Hüllenoperator
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In der Mathematik versteht man unter der Hülle einer Menge eine Obermenge, die groß genug ist, um bestimmte Anforderungen zu erfüllen, und zugleich die kleinste Menge ist, die diese Anforderungen erfüllt. Beispiele sind die konvexe Hülle einer Teilmenge eines Vektorraums, die abgeschlossene Hülle einer Teilmenge eines topologischen Raums oder die transitive Hülle einer zweistelligen Relation. Hüllenoperator bezeichnet die Vorschrift, durch die jeder Menge von Objekten ihre Hülle zugeordnet wird. Die durch einen Hüllenoperator gegebenen Hüllen bilden ein Hüllensystem, also ein Mengensystem mit bestimmten Eigenschaften.
Definitionen
Hüllenoperatoren
Über einer gegebenen Grundmenge
ist ein Hüllenoperator eine extensive,
monotone,
idempotente Abbildung
auf der Potenzmenge von
,
welche jeder Teilmenge
eine weitere Teilmenge von
,
nämlich die Hülle
,
zuordnet, wobei folgende Bedingungen erfüllt sind:
- (Et) Extensivität:
, das heißt: Die Hülle von
enthält mindestens die Menge
selbst.
- (M) Monotonie bzw. Isotonie:
, das heißt: Wenn
Teilmenge von
ist, so gilt das entsprechend auch für ihre Hüllen.
- (Ip) Idempotenz:
, das heißt: Bildet man von der Hülle einer Menge nochmals die Hülle, so bleibt diese unverändert.
Aufgrund der beiden anderen Anforderungen genügt es auch, an Stelle der
Idempotenz nur
zu fordern, das heißt: Bildet man von der Hülle einer Menge nochmals die Hülle,
so wird nichts mehr hinzugefügt.
Äquivalent zu den drei genannten Einzelforderungen ist folgende.
heißt Hüllenoperator, wenn für alle
gilt:
- (Oh):
.
Einen Hüllenoperator nennt man auch Abschlussoperator, weil ein zu einer strukturierten Menge (einem topologischen Raum, einer algebraischen Struktur) gehörender Hüllenoperator jede Teilmenge dieser strukturierten Menge auf die kleinste Unterstruktur abbildet, die diese Teilmenge enthält. Die Unterstrukturen (abgeschlossene Mengen im topologischen Raum, algebraische Unterstrukturen) bilden aber gerade die bezüglich der gegebenen Struktur abgeschlossenen Teilmengen.
- Algebraische Hüllenoperatoren
Die in der Algebra, der Universellen Algebra, der Geometrie und verwandten Teilgebieten auftretenden Hüllenoperatoren sind in der Regel algebraische Hüllenoperatoren. Dies ist gleichbedeutend damit, dass die diesen Hüllenoperatoren zugehörigen Hüllensysteme algebraisch sind und damit die folgende Endlichkeitsbedingung erfüllen:
- (Oa): Zu jeder Teilmenge
und für jedes beliebige Element
gibt es stets eine endliche Teilmenge
mit
.
Diese Begriffsbildung ist vor allem aus der Linearen Algebra wohlbekannt, wo in jedem Vektorraum die lineare Hülle einer beliebigen Teilmenge von Vektoren mit der Menge aller Linearkombinationen dieser Vektoren übereinstimmt.
Hüllensysteme
Ein Hüllensystem ist ein unter beliebiger Schnittmengenbildung
abgeschlossenes Mengensystem, d.h., ein Hüllensystem über einer Menge
ist eine aus Teilmengen der Grundmenge
bestehende Menge
mit folgenden Eigenschaften:
- (Sh0):
enthält die Grundmenge:
.
- (Sh1): Für jede nichtleere Teilmenge
von
ist der Durchschnitt der Elemente von
ein Element aus
, oder kurz:
.
Mit
als Grundmenge ist es sinnvoll, den allgemein mengentheoretisch nicht
definierten Durchschnitt über die leere Menge als
zu definieren, denn nur so wird
erreicht. Dadurch lassen sich die beiden genannten Bedingungen zu einer einzigen
äquivalenten Bedingung vereinfachen:
- (Sh): Für jede Teilmenge
von
ist der Durchschnitt der Elemente von
ein Element aus
, oder kurz:
.
Zusammenhang zwischen Hüllensystemen und Hüllenoperatoren
Hüllensysteme und Hüllenoperatoren entsprechen einander:
- Ist
ein Hüllensystem über
, dann kann man einen Hüllenoperator
auf
wie folgt definieren:
-
für alle
.
- Die Menge, über die hier der Durchschnitt gebildet wird, ist wegen
nicht leer.
- Umgekehrt kann aus jedem Hüllenoperator
auf
ein Hüllensystem
über
gewonnen werden:
-
.
Es gibt einen einfachen und schnellen Algorithmus zur Erzeugung aller Hüllen eines gegebenen Hüllenoperators (Algorithmus 1 in ).
Beispiele
- Betrachten wir die Ebene
. Die konvexen Teilmengen der Ebene bilden ein Hüllensystem, der zugehörige Hüllenoperator ist die Bildung der konvexen Hülle einer Teilmenge.
- Das minimal umgebende Rechteck ist eine Hülle im Sinne dieser Begriffsbildung.
- Die abgeschlossenen Mengen eines topologischen Raumes bilden ein Hüllensystem. Der zugehörige Hüllenoperator bewirkt die Bildung der abgeschlossenen Hülle einer Teilmenge des zugrundeliegenden topologischen Raumes und wird nach dem polnischen Mathematiker Kuratowski manchmal auch als Kuratowskischer Hüllenoperator bezeichnet. Die abgeschlossene Hülle einer Teilmenge eines topologischen Raums ist die kleinste Obermenge, die abgeschlossen ist unter Grenzwertbildung von Netzen auf der jeweiligen Menge.
- Ist eine Gruppe gegeben, so bilden ihre Untergruppen ein Hüllensystem. Der zugehörige Hüllenoperator ist die Bildung der Untergruppe, die von einer Teilmenge erzeugt wird.
- Die Normalteiler einer Gruppe bilden ein Hüllensystem.
- Jedes Idealsystem ist ein Hüllensystem.
- Die Bildung der transitiven Hülle einer Relation ist ein Hüllenoperator.
- Die beiden Verkettungen
und
einer Galoisverbindung
sind Hüllenoperatoren.
- Die Bildung der Kleeneschen Hülle einer formalen Sprache ist ein Hüllenoperator.
- Der σ-Operator aus der Maßtheorie, der jeder Menge von Teilmengen eines Raumes die kleinste umfassende σ-Algebra zuordnet, ist ein Hüllenoperator. Genauso gibt es Hüllenoperatoren zur Erzeugung von Dynkin-Systemen und monotonen Klassen.
- Die Inferenzoperation der formalen Logik ist ein Hüllenoperator.
- Für den Hüllkörper
zu einer Zahlenmenge wird verlangt, dass zu allen Elementen der Menge stets
auch ihre Summe, ihr Produkt, ihre Differenz und ihr Quotient (außer bei
Division durch Null) und die Zahlen 1 und 0 zur Menge gehören. Der Hüllkörper
der Menge {0} ist somit bereits die Menge
aller rationalen Zahlen. Erst wenn die Zahlenmenge mindestens eine irrationale Zahl (zum Beispiel
) enthält, ergibt sich ein Körper, der
echt umfasst.
- In jeder Unterkategorie von Set, die als Morphismen nur Inklusionsabbildungen enthält, ist jede Monade ein Hüllenoperator.
Anwendungen auf formale Sprachen und Komplexitätsklassen
Es sei
eine Klasse von formalen
Sprachen. Wir betrachten folgende Hüllenoperatoren auf
:
: Abschluss unter Homomorphismen:
- Wenn
, dann auch
: Abschluss unter
-freien Homomorphismen, wie
, aber
: Abschluss unter inversen Homomorphismen:
- Wenn
, dann auch
: Abschluss unter Vereinigung:
: Abschluss unter Durchschnitt:
: Abschluss unter Konkatenation:
: Abschluss unter Kleene-Stern:
Wenn eine Klasse
und einer der obigen Hüllenoperatoren
die Eigenschaft
haben, dann heißt
unter der entsprechenden Operation (Homomorphismus,
-freier
Homomorphismus, inverser Homomorphismus, Vereinigung, Durchschnitt,
Konkatenation bzw. Kleene-Stern) abgeschlossen.
Siehe auch
Literatur
- Marcel Erné: Einführung in die Ordnungstheorie. Bibliographisches Institut, Mannheim u.a. 1982, ISBN 3-411-01638-8.
- Heinrich Werner: Einführung in die allgemeine Algebra (= BI-Hochschultaschenbücher. Band 120). Bibliographisches Institut, Mannheim u.a. 1978, ISBN 3-411-00120-8.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 16.10. 2022