Semilineare Abbildung
Als semilineare Abbildung
bezeichnet man in der linearen
Algebra eine Abbildung eines Vektorraums
über einem Körper
auf einen anderen Vektorraum über demselben Körper, die linear bis auf einen
Körperautomorphismus
also in diesem Sinne „fast“ eine lineare
Abbildung ist. In der Geometrie
werden im gleichen Sinn auch allgemeiner semilineare Abbildungen zwischen
Linksvektorräumen über evtl. auch verschiedenen Schiefkörpern
definiert als Abbildungen, die linear bis auf einen Schiefkörpermonomorphismus
sind.
Jede lineare Abbildung ist semilinear. Genau dann ist jede semilineare
Abbildung über einem -Vektorraum
(bzw.
-Linksvektorraum)
sogar linear, wenn der Körper (bzw Schiefkörper) als einzigen
Automorphismus die Identität zulässt. Diese Eigenschaft haben zum Beispiel alle
Primkörper, der Körper
der reellen Zahlen und alle euklidischen,
insbesondere die reell
abgeschlossenen Körper. Eine semilineare Funktion
(auch Semilinearform)
ist eine semilineare Abbildung eines
-(Links-)Vektorraumes
in den (Schief-)Körper
selbst als eindimensionaler
-Vektorraum.
Bei Wahl fester Basen der Vektorräume kann jede semilineare Abbildung eindeutig als Hintereinanderausführung einer linearen Abbildung, d.h. einer Matrix, und der Anwendung des jeweiligen (Schief-)Körperautomorphismus auf jede Koordinate dargestellt werden.
Die für Anwendungen außerhalb der Geometrie im engeren Sinn, etwa für Sesquilinearformen,
wichtigsten Fälle sind die semilinearen Abbildungen zwischen komplexen Räumen,
also zwischen -Vektorräumen,
bezüglich der komplexen
Konjugation. Für diese Fälle wird der im vorliegenden Artikel beschriebene
Begriff auch als antilineare Abbildung oder konjugiert lineare
Abbildung bezeichnet, im projektiven Fall heißt eine bijektive, semilineare
Selbstabbildung dann auch Antiprojektivität, bei diesen Bezeichnungen
muss die Abbildung jeweils semilinear, darf aber nicht linear
sein, mit anderen Worten: Der zugehörige Körperautomorphismus darf nicht die
identische Abbildung sein.
Jede semilineare Abbildung liefert in der synthetischen
Geometrie eine Darstellung des homogenen Anteils einer geradentreuen
Abbildung einer mindestens zweidimensionalen desarguesschen
affinen
Geometrie mit mehr als zwei Punkten auf jeder Geraden auf eine andere affine
Geometrie bzw. eine Matrixdarstellung
einer mindestens zweidimensionalen, desarguesschen projektiven
Geometrie auf eine andere projektive Geometrie in Bezug auf je ein in
Werte- und Zielraum fest vorgegebenes Koordinatensystem. Hier kann der
Morphismus
aus der Definition und der Darstellung auch ein Schiefkörpermonomorphismus, also
ein injektiver
Ringhomomorphismus zwischen Schiefkörpern sein. Der Bildraum kann dann auch ein
-Linksvektorraum
über einem „größeren“ Schiefkörper
und der Werteraum über einem Körper
sein, der zu einem Teilkörper
isomorph ist.
Bijektive, semilineare Selbstabbildungen eines mindestens zweidimensionalen, desarguesschen affinen oder projektiven Raumes sind in diesem Sinne genau die Matrix-Darstellungen für die Kollineationen dieses Raumes, ggf. zusammen mit einem Schiefkörperautomorphismus.
Definition
Eine Abbildung
eines
-(Links-)Vektorraumes
über dem Körper (bzw. Schiefkörper)
auf einen
-Linksvektorraum
heißt semilineare Abbildung,
falls ein (Schief-)Körperautomorphismus
existiert, mit dem sie den beiden folgenden Bedingungen genügt. Für alle
und alle
gilt:
- Superposition:
, mit anderen Worten:
ist ein Gruppenhomomorphismus der abelschen Gruppe
.
Darstellung
Es sei
ein Schiefkörper und
,
seien
-
bzw.
-dimensionale
Linksvektorräume über
.
Sei
eine semilineare Abbildung. Dann existieren für eine beliebige Vektorraumbasis
von
und eine beliebige Vektorraumbasis
von
eindeutige
-Matrizen
und ein Schiefkörperautomorphismus
,
so dass für einen beliebigen Koordinatenvektor
in der Koordinatendarstellung bezüglich der Basis
gilt bzw.
wenn der Bildvektor
als Koordinatenvektor bezüglich der Basis
dargestellt wird. Die Matrizen
,
sind durch die Basen und die genannte Beziehung zu
jeweils eindeutig bestimmt, aber im Allgemeinen voneinander verschieden. Als
Automorphismus
kann in beiden Darstellungen der gleiche, unabhängig von den gewählten Basen
verwendet werden. Eindeutig bestimmt ist er durch die Beziehung zu
,
sofern für das Bild der semilinearen Abbildung
gilt. Vergleiche hierzu auch Kollineation.
Beispiele und Gegenbeispiele
- Es seien
Vektorräume über den komplexen Zahlen. Eine Abbildung
-
- ist genau dann eine Sesquilinearform, wenn die Abbildungen
für jeden festen Vektor
linear und die Abbildung
für jeden festen Vektor
semilinear mit der Konjugation als Körperautomorphismus ist.
- Es sei
. Der nichtidentische, involutorische Automorphismus
-
- induziert zusammen mit einer beliebigen
-Matrix
eine semilineare Abbildung
- des
-Vektorraums
bezüglich seiner Standardbasis. Ist
regulär, stellt diese Abbildung geometrisch eine Kollineation des affinen Raums über
dar.
- Eine Kollineation einer projektiven Translationsebene der Lenz-Klasse IV ist nicht durch eine semilineare Abbildung darstellbar, weil die Ebene nicht durch einen Schiefkörper koordinatisierbar ist.
- Ein antiunitärer Operator ist eine semilineare Abbildung auf einem komplexen Hilbertraum bezüglich der komplexen Konjugation, die sich durch Hintereinanderausführung eines unitären Operators und der koordinatenweisen komplexen Konjugation ergibt. Alternativ lassen sich antiunitäre Operatoren als semilineare, surjektive Isometrien charakterisieren. Sie spielen in der mathematischen Beschreibung der Quantenmechanik als Symmetrien eine – wenn auch gegenüber unitären Operatoren weniger wichtige – Rolle . Die Zeitumkehr ist ein Beispiel für eine solche Symmetrie.
Die Gruppe der semilinearen Abbildungen
Allgemeine semilineare Gruppe
Die Gruppe der invertierbaren
semilinearen Abbildungen eines -Vektorraums
wird als Allgemeine semilineare Gruppe
bezeichnet. Sie lässt sich als semidirektes
Produkt
der allgemeinen
linearen Gruppe
mit der Galois-Gruppe
von
als Körpererweiterung
eines Primkörpers
zerlegen. (Der zweite Faktor sind gerade die Körperautomorphismen von
,
weil jeder Körperautomorphismus den Primkörper festlassen muss.)
Projektive semilineare Gruppe
Die Projektive semilineare Gruppe eines -Vektorraums
ist das semidirekte Produkt
,
der projektiven
linearen Gruppe
mit der Gruppe der Körperautomorphismen. Sie wirkt auf dem projektiven Raum
.
Verallgemeinerung
Ist allgemeiner
ein Ring
und
ein Endomorphismus,
so heißt eine additive Abbildung
-semilinear,
wenn
für alle
und
gilt.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.12. 2021