Lichtstärke (Fotografie)
Die fotografische Lichtstärke ist ein Maß für das Vermögen eines Objektivs, für eine optische Abbildung Licht zu sammeln. Sie kann als Zahlenwert durch das maximale Öffnungsverhältnis angegeben werden. Bei vielen abbildenden optischen Geräten, wie zum Beispiel auch bei Teleskopen, kann das Öffnungsverhältnis aus dem Durchmesser der Eintrittspupille (der Apertur) gebildet werden, wobei sich das maximale Öffnungsverhältnis bei vorgegebener Brennweite durch den maximal einstellbaren Durchmesser der Eintrittspupille ergibt:
Dieses Verhältnis aus zwei Längen ist dimensionslos und wird oft in der im Zähler auf eins normierten Form angegeben:
Der Kehrwert der Lichtstärke ist die in der Fotografie gebräuchliche, ebenfalls dimensionslose Blendenzahl:
Bei vielen Objektiven lässt sich die Apertur durch eine verstellbare Blende respektive durch die Einstellung der Blendenzahl variieren (auf- und abblenden):
Das Öffnungsverhältnis ist eine der fundamentalen Eigenschaften eines optischen Aufbaus und bestimmt die Beleuchtungsstärke in der Bildebene. Die Blendenzahl gibt den absoluten Durchmesser der Beugungsscheibchen in der Bildebene an. Bei vielen optischen Geräten werden an Stelle des Öffnungsverhältnisses die Brennweite und die minimale Blendenzahl in der Form
angegeben, wie zum Beispiel bei einem Objektiv mit einer Brennweite von 50 Millimetern und einer minimal einstellbaren Blendenzahl von 1,8:
Das Öffnungsverhältnis eines Objektivs, dessen Apertur unzugänglich im Inneren liegt, lässt sich aus dem bildseitigen Öffnungswinkel bestimmen. Für große Entfernungen (Gegenstandsweiten) gilt:
Beispiele
Das Objektiv des Hubble-Weltraumteleskops hat mit und eine Lichtstärke von .
Eine Angabe „50 mm 1:1,8“ oder „50 mm f:1,8“ auf dem Normalobjektiv einer Vollformatkamera bedeutet: Brennweite , Lichtstärke 1:1,8, minimale Blendenzahl 1,8 und demzufolge eine maximale Apertur .
Typische und maximale Blende (Lichtstärke)
Typische Amateurteleskope haben ein Öffnungsverhältnis zwischen und , typische Kameraobjektive Lichtstärken zwischen und und maximale Blendenzahlen von 16 bis 64.
Die kleinste technisch mögliche Blendenzahl eines korrigierten Objektivs ergibt sich aus der Abbeschen Sinusbedingung zu 0,5. Durch den Öffnungsfehler (oder sphärische Aberration) der optischen Abbildung, der nicht vollständig korrigiert werden kann, sind die tatsächlich sinnvoll erreichbaren Blendenzahlen jedoch höher.
Normalobjektive (50 mm im Kleinbildformat) bewegen sich in der Regel bei Lichtstärken von 1:1,2 bis 1:2,8. In einigen Fällen können sie jedoch auch Lichtstärken bis 1:1,0 und mehr erreichen. Das lichtstärkste fotografische Objektiv wurde bei Zeiss entwickelt: Mit dem Planar 1:0,7/50 mm konnten Filmaufnahmen von bewegten Szenen bei Kerzenlicht gedreht werden, so etwa im Film Barry Lyndon von Stanley Kubrick. Das lichtstärkste asphärische Objektiv der Welt ist das Leica Noctilux-M 1:0,95/50 mm ASPH. Die asphärische Linse wirkt den Nachteilen des Öffnungsfehlers entgegen und liefert so deutlich schärfere und bessere Bildergebnisse.
Variable Blende (Lichtstärke)
Das größte Öffnungsverhältnis kann bei Zoomobjektiven von der eingestellten Brennweite abhängig sein. Zum Beispiel bedeutet die Bezeichnung 70–300 mm ƒ/4,0–5,6, dass bei der kurzen Brennweite von 70 Millimetern die größte Apertur bei der Blendenzahl 4,0 und bei der langen Brennweite von 300 Millimetern die größte Apertur bei der Blendenzahl 5,6 liegt.
Durch zusätzliche optische Elemente, wie zum Beispiel Telekompressoren kann die Lichtstärke eines Objektivs bei gleichzeitig verringerter Brennweite erhöht werden. Dies führt im Allgemeinen zu Vignettierung bzw. einer Verkleinerung des nutzbaren Bildkreises. Umgekehrt wird die Lichtstärke von Objektiven durch die Verwendung von Telekonvertern verringert, während die Brennweite sich verlängert.
Besondere Objektive
Das technisch unbrauchbare Super-Q-Gigantar ƒ/0,33/40 mm wurde 1960 von Zeiss für die Öffentlichkeitsarbeit gebaut und wurde nie als Objektiv eingesetzt.
Das ebenfalls von Zeiss 1966 gefertigte Planar ƒ/0,7/50 mm gilt als das lichtstärkste Objektiv der Welt.
Bedeutung in der Fotografie
Belichtung
Die auf die Objekthelligkeit bezogene Beleuchtungsstärke des Bilds (Bildhelligkeit) steigt quadratisch mit dem Öffnungsverhältnis, bzw. nimmt quadratisch mit der Blendenzahl ab. Für eine fotografische Aufnahme bei doppelter Blendenzahl ist somit die vierfache Belichtungszeit notwendig, um den gleichen Lichtwert zu erzielen. Die Skalenwerte einer Blendenreihe haben typischerweise Abstände von einem Faktor Wurzel 2: 1,4 – 2,0 – 2,8 usw., so dass sich die erforderliche Belichtungszeit pro Schritt um einen Faktor zwei verändert.
Optimale Blende
Förderliche Blende
Schärfentiefe
Die Wahl der Blendenzahl beeinflusst die Schärfentiefe. Mit größerer Blendenzahl werden die Unschärfekreise durch den spitzeren Lichtkegel kleiner. Folglich vergrößert sich die Tiefe des Bereich des Motivs, der noch als scharf aufgenommen wird, bis der zulässige Grenzwert (Zerstreuungskreisdurchmesser, hier 0,1 mm) erreicht wird. Der Bereich der scharfen Abbildung (Schärfentiefe) nimmt beim Schließen der Blende also zu. Daraus folgt:
- Je größer die Blendenzahl ist, desto weiter ist die Schärfentiefe (denn desto kleiner ist die Blendenöffnung).
- Je kleiner die Blendenzahl ist, desto enger ist die Schärfentiefe (denn desto größer ist die Blendenöffnung).
Daraus ergibt sich auch die Hyperfokale Entfernung (oder Hyperfokale Distanz). Fokussiert man auf diese Entfernung so wird die Abbildung bis ins unendliche (akzeptabel) scharf. Diese Entfernung bietet somit die größte Schärfentiefe.
Im Sprachgebrauch der Fotografie wird der Begriff Blende oft auch als Kurzform für Blendenöffnung benutzt, und beispielsweise anstatt von großer Blendenöffnung von großer Blende gesprochen. Dieser Sprachgebrauch ist üblich, kann aber zu Missverständnissen führen, da eine große Öffnung einer kleinen Blendenzahl (und umgekehrt) entspricht.
Bei einigen einäugigen Spiegelreflexkameras kann der Fotograf mit Hilfe der Abblendtaste die Schärfentiefe kontrollieren. Die Kamera aktiviert dann die Arbeitsblende.
Schärfe
Das Auflösungsvermögen eines Objektivs steigt mit der Apertur an. Bei gleicher Brennweite erzeugt also ein Objektiv mit einem größeren Öffnungsverhältnis im Allgemeinen ein schärferes Bild eines ebenen Gegenstands. Dem wirkt entgegen, dass die Korrektur von Abbildungsfehlern des Objektives mit zunehmender Apertur weniger gut wirkt. Außerdem ist es aufgrund des stumpferen Winkels des Strahlenbündels praktisch schwieriger den Fokuspunkt exakt einzustellen.
Filmkorn/Pixelgröße
Praktische Vor- und Nachteile
- Manuelle Scharfstellung: Die hohe Lichtstärke kommt bei Spiegelreflexkameras der Helligkeit des Sucherbildes zugute und erleichtert das Scharfstellen. Zudem geht die größere Blendenöffnung mit einer geringeren Schärfentiefe einher, wodurch die Lage der Schärfeebene im Sucher besser beurteilt werden kann. Einstellhilfen für das manuelle Scharfstellen, wie zum Beispiel Schnittbildindikatoren, funktionieren bei lichtschwachen Objektiven (1:5,6 oder weniger) nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr. Kameras mit elektronischem Sucher oder Live-View auf einem Bildschirm können ein elektronisch aufgehelltes Bild anzeigen, das gegebenenfalls mit Hilfe einer Softwarelupe sogar vergrößert dargestellt werden kann. Bei Kameras, bei denen die Scharfstellung ohne das Objektiv erfolgt, ist dieser Aspekt ohne Bedeutung.
- Autofokus (AF): Spiegelreflexkameras verfügen zum Teil über Autofokus-Phasenvergleichssensoren mit unterschiedlich großer Messbasis. Bei Sensoren mit größerer Messbasis kann die Kamera prinzipiell präziser fokussieren. Das setzt Objektive höherer, zum jeweiligen Sensor passenden Lichtstärke voraus.
- Bildgestaltung: Objektive mit hohen Lichtstärken erweitern den gestalterischen Spielraum. Beispielsweise ermöglichen hochlichtstarke Objektive im gemäßigten Weitwinkel- und Telebereich ein Freistellen des Motivs vor unscharfem Vorder- beziehungsweise Hintergrund. Hier gilt aber auch: Je größer das Aufnahmeformat, desto markanter das Spiel mit Schärfe und Unschärfe (wichtig bei der Wahl von Digitalkameras, mit ihren unterschiedlichen Sensorformaten; tatsächlich liegt das jedoch nicht an der Größe des Sensors, sondern an der Brennweite des Objektivs, die sich mit der Größe des Sensors ändert, um den gleichen Bildausschnitt auf unterschiedlich großen Sensorflächen abbilden zu können).
- Eine hohe Lichtstärke ermöglicht kürzere Belichtungszeiten oder die Verwendung von geringeren Filmempfindlichkeiten mit höherem Auflösungsvermögen und feinerem Korn,, bzw. bei Digitalkameras ein geringeres Rauschen durch Verwendung einer geringeren ISO-Einstellung.
- Größer, schwerer und teurer als vergleichbare Optiken geringerer Lichtstärke.
- Durch die geringe Schärfentiefe (auch DOF genannt, englisch depth-of-field) werden an den Autofokus hohe Anforderungen gestellt und leichte Fehljustierungen schneller sichtbar.
- Bei sehr lichtstarken Objektiven kann nicht mit Offenblende gearbeitet werden, wenn mit großen Film- oder Bildsensorformaten der Schärfentiefebereich für das gewünschte Motiv zu klein ist.
Geschichte und Entwicklung
Lichtstärke
Generell konnte die Lichtstärke von Objektiven deutlich gesteigert werden. Während die (sehr einfachen und bezahlbaren) Boxkameras der 1920er und 1930er Jahre eine typische größte Blende von 1:11 hatten, verfügten teurere Mittelformat-Modelle aus den 1950er Jahren bereits über 1:4,5 oder sogar 1:2,8. Kleinbildkameras hatten in den 1930er Jahren größte Blenden von 1:3,5, vor allem ab den 1950er Jahren Öffnungen bis zu 1:2,0 (Spiegelreflexkameras ab den 1960er Jahren bis zu 1:1,2).
Vergleichsweise lichtstarke Objektive gab es aber schon länger. Ein Beispiel hierfür ist das Petzvalobjektiv, das gemeinsam von Josef Maximilian Petzval und Peter Wilhelm Friedrich von Voigtländer im Jahre 1840 konstruiert wurde. Mit einer Offenblende von 1:3,6 war es im Vergleich zu Daguerres Objektiv von 1839 22-mal lichtstärker, was unter günstigen Bedingungen erstmals Porträts mit Belichtungszeiten von weniger als einer Minute ermöglichte. Das Petzvalobjektiv wurde von Voigtländer produziert und mit großem Erfolg weltweit vertrieben. Bis 1862 produzierte er 60.000 Stück.
Wesentlichen Einfluss auf die Möglichkeit, Objektive mit hoher Lichtstärke herzustellen, hat das Objektivdesign. Durch die Verwendung von Linsenkombinationen aus verschiedenartigen Gläsern wie Kron- und Flintglas, CaF2-Linsen, ED-Gläser und Integration von asphärische Linsen konnten Abbildungsfehler trotz großer numerischer Apertur klein gehalten werden.
Einen Meilenstein stellte das Cooke-Triplet dar, das 1893 von Harold Dennis Taylor entwickelt wurde. Es ermöglichte bei preisgünstigen Objektiven eine Lichtstärke von bis zu 1:3,6 (Mitte der 1930er Jahre) und nach Einführung von Lanthan-Glas bis zu 1:2,8. Es wird noch heute verwendet.
Blendenzahl
Bis um etwa 1890 gab es viele verschiedene Maßeinheiten zur Angabe der Lichtstärke eines Objektivs und der bei einer bestimmten Blendenöffnung hindurchgelassenen Lichtmenge, die oft von Hersteller zu Hersteller verschieden festgelegt wurden. U.a. besaßen Goertz, Voigtländer, Zeiss und Dallmeyer jeweils eigene Maßeinheiten. Die heute übliche Blendenzahl setzte sich im Laufe der 1890er Jahre allgemein durch, allerdings benutzte Kodak für seine Objektive noch bis in die 1920er Jahre das ältere britische Uniform System (U.S.). Dieses bezeichnete die Lichtstärke eines f:4-Objektivs als „U.S. 1“ und vervierfachte diesen Wert für jeden Faktor zwei in der Blendenzahl, sodass ein f:8-Objektiv als „U.S. 4“ gekennzeichnet war.
Literatur
- Eugene Hecht: Optik. Oldenbourg, 4. Auflage 2005, ISBN 3-486-27359-0
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.04. 2024