Fano-Ebene

Die Fano-Ebene mit 7 Punkten und 7 Geraden. Sie kann als ein Hypergraph mit 7 Knoten (den „Punkten“ der Inzidenzstruktur, in der Abbildung sind das gefüllte Kreise) und 7 Kanten (den „Geraden“ der Inzidenzstruktur, in der Abbildung sind das die 6 Strecken und der Kreis) aufgefasst werden.

Die Fano-Ebene ist eine Inzidenzstruktur, die sich sowohl als linearer Raum als auch als projektive Ebene, zweidimensionaler projektiver Raum oder als Blockplan auffassen lässt. Sie ist nach dem italienischen Mathematiker Gino Fano benannt. In der synthetischen Geometrie ist sie das Minimalmodell einer projektiven Ebene. Ihr affiner Ausschnitt, der durch Ausschneiden einer projektiven Geraden entsteht, ist das Minimalmodell einer affinen Ebene.

Die Automorphismengruppe \Gamma der Fano-Ebene ist die Gruppe ihrer Projektivitäten, symbolisch als \operatorname {PGL}(3,2) dargestellt, da sie formal eine Faktorgruppe der allgemeinen linearen Gruppe \operatorname {GL}(3,2) ist, tatsächlich ist sie zu dieser isomorph. \Gamma ist eine einfache Gruppe und zählt in der Klassifikation der endlichen einfachen Gruppen zu den kleinsten nichtkommutativen einfachen Gruppen. Sie zählt dort zu den Gruppen vom Lie-Typ.

Daneben werden im Sprachgebrauch der synthetischen Geometrie diejenigen projektiven oder (seltener) affinen Ebenen als Fano-Ebenen bezeichnet, in denen das Fano-Axiom gilt. Die Fano-Ebene, wie sie dieser Artikel beschreibt, ist in diesem axiomatischen Sinn keine Fano-Ebene, denn sie erfüllt das projektive Fano-Axiom nicht.

Definitionen

Die Fano-Ebene mit binären Punktnummern (rot), die abkürzend für homogene Koordinaten stehen

Visualisierung, Definition als Hypergraph

Die Fano-Ebene lässt sich durch die Zeichnung eines gleichseitigen Dreiecks mit Höhen und Inkreis visualisieren (erste Abbildung oben) und definieren. Die 7 Elemente von {\mathfrak  {P}}, die Punkte, sind die drei Eckpunkte, die drei Höhenfußpunkte und der Mittelpunkt des Inkreises. Die 7 Elemente von {\mathfrak {G}}, die Geraden, sind dann die Dreieckseiten, die Höhen und der Inkreis. Aus dem Satz von Sylvester-Gallai folgt, dass es keine Darstellung gibt, bei der alle Geraden tatsächlich Geraden der euklidischen Ebene sind. Dieses Bild kann – im Sinne der Graphentheorie – als ein Hypergraph mit Knoten (den Punkten) und Kanten (den Strecken und dem Inkreis) und damit als Modell der Fano-Ebene angesehen werden.

Konkrete, aufzählende Definition als Inzidenzstruktur

Die folgende (symmetrische) Inzidenzstruktur L=({\mathfrak  {P}},{\mathfrak  {G}},I) wird als Fano-Ebene bezeichnet:

Punktmenge: {\mathfrak  {P}}=\{001,010,011,100,101,110,111\} oder {\mathfrak  {P}}=\{1,2,3,4,5,6,7\}
Geradenmenge: {\mathfrak  {G}}=\left\{{\begin{matrix}\{001,010,011\},&\{001,100,101\},\\\{001,110,111\},&\{010,101,111\},\\\{010,100,110\},&\{011,100,111\},\\\{011,101,110\}\end{matrix}}\right\} oder
\quad {\mathfrak  {G}}=\left\{\{1,2,3\},\{1,4,5\},\{1,6,7\},\{2,5,7\},\{2,4,6\},\{3,4,7\},\{3,5,6\},\right\}
Inzidenzrelation {\text{I}}: Für P\in {\mathfrak  {P}},g\in {\mathfrak  {G}} gilt P\,{\text{I}}\,g\Leftrightarrow P\in g\quad und \quad g\,{\text{I}}\,P\Leftrightarrow P\in g

In dieser konkreten Definition durch Aufzählung können die 7 „binären“ Punktsymbole (vergleiche die Abbildung rechts: 001,010, usw.) einfach als eigenwillige Symbole für 7 verschiedene Punkte genommen werden. Tatsächlich stehen sie abkürzend für Koordinatentripel, wie weiter unten erläutert wird. Die zweite, kompaktere Darstellung der Punkte- und Geradenmenge entsteht jeweils durch die Interpretation dieser Punktsymbole als Zahlen im Dualsystem und deren Umrechnung ins Dezimalsystem.

Definition als projektiver Raum

Gleichwertig lässt sich die Fano-Ebene mit der Sprache der linearen Algebra definieren als der zweidimensionale projektive Raum \mathbb {P} ^{2}(\mathbb {F} _{2}) über dem endlichen Körper \mathbb {F} _{2} mit zwei Elementen. Dieser Körper wiederum kann durch den Restklassenkörper \mathbb{Z } /2\mathbb{Z } \cong {\mathbb  {F}}_{2} modelliert werden.

Äquivalenz der Definitionen

Die Fano-Ebene ist im Sinne der synthetischen Geometrie eine endliche projektive Ebene der Ordnung 2 mit 7 Geraden und 7 Punkten, ihre symbolische Abkürzung lautet PG(2,2). Bei der axiomatischen Beschreibung projektiver Ebenen ergibt sich dies, indem man direkt anhand der konkret definierten Inzidenzstruktur die Gültigkeit der Axiome überprüft.

Bei der Definition als zweidimensionaler projektiver Raum über dem Körper K={\mathbb  {F}}_{2} betrachtet man den Vektorraum K^{3}, dessen eindimensionalen Unterräume sind dann die Punkte der projektiven Ebene, seine zweidimensionalen Unterräume die Geraden und die Inzidenzrelation ist die mengentheoretische Teilmengenrelation „IMG class="text" style="width: 1.81ex; height: 1.84ex; vertical-align: -0.33ex;" alt="\subset " src="/svg/0f51f0eeff0c2a9dcb9c856f87ca0359e701ef01.svg">“. Somit erhält man (formal)

Dabei stehen die Symbole \langle x\rangle ,\;\langle x,y\rangle für die von dem Vektor x bzw. den Vektoren x,y erzeugten linearen Unterräume des K^{3}. Die Bedingung x\neq y in der Definition der Geradenmenge ist für diesen Vektorraum gleichwertig zur linearen Unabhängigkeit der zwei Vektoren, solange der Nullvektor ausgeschlossen wird.

Punktkoordinaten

Nun kann man im visualisierten Modell (gleichseitiges Dreieck mit Höhen und Inkreis) ein vollständiges Viereck, also eine geordnete, vierelementige Punktmenge (B_{1},B_{2},B_{3},E), bei der keine drei Punkte auf einer Geraden liegen, als projektive Punktbasis auswählen und diesen Punkten in der gegebenen Reihenfolge die (Erzeugnisse der) Standardbasis des K^{3} nebst Einheitspunkt zuweisen: B_{1}{\mathrel  {\widehat {=}}}e_{1}=(1,0,0) usw. – formal genauer: B_{1}{\mathrel  {\widehat {=}}}\langle (1,0,0)\rangle , denn der projektive Punkt entspricht einem eindimensionalen Unterraum, also dem Erzeugnis von e_{1}. Nun wird die Schreibweise noch etwas informeller gemacht und weiter verkürzt: Wir vereinbaren B_{1}=100 als Abkürzung für die oben beschriebene Zuordnung.

In der zweiten Abbildung oben wurde dies durchgeführt. Dabei wurden die Ecken in der Reihenfolge „rechts 100, oben 010, links 001“ zu den ersten drei Basispunkten und der Höhenschnittpunkt zum Einheitspunkt E=111{\mathrel  {\widehat {=}}}\langle e_{1}+e_{2}+e_{3}\rangle , die Koordinaten der übrigen Punkte ergeben sich so: Der dritte Punkt auf einer Geraden muss sich durch binäre Addition ohne Überträge \oplus (auch Exclusiv-Oder-Verknüpfung XOR genannt) der anderen beiden Punkte auf der Geraden ergeben. Zum Beispiel: 101=001\oplus 100=010\oplus 111=011\oplus 110, in Worten: Der Mittelpunkt der unteren Seite des gleichseitigen Dreiecks (101) liegt auf der unteren Seite (erste „Summe“), der Höhe zu dieser Seite (zweite „Summe“) und auf dem Inkreis (dritte „Summe“). Dass diese Gleichungen für die „Summen“ aufgehen, bedeutet nun gerade, dass der Vektor (1,0,1) im jeweiligen Erzeugnis der summierten, verschiedenen Koordinatenvektoren liegt. Da die drei Seitenmitten, also gerade die Punkte, die nicht zum vollständigen Viereck gehören, mit dieser Regel konsistent koordinatisiert werden können, ist die „Visualisierung als gleichseitiges Dreieck“, formal genauer: der entsprechende Hypergraph zu \mathbb {P} ^{2}(\mathbb {F} _{2}) isomorph. Die Definition durch Aufzählung gibt nun aber einfach die Punktmenge und Geradenmenge des Hypergraphen wieder und ist daher zu den beiden anderen Modellen isomorph.

Eigenschaften

Entartungen

Durch ihre Kleinheit weist die Fano-Ebene einige Besonderheiten auf:

Dualisierung

Eine projektive, hyperbolische Polarität in der Fano-Ebene: Jedem Punkt wird eine Gerade zugeordnet, jeder Geraden ein Punkt, so dass dabei die Inzidenzrelation umgekehrt wird.

Eine abstrakte Dualisierung der Fano-Ebene erhält man, indem man in einer der Definitionen Punktmenge und Geradenmenge vertauscht und die Inzidenzrelation umkehrt, also die Inzidenzstruktur L^{d}=({\mathfrak  {G}},{\mathfrak  {P}},{\text{I}}^{{-1}})[1] betrachtet. Die so aus L abgeleitete Inzidenzstruktur ist stets wieder eine Inzidenzstruktur und für eine projektive Ebene (im Sinne der synthetischen Geometrie) auch wieder eine projektive Ebene derselben Ordnung. Für desarguessche projektive Ebenen und also auch für die Fano-Ebene ist die duale Struktur L^{d} zur Ausgangsstruktur isomorph. Dies zeigt man mit Hilfe eines konkreten Isomorphismus (einer Korrelation), der vom gewählten Koordinatensystem abhängt. Eine solche Korrelation (hier genauer: eine projektive, hyperbolische Polarität) wird im nachfolgenden Abschnitt beschrieben:

Geradenkoordinaten und Dualität

Im Vektorraummodell lässt sich jede Gerade, also jeder zweidimensionale Unterraum des K^{3} durch eine homogene Geradengleichung a_{1}\cdot x_{1}+a_{2}\cdot x_{2}+a_{3}\cdot x_{3}=0,(a_{1},a_{2},a_{3})\in K^{3}\setminus \{(0,0,0)\} beschreiben. Der Koordinatenvektor der Geraden (Geradenkoordinaten) ist also (a_{1},a_{2},a_{3}). Einem Punkt mit den projektiven Punktkoordinaten (a_{1},a_{2},a_{3}) wird die Gerade mit den homogenen Geradenkoordinaten (a_{1},a_{2},a_{3}) zugeordnet und umgekehrt. Die Abbildung rechts zeigt die Zuordnungen für die in diesem Artikel getroffene Wahl der Punktbasis: Die Punkte unten im Bild werden durch diese Korrelation den Geraden, die direkt über ihnen stehen, zugeordnet, die Geraden dem direkt unter ihnen stehenden Punkt. Zum Beispiel wird der 3. Basispunkt 001, der rechte untere Eckpunkt des Dreiecks, der Geraden mit der Gleichung x_{3}=0 (der linken Dreieckseite) zugeordnet \left(001^{d}=\langle 010,100\rangle \right), die Höhe durch die obere Spitze mit der Gleichung x_{1}+x_{3}=0 ihrem Höhenfußpunkt 101.

Im Bild rechts stellen die Strecken in der Mitte zwischen den rot hervorgehobenen Geraden und Punkten die Inzidenzrelation dar, die durch die Dualisierung umgekehrt wird: P{\text{I}}g\Leftrightarrow g^{d}{\text{I}}P^{d}, bzw. mengentheoretisch P\in g\Leftrightarrow g^{d}\in P^{d}, im Vektorraummodell P<g\Leftrightarrow g^{d}<P^{d}, wobei das Kleinerzeichen für „ist linearer Teilraum von“ steht.

Kollineationsgruppe

Die Automorphismengruppe \Gamma der Fano-Ebene ist die Gruppe ihrer Kollineationen; sie stimmt mit der Gruppe ihrer Projektivitäten \operatorname {PGL}(3,\mathbb{Z } /2\mathbb{Z } )=\operatorname {PGL(3,2)} überein, da der zweielementige Primkörper \mathbb{Z } /2\mathbb{Z } keine nichtidentischen Körperautomorphismen zulässt. Sie operiert scharf transitiv auf den geordneten nichtkollinearen Punktetripeln und hat daher die Ordnung 7\cdot 6\cdot 4=168, die gleiche Ordnung ergibt sich aus der Formel \#\operatorname {PGL}(3,\mathbb{Z } /2\mathbb{Z } )=\#\operatorname {GL}(3,\mathbb{Z } /2\mathbb{Z } )=(2^{3}-1)\cdot (2^{3}-2)\cdot (2^{3}-4) für die Ordnung der allgemeinen linearen Gruppe. Sie ist nichtabelsch und einfach (d. h. sie hat nur die trivialen Normalteiler).

Bei den folgenden, gruppentheoretischen Betrachtungen wird \Gamma als Gruppe von Permutationen ihrer Punkte, also als Untergruppe der symmetrischen Gruppe S_{7} dargestellt. Dabei wird vereinbart, dass Permutationen von links auf Zahlen operieren, das heißt es gilt (\pi _{1}\cdot \pi _{2})(n)=\pi _{1}(\pi _{2}(n)) und z. B. (1,2,3)(1)=2. In der Sprache der Geometrie sind zwei Projektivitäten \pi _{1},\pi _{2} genau dann zueinander konjugiert, wenn \pi _{2} bezüglich einer geeigneten Punktbasis die gleiche Darstellung wie \pi _{1} bezüglich unserer Ausgangsbasis (als lineare Abbildung) hat. In der Permutationsdarstellung heißt das, die Ebene kann nach dem oben beschriebenen „binären“ System so umnummeriert werden, dass \pi _{2} die Permutationsdarstellung von \pi _{1} annimmt. Zwei Permutationen sind in der S_{7} genau dann konjugiert, wenn sie gleichartige Darstellungen als Produkte von disjunkten Zyklen haben, diese Bedingung ist also auch in \Gamma notwendig, sie erweist sich dort auch − außer für die Elemente der Ordnung 7, die in zwei Konjugationsklassen zerfallen − als hinreichend.

2-Gruppen und Perspektivitäten

Fano-Ebene: Für eine übersichtliche Darstellung der Kollineationen als Zahlpermutationen sind hier die binären Koordinaten aus der zweiten Abbildung ins Dezimalsystem umgerechnet.
Beispiel für eine Projektivität der Ordnung 4

3-Gruppen und die Affinitätengruppe

7-Gruppen und kleine Erzeugendensysteme

Eine Projektivität der Ordnung 7 aus der 2. Konjugationsklasse
Eine Projektivität der Ordnung 7 aus der 1. Konjugationsklasse
  1. entweder auf der Verbindungsgerade A_{1}A_{2} (erste Konjugationsklasse)
  2. oder auf der Verbindungsgerade A_{1}A_{3} (zweite Konjugationsklasse) liegt.
  • Jeder 7-Zyklus ist als Komposition von genau drei verschiedenen, nichtidentischen Perspektivitäten darstellbar. Für die beiden Zyklen c_1,c_2 aus der vorigen Aussage ist c_{1}=t_{1}\cdot t_{2}\cdot t_{3} bzw. c_{2}=t_{1}\cdot t_{3}\cdot t_{2} mit den Perspektivitäten t_{1}=(1,4)(2,7),\,t_{2}=(1,2)(5,6),\,t_{3}=(2,6)(3,7).
  • Daraus folgt: \Gamma =\langle t_{1},\,t_{2},\,t_{3}\rangle als Erzeugnis von drei Perspektivitäten und \Gamma =\langle t_{1},\,t_{2}\cdot t_{3}\rangle [3] als Erzeugnis einer Perspektivität und einer Projektivität der Ordnung 4.

Anmerkungen

  1. Die Inzidenzrelation {\text{I}} ist nach Definition wie in jeder projektiven Ebene symmetrisch, daher ist {\text{I}}={\text{I}}^{{-1}} und ({\mathfrak  {G}},{\mathfrak  {P}},{\text{I}}^{{-1}})=({\mathfrak  {G}},{\mathfrak  {P}},{\text{I}})
  2. Man wähle zu dem 7-Zyklus c diejenige der Potenzen \gamma \in \{c^{1},c^{{-1}}\}, die in der ersten Konjugationsklasse liegt, dann gibt es eine solche Bijektion \beta :{\mathfrak  {P}}\rightarrow \{0,1,2,3,4,5,6\}, durch die \beta (\gamma )=(1,2,3,4,5,6,0) wird.
  3. Beachte, dass alle Perspektivitäten involutorisch sind und daher (t_{2}\cdot t_{3})^{{-1}}=t_{3}\cdot t_{2} ist.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 19.12. 2020