Minkowski-Raum
Der Minkowski-Raum, benannt nach Hermann Minkowski, ist ein vierdimensionaler Raum, in dem sich die Relativitätstheorie elegant formulieren lässt. Um 1907 erkannte Minkowski, dass die Arbeiten von Hendrik Antoon Lorentz (1904) und Albert Einstein (1905) zur Relativitätstheorie in einem nicht-euklidischen Raum verstanden werden können. Er vermutete, dass Raum und Zeit in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum miteinander verbunden sind. Dies wird auch als Minkowski-Welt bezeichnet.
Drei seiner Koordinaten sind die des Euklidischen
Raums; dazu kommt eine vierte Koordinate für die Zeit. Der Minkowski-Raum
ist also analog wie ein euklidischer Raum
aufgebaut. Wegen der unterschiedlichen Struktur von Raum- und Zeitkoordinaten
(siehe unten) sind beide Räume aber wesentlich verschieden.
In der Mathematik betrachtet man auch Minkowski-Räume beliebiger Dimension.
Reelle Definition
Der Minkowski-Raum ist ein vierdimensionaler reeller
Vektorraum, auf dem das Skalarprodukt nicht durch
den üblichen Ausdruck, sondern durch eine nichtausgeartete
Bilinearform vom Index 1 gegeben ist. Diese ist also nicht positiv
definit. Man ordnet den Minkowski-Vierervektoren
(sog. „Ereignissen“) vier-komponentige Elemente
bzw.
zu und setzt in der Regel
wobei die Koordinate
ebenfalls reell definiert ist: sie geht mit Hilfe der Lichtgeschwindigkeit
aus der Zeitkoordinate
hervor.
Statt der hier gewählten Signatur
die in der allgemeinen
Relativitätstheorie heute am häufigsten verwendet wird (sie ist die
Konvention im einflussreichen Lehrbuch von Charles Misner, Kip Thorne und
John Archibald Wheeler von 1973), wird – vor allem in der neueren Literatur – oft
die physikalisch äquivalente umgekehrte Signatur
gewählt. Letztere ist auch in der Teilchenphysik weit verbreitet
und wird zum Beispiel in der bekannten Lehrbuchreihe von Lew Landau
und Jewgeni M. Lifschitz
verwendet.
wird im Englischen daher auch Teilchenphysik-Konvention genannt (auch
Westküsten-Konvention), und
die Relativitätstheorie-Konvention[1]
(auch Ostküsten-Konvention). Die Zeit wird zuweilen auch als vierte statt als
nullte Koordinate geführt.
Alternativ kann man das innere Produkt zweier Elemente des Minkowski-Raumes
auch als Wirkung
des metrischen
Tensors
auffassen:
indem man kontravariante
und kovariante Vektorkomponenten unterscheidet
(obere bzw. untere Indizes, z.B.
aber
).
Definition mit imaginärer Zeit
In manchen älteren Lehrbüchern
wird eine äquivalente Notation
verwendet, die die gemischte Signatur des inneren Produkts durch Verwendung
einer imaginären
Zeitachse vermeidet. Durch Setzen von
können die
mit positiv definiter, euklidischer Metrik verwendet werden und man erhält
dennoch die korrekte Minkowski-Signatur
Eine Eigenschaft dieser Konvention ist, dass nicht zwischen kontravarianten und kovarianten Komponenten unterschieden wird. Der Wechsel von Minkowski-Signatur auf euklidische Signatur der Metrik wird dabei als Wick-Rotation bezeichnet. In modernen Lehrbüchern wird diese Konvention nicht verwendet und von der Verwendung abgeraten.
Lorentz-Transformationen
Die Lorentz-Transformationen
spielen eine den Drehungen um den
Koordinatenursprung in euklidischen Räumen analoge Rolle: Es sind diejenigen
homogen-linearen
Transformationen, die das Objekt
und damit das innere Produkt des Minkowskiraums invariant
lassen, was die Bedeutung des Minkowskiraums in der speziellen
Relativitätstheorie begründet. Auch eignet sich dieser Formalismus zur
Verallgemeinerung in der allgemeinen
Relativitätstheorie. Im Gegensatz zu den Drehgruppen haben die
Lorentz-Transformationen auch die Kausalstruktur der Systeme als Folge.
Kausalstruktur (raumartige, zeitartige und lichtartige Vektoren)
Die Elemente des Minkowski-Raums können nach dem Vorzeichen von
in drei Klassen eingeteilt werden:
- zeitartige Minkowski-Vektoren (das entspricht kausal durch „massive Körper“ beeinflussbaren „Ereignispaaren“ [2]),
- raumartige Minkowski-Vektoren (kausal nicht beeinflussbare Ereignispaare)
- – als Grenzfall – lichtartige Minkowski-Vektoren (kausal nur durch Lichtsignale beeinflussbare Ereignispaare).
Die Invarianz dieser Einteilung bei allen Lorentz-Transformationen folgt aus der Invarianz des Lichtkegels. Dabei beschreibt das zeitartige Innere des Lichtkegels die kausale Struktur: mögliche Ursachen eines Ereignisses liegen in der „Vergangenheit“ (Rückwärtsbereich des Lichtkegel-Inneren), mögliche Auswirkungen in der „Zukunft“ (Vorwärtsbereich des Lichtkegel-Inneren); außerdem gibt es noch den raumartigen Außenbereich des Lichtkegels, der mit dem betrachteten Ereignis im Zentrum gar nicht „kausal zusammenhängt“, weil dazu Informationsübertragung mit Überlichtgeschwindigkeit nötig wäre.
Minkowski-Räume in der Mathematik
In der Mathematik, speziell der Differentialgeometrie
betrachtet man auch Minkowski-Räume
beliebiger Dimension. Diese sind
-dimensionale
Vektorräume mit einer symmetrischen
Bilinearform
der Signatur
.
In einer geeigneten Basis lässt sich
als
,
darstellen, diese Form bezeichnet man als Lorentzform.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Sie wurde unter anderem von Wolfgang Pauli in seinem einflussreichen Artikel über Relativitätstheorie in der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften verwendet. Einstein verwendete verschiedene Konventionen in seinem Aufsatz über Allgemeine Relativitätstheorie von 1916 die Konvention (+,-,-,-) und ebenso Hermann Minkowski 1908 in seinem Vortrag Raum und Zeit.
- ↑
Dass es sich um Ereignispaare handelt, wird
klar, wenn man als
infinitesimale Differenzen
verwendet.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.06. 2021