Halbring (Mengensystem)
Ein (Mengen-) Halbring, auch (Mengen-) Semiring genannt, ist ein spezielles Mengensystem in der Maßtheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, welches die Grundlage für die moderne Integrationstheorie und Stochastik bildet.
Aufgrund ihrer guten Handhabbarkeit werden Halbringe beispielsweise als Definitionsbereiche von Inhalten verwendet, die dann schrittweise zu Maßen erweitert werden. Ebenso sind sie beliebte Erzeuger von σ-Algebren, insbesondere der Borelschen σ-Algebra, da nach dem Maßeindeutigkeitssatz ein Maß durch seine Werte auf einem Halbring bereits auf der erzeugten σ-Algebra eindeutig festgelegt ist.
Die Definition wurde von John von Neumann als Verallgemeinerung eines Mengenrings eingeführt. Der hier verwendete Begriff des Halbrings unterscheidet sich grundlegend von dem eines Halbrings im Sinne der Algebra, also einer speziellen algebraischen Struktur. Beide stehen nicht in engem Zusammenhang!
Definition
Sei
eine beliebige Menge. Ein Mengensystem
von Teilmengen von
heißt ein Mengenhalbring oder Halbring über
,
wenn folgende drei Eigenschaften erfüllt sind:
enthält die leere Menge:
ist durchschnittsstabil, das heißt, wenn
und
, so ist auch
- Die Differenz
zweier Mengen
aus
lässt sich als endliche Vereinigung von disjunkten Mengen aus
darstellen. Es existieren also immer paarweise disjunkte Mengen
aus
, sodass
-
-
.
-
Beispiele
Über jeder beliebigen Menge
ist
der kleinste und die Potenzmenge
der größte mögliche Mengenhalbring. Beide enthalten trivialerweise die leere
Menge. Der Halbring
ist schnittstabil, da die leere Menge mit sich selbst geschnitten wieder die
leere Menge ist. Dasselbe gilt für die Differenz der leeren Menge mit sich
selbst. Die Aussagen für
folgen aus der Tatsache, dass die Potenzmenge alle Teilmengen enthält und daher
stabil gegenüber allen Mengenoperationen ist.
Ein in der Anwendung wichtiger Halbring über den reellen Zahlen
ist das Mengensystem der endlichen, rechts halboffenen Intervalle
.
Halbringe dieser Art bilden werden häufig als Erzeuger
für die Borelsche
σ-Algebra auf
gewählt, teils mit leichten Abwandlungen (links offene, rechts geschlossene
Intervalle, nur rationale Grenzen etc.).
Halbringe dieser Art lassen sich auch auf dem
formulieren, wo sie ebenfalls als Erzeuger für die Borelsche σ-Algebra auf
dienen. Setzt man für
und
als Intervalle
und definiert
genau dann, wenn
für alle
,
so ist
ein Halbring, der aus -dimensionalen
endlichen, rechts halboffenen Intervallen (Quadern)
besteht. Ein Spezialfall hiervon sind die dyadischen
Elementarzellen. Hier liegen die Eckpunkte der Intervalle alle auf einem
Gitter.
Eigenschaften
Aus der Durchschnittsstabilität folgt induktiv,
dass auch jeder nichtleere, endliche Durchschnitt von Elementen des
Mengenhalbrings
in ihm enthalten ist, d.h., für alle
gilt:
Mengenhalbringe treten insbesondere als Erzeugendensysteme von σ-Algebren auf. Aufgrund der Durchschnittsstabilität der Halbringe folgt dabei nach dem Dynkinschen π-λ-Satz, dass die von einem Halbring erzeugte σ-Algebra gleich dem erzeugten Dynkin-System ist, es gilt also
.
Ebenso sind daher nach dem Maßeindeutigkeitssatz Maße bereits durch die Angabe ihrer Werte auf dem Halbring eindeutig bestimmt.
Operationen
Schnitte von Halbringen
Im Gegensatz zu den meisten Mengensystemen der Maßtheorie ist der Schnitt von Halbringen, also das Mengensystem
im Allgemeinen kein Halbring. Gegenbeispiel sind die Halbringe
und
.
Dann ist
kein Halbring.
Produkte von Halbringen
Definiert man für zwei Mengensysteme
und
auf
und
das Produkt dieser Mengensysteme als
,
so ist das Produkt von zwei Halbringen wieder ein Halbring. Denn sind
Halbringe und
sowie
,
so sind
und
in
enthalten. Da aber
gilt,
in
liegt und
in
,
ist
,
das Produkt ist also schnittstabil. Eine analoge Überlegung unter Verwendung
von
liefert die Differenzeigenschaft eines Halbringes für die Produkte. Beispiel
für die Stabilität von Halbringen unter Produktbildung sind die Mengensysteme
der halboffenen Intervalle im obigen Beispiel, für die
gilt.
Für viele weitere Mengensysteme der Maßtheorie wie Ringe, Algebren und
σ-Algebren gilt im Allgemeinen nicht, dass ein Produkt dieser Mengensysteme
wieder ein Mengensystem gleicher Art ist. Enthalten Mengensysteme jedoch jeweils
einen Halbring, so ist das Produkt stets mindestens ein Halbring. Typisches
Beispiel hierfür sind Ringe oder Algebren. Der als Produkt entstehende Halbring
wird dann teils als Erzeugendensystem genutzt, um wieder ein Mengensystem mit
entsprechender Struktur zu erhalten, das die kartesischen Produkte aller Mengen
in den einzelnen Mengensystemen enthaltener Mengen enthält. Beispiel hierfür
wäre die Produkt-σ-Algebra
oder das hier
definierte Produkt von Ringen .
Spur eines Halbrings
Die Spur
eine Halbrings
bezüglich einer Menge
,
also das Mengensystem
ist immer ein Halbring, unabhängig von der Wahl von .
Äquivalente Definitionen
sei ein System von Teilmengen von
.
Wenn
Mengen sind und wenn
die symmetrische
Differenz von
bezeichnet, dann sind wegen
und
sowie
folgende Aussagen äquivalent:
ist ein Mengenhalbring.
ist ein Halbverband und es gilt:
Es gibt paarweise disjunkte
mit
und es gilt:
und es existiert ein endliches Teilsystem
dessen Elemente paarweise disjunkt sind, mit
.
kann hierbei auch leer sein.
und es gilt:
und es gibt paarweise disjunkte
mit
und es gilt:
und falls
gilt, gibt es paarweise disjunkte
mit
Außerdem ergibt sich induktiv:
sind paarweise disjunkt
Halbringe im engeren Sinne
Manche Autoren nennen das oben definierte Mengensystem einen
Semiring/Halbring im weiteren Sinne (i.w.S.) und definieren noch einen
Semiring/Halbring im engeren Sinne (i.e.S.) als eine Mengensystem ,
- das die leere Menge enthält,
- das schnittstabil ist,
- in dem gilt, dass für alle
mit
ein
existiert, sodass paarweise disjunkte
aus
existieren, für die
- gilt und zusätzlich
- für alle
.
Verwandte Mengensysteme
Mengenringe
Jeder Mengenring
ist ein Mengenhalbring, jedoch ist nicht jeder Mengenhalbring ein Mengenring:
Über der Grundmenge
ist das Mengensystem
ein Halbring, aber kein Mengenring, da es nicht differenzstabil ist. Verwendet
man einen Halbring
als Erzeuger eines Ringes, so hat der erzeugte Ring die
Form
.
Semi-Algebren
Per Definition ist jeder Halbring (im engeren Sinn / im weiteren Sinn) genau
dann eine Semialgebra
(im engeren Sinn / im weiteren Sinn), wenn er die Obermenge
enthält. Beispiel für einen Halbring, der keine Semialgebra ist, wäre somit der
Halbring
auf der Grundmenge .
Weitere Mengensysteme
Da jeder Mengenring ein Halbring ist, sind Mengenalgebren, σ-Ringe, δ-Ringe und σ-Algebren immer auch Halbringe, da sie alle auch Ringe sind. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, wie das obige Beispiel zeigt.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 31.03. 2021