Yang-Mills-Theorie
Die Yang-Mills-Theorie (nach den Physikern Chen Ning Yang und Robert L. Mills) ist eine nicht-abelsche Eichtheorie, die zur Beschreibung der starken und der schwachen Wechselwirkung herangezogen wird. Sie wurde 1954 von Yang und Mills eingeführt sowie unabhängig davon um die gleiche Zeit in der Dissertation von Ronald Shaw bei dem Physiker Abdus Salam und in Japan von Ryoyu Utiyama.[1]
Dieser Artikel beschreibt vorwiegend die mathematischen Aspekte des interdisziplinären Phänomens. Die physikalischen Aspekte werden vor allem bei einem der wichtigsten Beispiele für Yang-Mills-Theorien besprochen, der Quantenchromodynamik.
Die Theorie ist im Allgemeinen nichtabelsch, also nicht kommutativ. Sie enthält jedoch auch als Spezialfall die Quantenelektrodynamik als abelsche Eichtheorie.
Yang-Mills-Wirkung und Feldgleichungen
Die Yang-Mills-Theorie geht von der Yang-Mills-Wirkung
für die Eichbosonen aus:
- Die Größe
heißt Yang-Mills-Feldstärke
ist die zu
duale Yang-Mills-Feldstärke. Der Dualitätsoperator * ist bezüglich der Indizes μ und ν (s.u.) mit der Signatur des Minkowski-Raums
zu bilden, z.B. mit (+−−−). Bezüglich der Indizes a muss man entsprechend der betrachteten Gruppe vorgehen. Analoges gilt auch für die Spur Tr (Abkürzung für engl. trace). Obere und untere Indizes sowie die Reihenfolge von Doppelindizes werden durch die *-Operation vertauscht. Das Yang-Mills-Funktional kann also auch in der expliziten Form geschrieben werden:
Wendet man jetzt das Prinzip der
kleinsten Wirkung auf die Eichbosonenfelder in
an, so erhält man als zugehörige Euler-Lagrange-Gleichungen
die Yang-Mills-Gleichungen:
wobei der Term
die Yang-Mills-Ladungen enthält. Die positive Größe
bedeutet in der Physik die Wechselwirkungskonstante.
Hier wurde die mathematische Sprache der Differentialformen
verwendet, die eine kompakte Notierung erlaubt. Ebenso ist dadurch die Wirkung
in Formensprache nicht auf vier Dimensionen beschränkt und kann in dieser
Darstellung z.B. für eine Yang-Mills-Theorie in einem -dimensionalen
Minkowskiraum mit Metriksignatur
verwendet werden. Yang-Mills-Theorien in höheren Dimensionen und ihre
supersymmetrischen Erweiterungen sind z.B. für AdS/CFT-Korrespondenz
relevant.
Die Yang-Mills-Feldstärke ist durch die zweite Maurer-Cartan-Strukturgleichung
definiert, die den differentialgeometrischen
Zusammenhang
(genauer gesagt dessen lokale
Darstellung) eines Hauptfaserbündels
(in der Physik Eichpotential bzw. Eichbosonfeld genannt) mit
seiner Krümmung
(in der Physik Feldstärke
bzw. Feldstärketensor
genannt) in Verbindung bringt:
Wie oben ist
eine Lie-Algebra-wertige 1-Form über dem Hauptfaserbündel
eine Lie-Algebra-wertige 2-Form über diesem Hauptfaserbündel
die äußere Ableitung
das äußere Produkt von Differentialformen, das hier zwischen den
nicht verschwindet, da die Lie-Algebra-Komponenten von
im Allgemeinen nicht vertauschen.
Aus diesem Grunde ist die Feldform
auch nicht „geschlossen“
im Gegensatz zu abelschen Eichtheorien wie der Elektrodynamik.
In Komponentenschreibweise gilt wie in der Quantenchromodynamik:
und die Yang-Mills-Gleichungen werden in dieser Schreibweise (wenn man, wie üblich, auf der rechten Seite noch einen Quellenterm einfügt):
In der Physik betrachtet man meist eine kompakte, halbeinfache Lie-Gruppe ,
etwa
oder
,
deren hermitesche
Generatoren
folgende Kommutationsrelation
erfüllen:
Die
heißen (reelle) Strukturkonstanten
der Lie-Gruppe.
Ein beliebiges Element
von
wird durch folgende Gleichung dargestellt:
Dirac-Teilchen in der Yang-Mills-Theorie
Die Wellenfunktion
(Dirac-Feld)
eines (mit Yang-Mills-Ladungen) geladenen Teilchens transformiert unter
so:
bzw.
Das gilt allerdings nur für Teilchen, die nach der fundamentalen Darstellung der Eichgruppe transformieren.
Die Lagrange-Funktion für das Dirac-Feld, aus der über die Euler-Lagrangegleichungen die Bewegungsgleichungen des dadurch beschriebenen geladenen Fermions folgen, sieht wie folgt aus:
Diese Lagrange-Funktion beschreibt die Kopplung des Yang-Mills-Feldes
(„Eichfeld“) an die Materie- bzw. Dirac-Felder
:
ist die oben angegebene Kopplungskonstante,
eine Dirac-Matrix
- Der Ausdruck
wird kovariante Ableitung oder minimale Kopplung genannt.
- Die Variablen
bilden die Vierervektor-Komponenten der zusätzlich noch Lie-Algebra-wertigen 1-Form
(d.h., die Indizes a sind zur Vereinfachung weggelassen; meist lässt man auch das Symbol ^ weg, was hier der Deutlichkeit halber bei der kovarianten Ableitung nicht geschieht).
- Bei Berücksichtigung von Dirac-Teilchen kommt in der Gesamtwirkung auch
noch der oben erwähnte Feld-Anteil hinzu, der hier durch Punkte angedeutet ist
und nicht explizit von
abhängt.
Wenn die Yang-Mills-Theorie zur Beschreibung der starken Wechselwirkung
eingesetzt wird (und zwar in Form einer -Eichtheorie,
der schon erwähnten Quantenchromodynamik),
dann beschreibt
das Gluonfeld.
Die o.g.
stellen die acht Gluonenarten dar (die
hat 8 Generatoren, üblicherweise verwendet man zu ihrer Darstellung die
Gell-Mann-Matrizen).
Einige wichtige Yang-Mills Theorien mit geladenen Fermionen-Materiefeldern besitzen die Eigenschaft der asymptotischen Freiheit bei hohen Energien bzw. kurzen Abständen, was von der Eichgruppe und der Anzahl der Fermionentypen abhängt.
Offene Probleme
Ein großer Fortschritt in der Durchsetzung der Yang-Mills-Theorien in der Physik war der Nachweis ihrer Renormierbarkeit durch Gerardus ’t Hooft Anfang der 1970er Jahre. Die Renormierbarkeit gilt auch, wenn die Eichbosonen massiv sind wie in der elektroschwachen Wechselwirkung. Die Massen werden nach dem Standardmodell durch den Higgs-Mechanismus erworben.
In der Mathematik ist die Yang-Mills-Theorie aktuelles Forschungsgebiet und diente z.B. Simon Donaldson zur Klassifikation differenzierbarer Strukturen auf 4-Mannigfaltigkeiten. Die Yang-Mills-Theorie wurde vom Clay Mathematics Institute in die Liste der Millennium-Probleme aufgenommen. Insbesondere geht es bei diesem Preis-Problem darum nachzuweisen, dass die niedrigsten Anregungen einer reinen Yang-Mills-Theorie (d.h. ohne Materiefelder) eine endliche (d.h. hier, nicht-verschwindende) Masse bzw. Anregungsenergie haben müssen (d.h., es besteht ein Mass-Gap – in der Festkörperphysik würde man sagen: eine Energielücke – zum Vakuumzustand). Ein damit zusammenhängendes weiteres offenes Problem ist der Nachweis der vermuteten Confinement-Eigenschaft von Yang-Mills-Feldern in Wechselwirkung mit Fermionenfeldern.
In der Physik erfolgen die Untersuchung von Yang-Mills-Theorien inzwischen nicht mehr über störungstheoretische analytische Methoden, sondern über Gitterrechnungen (Gittereichtheorien) oder funktionale Methoden wie z.B. Dyson-Schwinger-Gleichungen.
Terminologie-Gegenüberstellung
In der Mathematik bzw. der Physik bestehen ganz unterschiedliche
Terminologien, die hier systematisch gegenübergestellt werden: So erzeugt man in
der Mathematik aus
den differentialgeometrischen
Zusammenhang, während man in der Physik vom Vektorpotential
des Feldes redet, welches unter anderem dessen Teilchen erzeugt (z.B. die
Eichteilchen der Elementarteilchenphysik).
Mit
bzw.
bezeichnet man in der Mathematik die Krümmung,
in der Physik dagegen den Feldtensor.
Der Ausdruck
bezeichnet in beiden Terminologien einen antisymmetrischen Anteil
(Lie-Kommutator) der Krümmungsform bzw. des Feldstärketensors. Die Physiker
sprechen in diesem Zusammenhang von Strukturkonstanten
des Tensors.
Yang-Mills-Theorie und Gravitation
Utiyama erkannte, dass auch die Strukturen der allgemeinen Relativitätstheorie zu der Form von Yang-Mills-Theorien passen. Er versuchte dann, die allgemeine Relativitätstheorie als Yang-Mills-Theorie der Lorentz-Gruppe aufzufassen. Das ist insofern besonders, als dass hierbei der zugrundeliegenden Geometrie eine Eichfreiheit zugestanden wird, während andere Yang-Mills-Theorien wie die Quantenchromodynamik von einer Minkowski-artigen Geometrie (also von der speziellen Relativitätstheorie) ausgehen. Utiyama kam darauf, dass die Kopplung des neuen Feldes tatsächlich die Form der kovarianten Ableitung im riemannschen Raum hat, allerdings nur, wenn er antisymmetrische Anteile des Zusammenhangs ignorierte und die Symmetrie der Metrik ad hoc voraussetze. Diese Theorie unterscheidet sich insofern von den oben beschriebenen Theorien, als dass in der Lagrangedichte der Feldstärketensor, welcher hier der riemannsche Krümmungstensor ist, nur in erster Ordnung auftaucht.
Kibble erkannte später, dass es praktischer ist, von der Poincaré-Gruppe (bei Kibble „vollständige Lorentz-Gruppe“ genannt) auszugehen. In diesem Fall erhält man zwei Feldgleichungen, da die Poincaré-Gruppe in einen Lorentz-Anteil und in einen Translationsanteil zerfällt. So kommt man auf die Einstein-Cartan(-Sciama-Kibble)-Theorie der Gravitation. In dieser sind die Ad-hoc-Annahmen von Utiyama nicht mehr nötig: Der Zusammenhang darf antisymmetrische Anteile haben (die Torsion genannt werden) und statt der Metrik bekommt man Tetradenfelder, welche nicht notwendigerweise symmetrisch sein müssen.
Im Diskurs zu Verallgemeinerungen der Allgemeinen Relativitätstheorie tauchen aufbauend auf diesen Überlegungen Ansätze auf, auch für die Gravitation eine Lagrangefunktion zu fordern, welche quadratisch im Feldstärketensor ist.
Diese Yang-Mills-Theorien der Gravitation bedeuten nicht automatisch, dass damit die Quantisierung der Gravitation möglich ist. Da hier die zugrundeliegende Geometrie geeicht wird, gelten Sätze bezüglich der Renormierbarkeit nicht mehr ohne weiteres.
Literatur
- Gerardus 't Hooft (Herausgeber, Physiker): 50 years of Yang-Mills theory. World Scientific, Singapore 2005, ISBN 981-256-007-6.
- Keith J. Devlin (Mathematiker): The Millennium problems – the seven greatest unsolved mathematical puzzles of our time. Granta Books, London 2005, S. 63–97, ISBN 1-86207-735-5.
Anmerkungen
- ↑ Weitere Entdecker waren Wolfgang Pauli, allerdings nur unveröffentlicht in Briefen an Abraham Pais (1953). Yang und Mills waren auch die Einzigen, die eine Verbindung zur starken Wechselwirkung schlugen. Eine Kaluza-Klein-Theorie mit SU(2) Eichgruppe stellte schon Oscar Klein 1938 auf einer Konferenz in Kazimierz in Polen vor und wandte sie auch auf die starke Wechselwirkung an, was weitgehend unbeachtet blieb. Siehe Lochlainn O'Raifeartaigh, The Dawning of Gauge Theory, Princeton UP 1997, S. 8f
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 25.05. 2021