Orthogonale Summe
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Die orthogonale Summe ist im mathematischen Teilgebiet der linearen Algebra eine Konstruktion, die aus einer Familie von Skalarprodukträumen (oder allgemeineren Räumen) einen einzigen Skalarproduktraum, die orthogonale Summe der Familie, bildet, in den sich die Skalarprodukträume als paarweise orthogonale Unterräume einbetten lassen. Die orthogonale Summe ist gewissermaßen die minimal mögliche solcher Konstruktionen. Das auf diesem Raum definierte Skalarprodukt nennt man auch orthogonale Summe oder direkte Summe der einzelnen Skalarprodukte auf den einzelnen Räumen. In der Funktionalanalysis überträgt man diese Konstruktion auf Hilberträume und spricht dann auch von der (direkten) Hilbertsumme oder Hilbertraumsumme.
Äußere orthogonale Summe
Endliche Summen
Zunächst betrachtet man zwei Skalarprodukträume
und
über demselben Körper
mit den Skalarprodukten
bzw.
.
Die äußere orthogonale Summe
ist dann die äußere direkte
Summe der beiden Vektorräume
und
,
das heißt das kartesische
Produkt
der Mengen
und
mit komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation.
Dieser Raum wird nun mit dem Skalarprodukt
für
versehen, der orthogonalen Summe von
und
.
Mittels der Einbettungen
und
lässt sich
mit dem Untervektorraum
und
mit
identifizieren, wobei
der jeweilige Nullvektorraum
ist. Ein Vektor
wird dann einfach als Summe
geschrieben, insofern man o.B.d.A. davon ausgehen kann, dass
die Räume disjunkt sind. Sind die
Vektorräume
und
über
oder
definiert und vollständig,
also Hilberträume, dann ist der
Raum
bezüglich des Skalarprodukts
ebenfalls vollständig. Induktiv lassen sich so auch orthogonale Summen für
endlich viele Summanden definieren.
Man schreibt die orthogonale Summe auch als ,
etwa wenn auch andere
-Summen
auftreten.
Beliebige direkte Summen
Sei
eine Familie von Skalarprodukträumen über demselben Körper
mit Skalarprodukten
zu einer beliebigen Indexmenge
.
Die direkte Summe der
Vektorräume
ist der Vektorraum
versehen mit der komponentenweisen Addition und Skalarmultiplikation. Auf diesem Raum von Familien von Vektoren definiert man das Skalarprodukt
mit ,
welches wohldefiniert
ist, da gemäß Konstruktion der direkten Summe nur endlich viele der Summanden
ungleich null sind. Man erhält so die (algebraische) orthogonale direkte Summe.
Mittels der Einbettungen
mit
,
die Skalarprodukte erhalten, lassen sich die einzelnen Räume wieder mit
Untervektorräumen identifizieren und man schreibt einen Vektor
dieses Raums ggf. einfach als Summe
,
wobei jedoch nur endlich viele Summanden von null verschieden sein dürfen. Die
orthogonale Summe einer leeren
Familie ist der Nullvektorraum (versehen mit dem trivialen und einzig möglichen
Skalarprodukt). Diese Konstruktion ist völlig analog für beliebige Familien von
Moduln
über demselben nicht notwendigerweise kommutativen Ring versehen mit
beliebigen Sesquilinearformen
als Sesquilinearform auf der direkten Summe definiert. Man definiert die direkte
Summe auch für Sesquilinearformen, deren erstes und zweites Argument aus
verschiedenen Moduln stammen, in diesem Fall kann man jedoch nicht mehr von
Orthogonalität der eingebetteten Untermoduln sprechen.
Beliebige Summen von Hilberträumen
Für eine solche unendliche direkte Summe gilt im Allgemeinen nicht mehr, dass
die Summe von Hilberträumen wiederum ein Hilbertraum ist, die Vollständigkeit
kann also verletzt werden. Daher definiert man für eine Familie
von Hilberträumen über demselben Körper
(
oder
)
mit Skalarprodukten
die orthogonale Summe (bzw. eindeutig gesprochen die Hilbertraumsumme) als die
Vervollständigung
der obigen (zur Abgrenzung auch algebraisch genannten) orthogonalen
direkten Summe. Dies ist gewissermaßen der kleinste Hilbertraum, der die
algebraische orthogonale direkte Summe enthält. Man nennt diesen ebenfalls
.
Konkret lässt sich dieser Raum wie folgt konstruieren:
,
wobei die Endlichkeit der Summe so zu lesen ist, dass insbesondere stets nur höchstens abzählbar viele Summanden ungleich null sind. Addition und Skalarmultiplikation sind wiederum komponentenweise erklärt. Das Skalarprodukt definiert man wiederum als
,
wobei nun die Definition nur noch sicherstellt, dass nur abzählbar viele
Summanden ungleich null sind. Die Summe ist also als absolut konvergente
Reihe
zu lesen. Die Einbettungen
liefern wie zuvor Identifikationen mit Unterhilberträumen und man schreibt einen
Vektor
in der orthogonalen Summe ggf. einfach als Summe
,
wobei nun nur noch gelten muss, dass die Normen der
quadratsummabel sind, es können also auch abzählbar unendlich viele von null
verschiedene Summanden auftreten.
Die Konstruktion als Vervollständigung zeigt, dass die (algebraische) direkte Summe ein dichter Teilvektorraum der orthogonalen (Hilbertraum-)Summe ist, welche wiederum ein Teilvektorraum des direkten Produktes ist. Im Falle einer unendlichen Familie von Räumen ohne Nullvektorräume sind diese Inklusionen echt.
Falls Verwechslungen mit der (algebraischen) direkten Summe von Vektorräumen
möglich sind, schreibt man die orthogonale Summe auch als .
Als Spezialfall einer
-Summe
schreibt man sie als
.
Innere orthogonale Summe
Analog zur inneren direkten Summe von Vektorräumen spricht man im Spezialfall der orthogonalen Summe von paarweise orthogonalen Unterhilberträumen eines gegebenen Hilbertraums von einer inneren orthogonalen Summe. Während man bei der inneren orthogonalen Summe die Bedingung der paarweisen Orthogonalität stellt, kann eine äußere orthogonale Summe auch etwa von vielen gleichen Räumen gebildet werden, die dann „kopiert“ werden. Betrachtet man einen Skalarproduktraum, so ist die innere orthogonale Summe von Unterräumen nichts anderes als ihre innere direkte Vektorraumsumme, d.h. ihre lineare Hülle.
Die innere orthogonale (Hilbertraum-)Summe in einem Hilbertraum dagegen ist
der Abschluss
der linearen Hülle der Summanden. Sie kann leicht durch Orthogonalprojektionen
charakterisiert werden: Seien
paarweise orthogonale Unterhilberträume eines Hilbertraums
,
d.h. für
und
ist
.
Dann existieren die Orthogonalprojektionen
auf die Unterhilberträume und deren Summe
.
ist wiederum eine Orthogonalprojektion. Das Bild von
ist gerade die (innere) orthogonale Summe der Räume
.
Beispiele
- Der Raum
ist gerade der Spezialfall der orthonormalen Summe des eindimensionalen Hilbertraums
:
- Für einen Unterhilbertraum
ist
gerade die innere orthogonale Summe von
und seinem orthogonalen Komplement
:
- Der in der Quantenfeldtheorie
wichtige antisymmetrische Fockraum
ergibt sich als Vervollständigung der äußeren
Algebra auf einem Hilbertraum
, bzw. als orthogonale Summe der äußeren Potenzen
:
- Entsprechend ergibt sich der symmetrische Fockraum als Vervollständigung
der symmetrischen
Algebra, eines anderen Quotienten der Tensoralgebra,
bzw. als orthogonale Summe der Räume
der symmetrischen Tensoren der Stufe
über
:
Basen und Dimension
Seien
Orthonormalbasen
von
.
Dann ist
eine Orthonormalbasis von
.
Diese Vereinigung ist disjunkt, da die eingebetteten Unterhilberträume paarweise
orthogonal sind und ein Basiselement nie null ist. Somit ist die Hilbertraumdimension
der orthogonalen Summe gleich der Summe
der Dimensionen der einzelnen Hilberträume:
.
Insbesondere gilt
oder allgemeiner
für Kardinalzahlen
.
Kategorielle Eigenschaften
Im algebraischen Fall der orthogonalen Summe von Skalarprodukträumen bzw. Sesquilinearformen auf Moduln ist die orthogonale Summe der Räume ja nichts anderes als die direkte Summe, die einzelnen Skalarprodukte haben keinerlei Einfluss auf die Struktur dieses Raumes. Diese ist Koprodukt in der entsprechenden Kategorie von Moduln mit linearen Abbildungen. Die endliche direkte Summe ist zusätzlich ein (direktes) Produkt, während sie sich im unendlichen Fall im Allgemeinen von diesem unterscheidet.
Die orthogonale Summe endlich vieler Hilberträume ist analog dazu ein Biprodukt
in der Kategorie
der Hilberträume mit stetigen
linearen
Operatoren als Morphismen,
d.h. sie ist sowohl (direktes) Produkt als auch Koprodukt (direkte Summe).
Zudem ist dieses Biprodukt in dem Sinne kompatibel mit der -Struktur,
die durch die Adjungierung
gegeben ist, dass
und
.
Da zudem für die Nullmorphismen
(d.h. konkret die Nullfunktionen)
für beliebige Hilberträume
gilt, spricht man von einer Biprodukt-
-Kategorie.
Dagegen ist die orthogonale Summe einer unendlichen Familie von
Nicht-Nullräumen in dieser Kategorie weder Produkt noch Koprodukt: Um
einzusehen, dass es sich um kein Produkt handelt, betrachte für Einheitsvektoren
die Morphismen
.
Wäre
mit den Projektionen
ein Produkt, so müsste es eine stetige lineare Abbildung
geben mit
,
d.h.
hätte in jeder Komponente den Betrag
,
womit keine Quadratsummabilität mehr vorläge. Dual dazu betrachte für die
Verletzung der Koprodukteigenschaft betrachte o.B.d.A.
(für überabzählbares
wähle überzählige
als null) und die Morphismen
.
Nun müsste ein Morphismus
existieren mit
.
Ein solches
könnte jedoch allenfalls unbeschränkt und
lediglich dicht definiert sein, denn für
müsste
sein, was jedoch divergiert. Tatsächlich existieren in dieser Kategorie weder beliebige (kleine) Produkte, noch Koprodukte. Die Beispiele zeigen auch, dass viele denkbare Einschränkungen der Morphismen keine Abhilfe verschaffen – die Beispielmorphismen sind von Rang eins und damit sehr gutartig. Die Wahl linearer Kontraktionen (die im Falle der Banachräume zur Vollständigkeit der Kategorie führt und im Falle der Hilberträume unitäre Operatoren als die Isomorphismen fixiert) ist auch nicht möglich, in diesem Fall wäre die orthogonale Summe nicht einmal mehr endliches Produkt oder Koprodukt. Ein Ausweichen auf dicht definierte Operatoren ist nicht möglich, da diese nicht unter Komposition abgeschlossen sind und damit keine Kategorie bilden.
Siehe auch
- Die orthogonale Summe ist der Spezialfall der ℓp-Summe
von Banachräumen für
.
- Ebenso ist die orthogonale Summe Spezialfall des direkten Integrals von Hilberträumen mit dem Zählmaß.
- Das Hilbertraum-Tensorprodukt ist eine weitere wichtige Konstruktion auf Hilberträumen.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 09.05. 2021