Erzeugungs- und Vernichtungsoperator
Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren sind der Kern einer möglichen Lösung der Schrödingergleichung des harmonischen Oszillators. Diese Operatoren können auch dazu benutzt werden, Probleme mit quantenmechanischem Drehimpuls einfacher zu lösen. Ferner finden die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren Verwendung bei der Quantisierung von Feldern (der sogenannten zweiten Quantisierung oder Besetzungszahl-Darstellung).
Es gibt eine Vielzahl alternativer Bezeichnungen wie Leiteroperatoren,
Kletteroperatoren, Aufsteige- und Absteigeoperatoren sowie
Hebe- und Senkoperatoren. Statt „Erzeugungsoperator“ wird manchmal
auch Erschaffungsoperator verwendet. Im deutschsprachigen Raum werden
darüber hinaus auch die Operatoren
und
,
die die Zustände eines Atoms ändern, als Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperatoren
bezeichnet.
Das Problem des harmonischen Oszillators in der Quantenmechanik lässt sich
mithilfe der Methode der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren behandeln, die
auch algebraische Methode genannt wird. Sie wurde hauptsächlich von Paul Dirac entwickelt. Für diesen Lösungsweg definiert man zwei Operatoren
und
,
die einem Oszillator jeweils ein Energiequant
entziehen oder hinzufügen. Deswegen werden sie Vernichtungs- und
Erzeugungsoperator genannt.
Das Zirkumflex (-Symbol)
über dem
symbolisiert, dass es sich dabei um einen Operator handelt. Damit gelten nicht
dieselben Rechenregeln wie für Skalare,
denn die Reihenfolge von Operatoren lässt sich beispielsweise im Allgemeinen
nicht vertauschen. Im Folgenden wird auf das Zirkumflex-Symbol zugunsten der
Übersichtlichkeit verzichtet, wenn nichts anderes gesagt ist. Alle lateinischen
Großbuchstaben, mit Ausnahme des E, sind Operatoren.
Definition
Man definiert den Erzeugungsoperator
und den dazu adjungierten
Vernichtungsoperator
über folgende Vertauschungsrelationen
mit dem Besetzungszahloperator (der auch Teilchenzahloperator
genannt wird)
:
Der Besetzungszahloperator
ist ein hermitescher
Operator und hat daher reelle Eigenwerte
n. Die zugehörige Eigenwertgleichung lautet, wobei
Fock-Zustände sind:
Die Besetzungszahl
ist eine nichtnegative ganze Zahl, also
.
Bei Fermionen ergibt sich hier noch
eine Einschränkung auf die Werte 0 und 1.
Durch Anwendung von
bzw.
auf den Zustand
erhält man den darüber- bzw. den darunterliegenden Zustand:
Die Konstanten
und
sind davon abhängig, ob
und
die Kommutator- oder Antikommutator-Vertauschungsrelation erfüllen.
Details
Im Folgenden werden verschiedene Eigenschaften von
abgeleitet. Die Eigenzustände
seien normiert.
- Der Besetzungszahloperator ist hermitesch, also selbstadjungiert:
- Somit hat
reelle Eigenwerte, die Besetzungszahlen
.
- Die Eigenwerte sind nicht negativ:
- Die Ungleichung folgt aus der Tatsache, dass die Norm eines Vektors nicht-negativ ist.
- Der kleinste Eigenwert ist 0
- Der Zustand
ist ein Vektor im Hilbertraum und darf nicht mit dem Nullvektor verwechselt werden, sondern wird lediglich mit der Zahl 0 nummeriert.
und
- Wegen
muss gelten:
. Wendet man also auf den niedrigsten Zustand den Absteigeoperator an, so erhält man den Nullvektor. Dies lässt sich aber nicht umkehren: Durch Anwendung von
auf den Nullvektor erhält man nicht den Grundzustand sondern wieder den Nullvektor.
- Die Eigenwerte sind ganzzahlig:
- Angenommen die Eigenwerte wären nicht ganzzahlig, so ließen sich ausgehend
von einem Eigenzustand durch mehrmalige Anwendung des Absteigeoperators
Eigenzustände finden, die negative Eigenwerte besitzen. Dies ist aber ein
Widerspruch zur Bedingung
. Bei ganzzahligen Eigenwerten erreicht man irgendwann den Grundzustand und durch nochmaliges Anwenden den Nullvektor; ab hier bricht automatisch die Leiter ab.
- Ist
Eigenwert, dann auch
- Wenn
ungleich dem Nullvektor ist, erhält man somit einen neuen Eigenwert
.
ist also Eigenzustand zu
mit Eigenwert
und somit proportional zu
:
- Ist
Eigenwert, dann auch
- Wenn
ungleich dem Nullvektor ist, erhält man somit einen neuen Eigenwert
.
ist also Eigenzustand zu
mit Eigenwert
und somit proportional zu
:
Bosonische Kletteroperatoren
Im bosonischen Fall erfüllen
und
die Kommutator-Vertauschungsrelationen:
Somit
Im bosonischen Fall können die Besetzungszahlen
beliebig groß werden:
.
Details
- Zunächst ist zu prüfen, ob die obigen Voraussetzungen erfüllt werden:
- Mit
lässt sich der nächste über
liegende Zustand konstruieren
. Der Faktor
ergibt sich aus folgender Rechnung mit dem Kommutator
:
, die Phase
kann aber vernachlässigt werden, sodass
.
- Mit
lässt sich der unter
liegende Zustand konstruieren
. Der Faktor
ergibt sich aus folgender Rechnung:
- Alle Eigenzustände lassen sich vom Grundzustand ausgehend konstruieren:
- Auf diese Weise erhält man einen vollständigen diskreten Satz von Eigenzuständen
Fermionische Kletteroperatoren
Im fermionischen Fall erfüllen
und
die Anti-Kommutator-Vertauschungsrelationen:
Somit
Im fermionischen Fall können die Besetzungszahlen
nur die Werte 0 oder 1 annehmen.
Details
- Mit
und
ist
:
- Der Besetzungszahloperator hat also nur die Eigenwerte 0 und 1 und die
Eigenzustände
und
:
- Zunächst ist zu prüfen, ob die obigen Voraussetzungen erfüllt werden:
- Mit
lässt sich der nächste über
liegende Zustand konstruieren
. Der Faktor
ergibt sich aus folgender Rechnung mit dem Anti-Kommutator
:
- Da
nur 0 oder 1 sein kann, ist
(dabei ist
das Kronecker-Delta).
- Mit
lässt sich der unter
liegende Zustand konstruieren
. Der Faktor
ergibt sich aus folgender Rechnung:
- Da
nur 0 oder 1 sein kann, ist
.
- Alle Eigenzustände lassen sich vom Grundzustand ausgehend konstruieren:
- Auf diese Weise erhält man einen vollständigen diskreten Satz von Eigenzuständen
Beispiel für bosonische Kletteroperatoren: Harmonischer Oszillator
Der Hamiltonoperator
des harmonischen Oszillators lautet
Impulsoperator,
Ortsoperator,
Masse,
Eigenfrequenz
Im Folgenden ist die stationäre Schrödingergleichung zu lösen:
Energieeigenwert,
Energieeigenzustand
Hamiltonoperator umformen
Der Hamiltonoperator lässt sich umformen:
Es werden zwei neue Operatoren definiert:
und
Der Hamiltonoperator ausgedrückt mit den neuen Operatoren:
Man versucht nun, den Inhalt der Klammer als Produkt zu schreiben, also
(
ist die imaginäre
Einheit)
Da aber u und v Operatoren sind, die nicht
vertauschen, gilt hier das letzte Gleichheitszeichen nicht. Um zwei
Operatoren miteinander zu vertauschen, ist der Kommutator
vonnöten:
Der Kommutator
kann auf den Kommutator der ursprünglichen Operatoren
und
zurückgeführt werden:
Der Hamiltonoperator sieht nun folgendermaßen aus:
Jetzt werden die beiden Leiteroperatoren definiert:
Erzeugungsoperator
Vernichtungsoperator
Häufig werden sie auch als +
und
-
geschrieben. Man beachte, dass die Leiteroperatoren nicht hermitesch sind,
da
.
Die Leiteroperatoren ausgedrückt durch Ortsoperator
und Impulsoperator
:
Umgekehrt ergibt sich für
und
:
Mit den Leiteroperatoren schreibt sich der Hamiltonoperator:
Eigenschaften der Erzeuger und Vernichter
Zu bestimmen ist noch der Kommutator aus den beiden Leiteroperatoren:
Da außerdem
gilt, handelt es sich bei den Kletteroperatoren des harmonischen Oszillators um
bosonische Kletteroperatoren. Somit gelten alle obigen Eigenschaften für
bosonische Kletteroperatoren.
Das Produkt
definiert den Besetzungszahloperator:
Lösung des Eigenwertproblems
Der Hamiltonoperator lässt sich durch den Besetzungszahloperator ausdrücken:
Das Eigenwertproblem
lässt sich auf die Eigenwertgleichung des Besetzungszahloperators
zurückführen.
Die Eigenzustände von
sind auch Eigenzustände von
,
da
.
Die Eigenwerte des Hamiltonoperators ergeben sich aus den Eigenwerten des
Besetzungszahloperators
:
und
Eine besonders wichtige Eigenschaft der Kletteroperatoren ist diese:
Ist
eine Lösung der Schrödingergleichung für die Energie
,
so ist
eine Lösung für die Energie
und
eine Lösung für die Energie
.
Das bedeutet, dass man aus einer Lösung alle Lösungen erhalten kann, indem man
einfach den Erzeugungs- oder Vernichtungsoperator auf diese Lösung anwendet.
Dadurch wird eine neue Lösung für das benachbarte Energieniveau erzeugt, das um
die Energie
verschoben ist.
Da der Besetzungszahloperator keine negativen Eigenwerte hat, können auch
keine negativen Energieeigenwerte existieren. Es gibt also für die minimale
Besetzungszahl
eine Lösung
,
die auf einem minimalen Energieniveau sitzt (Nullpunktenergie):
Im Zustand
setzt sich die Energie
zusammen aus der Nullpunktenergie
und
Energiequanten der Größe
.
Die Wirkung von
überführt das System in einen Zustand mit der um
erhöhten Energie. Dies kann man als Erzeugung eines zusätzlichen Energiequants
interpretieren, was den Namen Erzeugungsoperator verständlich macht.
Analog überführt der Operator
das System in einen um ein Energiequant reduzierten Zustand. Es wird also ein
Energiequant vernichtet, deswegen Vernichtungsoperator. Die Eigenwerte
des Operators
geben an, wie viele Energiequanten in einem Eigenzustand angeregt sind. Die
Besetzung eines Zustandes mit
Energiequanten erklärt den Namen Besetzungszahloperator.
Eigenfunktionen in Ortsdarstellung
Wendet man also auf den niedrigsten Zustand den Absteigeoperator an, so
erhält man den Nullvektor .
Dies lässt sich aber nicht umkehren: Durch Anwendung von
auf den Nullvektor erhält man nicht den Grundzustand sondern wieder den
Nullvektor
.
Dies liefert eine Gleichung für den Grundzustand:
In der Ortsdarstellung kann man obige Operatorgleichung als
Differentialgleichung darstellen und lösen:
und
liefert normiert
Durch Anwendung des Aufsteigeoperators auf die Lösung des Grundzustands erhält man alle höheren Eigenfunktionen:
In Ortsdarstellung erhält man somit:
Matrixdarstellung bosonischer Kletteroperatoren
Die Eigenzustände des
Besetzungszahloperators
bilden ein vollständiges
Orthonormalsystem. Mit Hilfe dieser Hilbertraumbasis
soll nun eine Matrixdarstellung
der Leiteroperatoren ermittelt werden. Man beachte, dass hier alle Indizes von 0
(nicht von 1) bis unendlich laufen. Die Eigenzustände lassen sich als Vektoren darstellen:
usw.
Die Vollständigkeit dieser Basis liefert eine Darstellung des Einheitsoperators:
Erzeugungsoperator
Vor und nach dem Erzeugungsoperator wird eine 1 (Einheitsoperator) eingeschoben:
Das Matrixelement berechnet sich zu
Der Erzeugungsoperator dargestellt durch die Basisvektoren
Somit ergibt sich die Matrixdarstellung des Erzeugungsoperators bzgl. der Besetzungseigenbasis (alle nicht angegebenen Elemente sind gleich 0):
Vernichtungsoperator
Durch analoge Rechnung erhält man für den Vernichtungsoperator:
Dabei wurde das Matrixelement schon eingesetzt:
Matrixdarstellung des Vernichtungsoperators bzgl. der Besetzungseigenbasis:
Man erkennt, dass die Matrix
genau die Transponierte
von
ist. Dies ist verständlich, da die beiden Operatoren zueinander adjungiert (=
transponiert + komplex konjugiert) sind.
Einfaches Beispiel
Beispiele mit orthonormal Basen
Matrixformen von
und
(gleiches gilt für die duale Darstellung)
Besetzungszahloperator
Matrixelement des Besetzungszahloperators bzgl. der Besetzungseigenbasis:
alternativ mit den Leiteroperatoren:
Matrixdarstellung des Besetzungszahloperators bzgl. der Besetzungseigenbasis:
Hamiltonoperator des harmonischen Oszillators
Matrixelement des Hamiltonoperators für den harmonischen Oszillator bzgl. der Besetzungseigenbasis bzw. der Energieeigenbasis:
Matrixdarstellung des Hamiltonoperators für den harmonischen Oszillator bzgl. der Besetzungseigenbasis bzw. der Energieeigenbasis:
Da die Operatoren
und
hermitesch
sind, folgt dass die zugehörigen Matrizen bzgl. der Eigenbasen symmetrisch
sind.
Eigenzustände bosonischer Kletteroperatoren („kohärente Zustände“)
Die Eigenzustände des Vernichtungsoperators sind die kohärenten
Zustände .
Der Vernichtungsoperator
(zur Verdeutlichung sind die
-Symbole
für die Operatoren hier explizit wieder eingeführt) erfüllt folgende
Eigenwertgleichung:
Für den Erzeugungsoperator ergibt sich daraus, mit einem Linkseigenzustand (Bra-Eigenzustand):
Der Vernichtungsoperator
kann also - im Gegensatz zum Erzeugungsoperator
- Rechtseigenzustände (Ket-Eigenzustände)
besitzen. Der Erzeugungsoperator erhöht die minimale Teilchenzahl eines
Zustandes im Fockraum um eins; der damit
entstandene Zustand kann also nicht der ursprüngliche sein. Dagegen verringert
der Vernichtungsoperator die maximale Teilchenzahl um eins; da ein Zustand im
Fockraum aber Komponenten aller Teilchenzahlen (auch beliebig hoher
Teilchenzahlen) beinhalten kann, ist damit nicht verboten, dass
Eigenzustände besitzt. Dies sind die kohärenten Zustände:
Der „kohärente Zustand“
ergibt sich als bestimmte Linearkombination
aller Zustände fester Teilchenzahl
und zwar nach der Formel:
Dieser Zustand ist also Eigenzustand des Vernichtungsoperators, und zwar zum
Eigenwert
während der zugehörige Erzeugungsoperator nur Links-Eigenzustände besitzt. Dabei
ist
eine nichtverschwindende komplexe
Zahl, die den kohärenten Zustand vollständig definiert und auch explizit von
der Zeit abhängen darf.
ist der Erwartungswert der Besetzungszahl des kohärenten Zustandes.
Kohärente Zustände haben (wie der Grundzustand des Harmonischen Oszillators) minimale Unschärfe und bleiben bei Zeitentwicklung kohärent. Mit ihnen lässt sich die – im Allgemeinen explizit zeitabhängige – elektromagnetische Welle einer Laser-Mode am besten beschreiben (sog. Glauber-Zustände).
Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren in Quantenfeldtheorien
In Quantenfeldtheorie
und Vielteilchenphysik
verwendet man Ausdrücke der Form
wobei die
komplexe Zahlen sind, während die
Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperatoren darstellen: Diese erhöhen bzw.
vermindern die Eigenwerte des Anzahloperators
um 1, analog zum harmonischen Oszillator. Die Indizes
berücksichtigen die Freiheitsgrade der Raumzeit und haben i.a. mehrere
Komponenten. Wenn die Erzeuger und Vernichter von einer kontinuierlichen
Variable abhängen, statt von diskreten Quantenzahlen, schreibt man sie auch als
Feldoperatoren
,
.
Die Anzahloperatoren
sind selbstadjungiert („hermitesch“)
und nehmen alle nicht-negativen ganzzahligen Werte an:
Die nichttrivialen Vertauschungsrelationen sind schließlich, wie beim
harmonischen Oszillator:
wobei [.,.] die sog. Kommutatorklammer
darstellt, während
das Kroneckersymbol
ist.
Das oben gesagte gilt für Bosonen,
wogegen man für Fermionen den Kommutator durch
den Antikommutator ersetzen muss,
Als Konsequenz gilt im fermionischen Fall, dass die Anzahloperatoren
nur die Eigenwerte 0 und 1 haben.
Bezug zu Diagrammtechniken
Konkrete Rechnungen unter Verwendung der Erzeugungs- bzw.
Vernichtungsoperatoren kann man in der Regel durch Diagrammtechniken
unterstützen (→ Feynman-Diagramme).
So kann man z.B. Dreiteilchen-Wechselwirkungen der Form
durch drei Linien veranschaulichen, von denen die ersten zwei in einen Vertex
einlaufen und dort „vernichtet“ werden, während eine dritte Linie an diesem
Vertex „erzeugt“ wird und von ihm ausläuft. Dabei sind in den zugehörigen Regeln
Energie- und Impulssatz explizit zu berücksichtigen.
Der angegebene Term, der einen sog. „Konfluenzprozess“ beschreibt, hat bei
tiefen Temperaturen i.A. geringere Wahrscheinlichkeit,
als der inverse sog. „Splitting-Prozess“, der zum adjungierten Term,
gehört. Denn zu jedem Erzeugungsoperator
korrespondiert, analog zum harmonischen Oszillator, die Übergangsrate
,
während beim zugehörigen Vernichtungsoperator der Term
fehlt. Auf diese Weise sind bei tiefen Temperaturen die letztgenannten Terme in
der Regel wichtiger als die erstgenannten.
Siehe auch

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.09. 2021