Mikrozustand
Ein Mikrozustand ist in der statistischen Physik die vollständige mikroskopische Beschreibung eines thermodynamischen Systems. Ein Mikrozustand entspricht damit einem Punkt im Phasenraum des Systems. Für ein klassisches ideales Gas sind damit Ort und Impuls jedes Teilchens festgelegt.
Im Gegensatz zum Mikrozustand beschreibt der Makrozustand
das System durch seine gemittelten
Parameter, wie etwa Temperatur,
Druck oder Magnetisierung. Ein
thermodynamisches System mit gegebenem Makrozustand besetzt nun verschiedene
Mikrozustände der Energie
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
.
Aus diesen Mikrozuständen zusammen mit ihren Wahrscheinlichkeiten lassen sich
viele Parameter des Systems berechnen.
Oft sind einige Mikrozustände eines abgeschlossenen Systems nach außen hin nicht unterscheidbar (z.B. weil sie die gleiche Gesamtenergie und den gleichen Gesamtimpuls oder die gleiche Gesamtmagnetisierung haben). Gemäß dem Postulat der gleichen a-priori-Wahrscheinlichkeiten tritt im thermischen Gleichgewicht jeder dieser Mikrozustände mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf. Es kann nicht belegt werden, ist aber die einzig plausible Annahme, da jede Auszeichnung eines dieser Zustände durch eine veränderte Wahrscheinlichkeit eine gewisse Willkür bedeuten würde.
Mikroskopische Definition thermodynamischer Größen
Die statistische Physik definiert die thermodynamischen Eigenschaften eines
Systems über ein Ensemble
von
Mikrozuständen. Jedem Mikrozustand
kann eine Energie
und eine Besetzungswahrscheinlichkeit
zugeordnet werden, die sich aus den Eigenschaften des Mikrozustandes ergeben.
Mit diesen Definitionen können dann Kennzahlen
des Systems als Mittelwert
der Mikrozustände (Ensemblemittelwert)
berechnet werden (siehe auch Ergodenhypothese).
Beispiele:
- Die innere
Energie
ist die Energie des zugehörigen Makrozustandes als Erwartungswert über die Energien der Mikrozustände:
- Die Entropie
hängt nur von den Wahrscheinlichkeiten der Mikrozustände ab und ist definiert als deren Erwartungswert:
-
- Dabei ist
die Boltzmann-Konstante. Diese Definition entspricht (ohne
) der Shannon'schen Informationsentropie
Weitere thermodynamische Größen können über den Formalismus der Zustandssummen berechnet werden. Dabei wird die Anzahl der Mikrozustände für gewisse Randbedingungen gezählt. Die Verteilung der Mikrozustände im Phasenraum wird von der Zustandsdichte angegeben.
Beispiele
Klassisches Gas

In der klassischen Physik wird ein Gas als Menge von
punktförmigen
Teilchen der Masse
angenommen. Die Teilchen haben die Positionen
und die Geschwindigkeiten
.
Der Index
nummeriert die Teilchen durch, der Index
ist die Nummer eines möglichen Mikrozustands; ein Mikrozustand ist dabei die
Angabe der Positionen und momentanen Geschwindigkeiten aller Teilchen zu einem
bestimmten Zeitpunkt.
Die mittlere Energie des Mikrozustands lässt sich dann aus den kinetischen Energien der Gasteilchen berechnen:
Es gibt viele Zustände mit der Energie ,
da nur die Geschwindigkeiten, nicht aber die Positionen der Teilchen zu dieser
Größe beitragen. Gemäß dem Postulat der gleichen A-priori-Wahrscheinlichkeiten
hat jeder dieser Zustände die gleiche Wahrscheinlichkeit.
Die Teilchen stoßen elastisch aneinander und an die Wände des Gefäßes. Dadurch stellt sich nach einiger Zeit ein thermisches Gleichgewicht ein, in dem die Verteilung der Geschwindigkeiten der Einzelteilchen der Maxwell-Boltzmann-Verteilung folgt.
Die Wahrscheinlichkeit für einen Zustand mit der Energie
ist:
Dabei ist
die Temperatur des Gases
die thermische Energie des Gases und
der Boltzmann-Faktor.
Ising-Modell
Ein weiteres Beispiel der statistischen Physik ist das Ising-Modell. Bei diesem
eindimensionalen System von Spins
sind
Teilchen in einer Reihe angeordnet. Dabei zeigt der Spin jedes Teilchens
entweder nach oben
oder nach unten
.
Liegt zusätzlich ein externes Magnetfeld
mit der Feldstärke
an, so lässt sich die Energie eines Mikrozustandes berechnen als:
Dabei ist
das Bohrsche
Magneton. Für den Fall
kann man die möglichen Mikrozustände und ihre Energie direkt aufschreiben:
Mikrozustand | ↑↑↑ | ↑↑↓ | ↑↓↑ | ↓↑↑ | ↑↓↓ | ↓↑↓ | ↓↓↑ | ↓↓↓ |
Energie |
3 | 1 | 1 | 1 | -1 | -1 | -1 | -3 |
Auch in diesem Beispiel kann ein Makrozustand gegebener Energie durch verschiedene Mikrozustände dargestellt werden.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.08. 2021