Darstellungstheorie
In der Darstellungstheorie werden Elemente von Gruppen oder allgemeiner von Algebren mittels Homomorphismen auf lineare Abbildungen von Vektorräumen (Matrizen) abgebildet.
Die Darstellungstheorie hat Anwendungen in fast allen Gebieten der Mathematik und der theoretischen Physik. So war ein darstellungstheoretischer Satz von Robert Langlands ein wesentlicher Schritt für Andrew Wiles' Beweis des Großen Satzes von Fermat, und die Darstellungstheorie lieferte ebenfalls den theoretischen Hintergrund für die Vorhersage, dass Quarks existieren. Auch für die rein algebraische Untersuchung der Gruppen oder Algebren ist die Darstellung durch Matrizen oft nützlich.
Arten von Darstellungen
Klassisch beschäftigte sich Darstellungstheorie mit Homomorphismen
für Gruppen
und Vektorräume
(wobei
die allgemeine
lineare Gruppe über
bezeichnet), siehe
Allgemeiner wird die Darstellungstheorie von Ringen und Algebren betrachtet, welche die Darstellungstheorie der Gruppen als Spezialfall enthält (weil jede Darstellung einer Gruppe eine Darstellung ihres Gruppenringes induziert), hierfür siehe
In der Physik sind neben den diskreten Gruppen der Festkörperphysik
besonders auch Darstellungen von Lie-Gruppen
von Bedeutung, etwa bei der Drehgruppe
und den Gruppen des Standardmodells.
Hier verlangt man zusätzlich, dass Darstellungen glatte
Homomorphismen
sein sollen, siehe
Die Lie'schen
Sätze vermitteln eine Korrespondenz zwischen Darstellungen von Lie-Gruppen
und den induzierten Darstellungen
ihrer
Lie-Algebren. Für die Darstellungstheorie von Lie-Algebren siehe
Lie-Algebren sind nicht assoziativ, weshalb ihre Darstellungstheorie kein Spezialfall der Darstellungstheorie assoziativer Algebren ist. Man kann aber jeder Lie-Algebra ihre universelle einhüllende Algebra zuordnen, welche eine assoziative Algebra ist.
Grundbegriffe
Im Folgenden sei
eine Gruppe, Lie-Gruppe oder Algebra und
eine Darstellung von
,
also ein Gruppen-, Lie-Gruppen- oder Algebren-Homomorphismus in die Algebra
der linearen Abbildungen eines Vektorraums
(dessen Bild im Falle von Gruppen- oder Lie-Gruppen-Isomorphismen natürlich
sogar in
liegt).
Die Vektorraumdimension
von
wird als Dimension von
bezeichnet. Endlichdimensionale Darstellungen nennt man auch
Matrix-Darstellungen, denn durch Wahl einer Vektorraumbasis lässt
sich jedes Element aus
als Matrix schreiben. Injektive Darstellungen heißen treu.
Zwei Darstellungen
und
heißen äquivalent, wenn es einen Vektorraum-Isomorphismus
gibt mit
für alle
.
Dafür schreibt man abkürzend auch
.
Die so definierte Äquivalenz ist eine Äquivalenzrelation
auf der Klasse aller Darstellungen. Die Begriffsbildungen in der
Darstellungstheorie sind so angelegt, dass sie beim Übergang zu einer
äquivalenten Darstellung erhalten bleiben, Dimension und Treue sind erste
Beispiele.
Teildarstellungen
Sei
eine Darstellung. Ein Untervektorraum
heißt invariant (genauer
-invariant),
falls
für alle
.
Offenbar ist
wieder eine Darstellung von ,
die man die Einschränkung von
auf
nennt und mit
bezeichnet.
Ist
ein zu
komplementärer
Unterraum, der ebenfalls invariant ist, so gilt
,
wobei die Äquivalenz durch den Isomorphismus
vermittelt wird.
Direkte Summen
Sind
und
zwei Darstellungen, so definiert
wieder eine Darstellung von ,
wobei
komponentenweise auf der direkten
Summe
operiert, das heißt
für alle
.
Diese Darstellung nennt man die direkte Summe aus
und
und bezeichnet sie mit
.
Diese Konstruktion lässt sich für direkte Summen beliebig vieler Summanden
verallgemeinern. Ist
eine Familie von Darstellungen, so auch
.
Irreduzibilität, Vollständige Reduzibilität, Ausreduzierung
Eine Darstellung
heißt irreduzibel, wenn es außer
und
keine weiteren invarianten Unterräume von
gibt. Für eine äquivalente Charakterisierung siehe Lemma von Schur. Eine
Darstellung heißt vollständig reduzibel, wenn sie zu einer direkten Summe
irreduzibler Darstellungen äquivalent ist. Das „Produkt“ (besser: Tensorprodukt)
zweier (irreduzibler) Darstellungen ist i.a. reduzibel und kann nach
Bestandteilen der irreduziblen Darstellungen „ausreduziert“ werden, wobei
spezielle Koeffizienten wie z.B. die Clebsch-Gordan-Koeffizienten
der Drehimpulsphysik entstehen. Dies ist für die Anwendungen in der Physik ein
besonders wichtiger Aspekt.
Geschichte
Im 18. und 19. Jahrhundert kamen Darstellungstheorie und Harmonische Analysis
(in Form der Zerlegung von Funktionen in multiplikative
Charaktere) abelscher Gruppen wie ,
oder
beispielsweise im Zusammenhang mit Euler-Produkten oder Fourier-Transformationen
vor. Dabei arbeitete man aber nicht mit den Darstellungen, sondern mit deren
multiplikativen Charakteren. Frobenius definierte 1896 zuerst (ohne explizit auf
Darstellungen Bezug zu nehmen) einen Begriff multiplikativer Charaktere auch für
nichtabelsche Gruppen, Burnside und Schur entwickelten seine Definitionen dann
neu auf der Basis von Matrix-Darstellungen und Emmy Noether gab schließlich im
Wesentlichen die heutige Definition mittels linearer Abbildungen eines
Vektorraumes, was später die in der Quantenmechanik benötigte Untersuchung
unendlich-dimensionaler Darstellungen ermöglichte.
Um 1900 wurde die Darstellungstheorie der symmetrischen und alternierenden Gruppen von Frobenius und Young ausgearbeitet. 1913 bewies Cartan den Satz vom höchsten Gewicht, der die irreduziblen Darstellungen komplexer halbeinfacher Lie-Algebren klassifiziert. Schur beobachtete 1924, dass man mittels invarianter Integration die Darstellungstheorie endlicher Gruppen auf kompakte Gruppen ausdehnen kann, die Darstellungstheorie kompakter zusammenhängender Lie-Gruppen wurde dann von Weyl entwickelt. Die von Haar und von Neumann bewiesene Existenz und Eindeutigkeit des Haar-Maßes erlaubte dann Anfang der 30er Jahre die Erweiterung dieser Theorie auf kompakte topologische Gruppen. Weitere Entwicklungen betrafen dann die Anwendung der Darstellungstheorie lokal kompakter Gruppen wie der Heisenberggruppe in der Quantenmechanik, die Theorie lokal kompakter abelscher Gruppen mit Anwendungen in der Algebraischen Zahlentheorie (Harmonische Analysis auf Adelen) und später das Langlands-Programm.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.07. 2020