Inhalt (Maßtheorie)
Ein Inhalt ist in der Maßtheorie eine spezielle Mengenfunktion, die für gewisse Mengensysteme definiert wird und dazu dient, den intuitiven Volumenbegriff zu abstrahieren und zu verallgemeinern.
Definition
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Auf beliebigen Mengensystemen
Gegeben sei ein Mengensystem ,
das die leere Menge enthält. Dann heißt eine Mengenfunktion
ein Inhalt, wenn gilt:
- Die leere Menge hat den Wert null:
.
- Die Funktion ist endlich additiv. Sind also
endlich viele paarweise disjunkte Mengen aus
und
dann gilt
.
Bei dem Mengensystem handelt es sich meist um einen Mengenhalbring.
Bemerkung
Zu beachten ist, dass in der Definition nicht gefordert wird, dass endliche
Vereinigungen von disjunkten Mengen wieder im Mengensystem liegen. Es wird
lediglich gefordert, dass falls die disjunkte Vereinigung wieder im
Mengensystem liegt, die endliche Additivität gilt. So liegen beispielsweise
endliche Vereinigungen disjunkter Mengen in Halbringen im Allgemeinen nicht
wieder im Halbring. Beispiel hierfür ist der Halbring auf ,
der aus den halboffenen Intervallen der Form
besteht.
Ebenso folgt im Allgemeinen aus der Additivität, also aus der Eigenschaft
für disjunkte Mengen
mit
nicht die endliche Additivität. Dies beruht darauf, dass aus
in allgemeinen Mengensystemen nicht
folgt für disjunktes
.
Der (rückwärts)induktive Schluss von der Additivität zur endlichen Additivität
gilt somit nur in vereinigungsstabilen
Mengensysteme.
Auf vereinigungsstabilen Mengensystemen
Aufgrund der obigen Überlegungen erhält man in vereinigungsstabilen
Mengensystemen folgende vereinfachte Definition: Ist
ein vereinigungsstabiles
Mengensystem, dass die leere Mengen enthält, so heißt eine Mengenfunktion
ein Inhalt, wenn gilt:
- Die leere Menge hat den Wert null:
.
- Die Funktion ist additiv, das heißt für je zwei disjunkte Mengen
gilt
.
Dabei handelt es sich bei den vereinigungsstabilen Mengensystem meist um einen Mengenring.
Beispiele
Der wichtigste Inhalt ist der sogenannte Lebesgue'sche Inhalt
.
auf dem Halbring der halboffenen Intervalle
auf den reellen Zahlen. Aus ihm wird durch Erweiterung und diverse
Fortsetzungssätze schließlich das Lebesgue-Integral
konstruiert. Tatsächlich ist dieser Inhalt bereits ein Prämaß.
Ein weiterer wichtiger Inhalt ist der Stieltjes’sche Inhalt, aus dem sich das Lebesgue-Stieltjes-Maß und das Lebesgue-Stieltjes-Integral ableitet:
,
wobei
eine monoton
wachsende reellwertige
Funktion ist. Durch ihn lassen sich alle endlichen Inhalte auf den reellen
Zahlen beschreiben.
Ein weiterer Inhalt ist das Jordan-Maß. Entgegen dem Namen handelt es sich nicht um ein Maß im Sinne der Maßtheorie.
Eigenschaften
Je nachdem, auf welchem Mengensystem Inhalte definiert werden, treffen gewisse Eigenschaften zu.
Im Halbring
Falls
ein Halbring
ist, dann gilt:
- Jeder Inhalt
ist monoton, es gilt folglich:
für
.
- Jeder Inhalt
ist subadditiv, es gilt also:
für
aus
mit
.
Im Ring
Wählt man als Mengensystem einen Ring, gelten (da jeder Ring ein Halbring ist) zusätzlich zu den Eigenschaften im Halbring die folgenden Aussagen:
- Subtraktivität: für
mit
gilt
.
.
- Subadditivität:
.
-Superadditivität: Seien
paarweise disjunkt mit
. Dann folgt aus der Additivität und Monotonie
.
- Falls
endlich ist, also für alle
gilt, dann gilt die Siebformel von Poincaré und Sylvester:
-
- mit
für
.
Abgeleitete Begriffe
Ein Inhalt heißt endlich, wenn
für alle
gilt. Ein Inhalt heißt σ-endlich,
wenn es eine Zerlegung
von
in
gibt, so dass
für alle
gilt.
Fortsetzung von Inhalten
Man kann zu jedem Inhalt
auf dem Halbring
einen Inhalt
auf dem von
erzeugten Ring
konstruieren. Aufgrund der Eigenschaften eines Halbringes gibt es für alle
paarweise disjunkte Mengen
mit
.
Indem man
durch
definiert, erhält man eine eindeutig bestimmte Fortsetzung .
Die Fortsetzung
ist genau dann
-endlich,
wenn
-endlich
ist.
Verwandte Konzepte
Wahrscheinlichkeitsinhalt
Ein Inhalt
wird ein Wahrscheinlichkeitsinhalt genannt, wenn die Grundmenge
im Mengensystem
enthalten ist und
gilt.
Signierter Inhalt
Ein signierter Inhalt ist eine Mengenfunktion
auf einem Mengensystem
,
das abgeschlossen bezüglich endlichen Vereinigungen ist und die leere Menge
enthält, für die gilt
- Die Bildmenge der Mengenfunktion ist
oder
.
- Es gilt endliche Additivität, also
für disjunkte
.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 14.11. 2020