung.
Diese Definition bietet den Vorteil der Zurückführung der Richtungsableitung auf eine gewöhnliche Ableitung, womit keine neue Art von Differentialquotient betrachtet werden muss.
Zudem kann man diese Definition dergestalt konzeptuell erweitern, dass
eine beliebige differenzierbare Parameterkurve mit
und Tangentialvektor
sein darf. Allerdings setzt man
hierfür als an der Stelle
total
differenzierbar voraus, denn dann ist das totale
Differential
vorhanden und es gilt
gemäß der Kettenregel,
was die Gewissheit verschafft, dass der Wert unabhängig von der gewählten
Parameterkurve ist. Die Richtungsableitung ist in diesem Fall auch dann erklärt,
wenn der Definitionsbereich von
eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist und der Vektor
aus dem Tangentialraum entstammt, welcher sich der Mannigfaltigkeit am Punkt
anschmiegt. Beispielsweise kann die Spur der Parameterkurve bei einer
Mannigfaltigkeit mit äußerer Krümmung unmöglich ein Geradenstück sein, weil sie
per se innerhalb der Mannigfaltigkeit verlaufen muss.
Einseitige Richtungsableitungen
Die einseitigen Richtungsableitungen von
in Richtung
sind definiert durch
Die Richtungsableitung in Richtung
existiert genau dann, wenn die beiden einseitigen Richtungsableitungen
und
übereinstimmen. In diesem Fall gilt
Ableitung in normierte Richtungen
Einige Autoren definieren die Richtungsableitung nur in Richtung normierter Vektoren:
Für Richtungen
auf der Einheitssphäre
stimmen diese beiden Definition überein. Andernfalls unterscheiden sich die
beiden Definitionen durch den Faktor
.
Während die obige Definition für alle Richtungen definiert ist, ist die
Ableitung in normierte Richtungen nur für
definiert.
Besonders in den Anwendungen kann es sinnvoll sein, mit dem normierten
Richtungsvektor
zu rechnen; damit ist gewährleistet, dass die Richtungsableitung nur mehr von
der Richtung, aber nicht vom Betrag von
abhängt.
Schreibweisen
Statt
sind auch die Schreibweisen
,
,
und
üblich, um unter anderem Verwechslungen mit den kovarianten Ableitungen der Differentialgeometrie zu vermeiden.
Ist
total
differenzierbar, so kann die Richtungsableitung mit Hilfe der totalen Ableitung
dargestellt werden (siehe den Abschnitt Eigenschaften).
Schreibweisen dafür sind
,
,
,
und
.
Eigenschaften
- Wählt man als Richtungsvektor
die Koordinateneinheitsvektoren
, so erhält man die partiellen Ableitungen von
im jeweiligen Punkt
:
- Die einseitige Richtungsableitung ist als Funktion von
positiv homogen, das heißt für alle positiven
gilt:
- Falls
in
total differenzierbar ist, so ist die Richtungsableitung als Funktion von
sogar linear und kann durch den Gradienten
von
ausgedrückt werden:
Beispiele
Eindimensionale Betragsfunktion
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Im eindimensionalen Fall gibt es nur zwei mögliche Richtungen, nämlich nach
links bzw. nach rechts. Die Richtungsableitungen entsprechen also den üblichen
einseitigen Ableitungen. Die Ableitungen in beide Richtungen dürfen verschiedene
Werte annehmen, das bedeutet anschaulich, dass die Funktion einen Knick haben
kann. Ein einfaches Beispiel hierfür ist die Betragsfunktion. Sie
ist in
zwar nicht differenzierbar, aber die einseitige Richtungsableitung existiert:
für
und
für
Der Absolutbetrag ist also gleich seiner einseitigen Richtungsableitung in 0
als Funktion von .
Normalenableitung auf Gebieten
Ist
ein glatt
berandetes Gebiet
mit einem äußeren Normalenvektorfeld
und
,
dann ist
die Normalenableitung von
auf dem Rand von
.
Objekte dieser Art treten beispielsweise bei partiellen
Differentialgleichungen mit Neumann-Randbedingungen
auf.
Literatur
- Otto Forster: Analysis 2. Differentialrechnung im Rn. Gewöhnliche Differentialgleichungen. 7. Auflage. Vieweg-Verlag, 2006, ISBN 3-528-47231-6.
- Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2000, ISBN 3-540-43580-8.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.07. 2022