Homologietheorie
Eine Homologie (altgriechisch ὁμός homos, „ähnlich, gleich“, und λόγος logos, hier: „Verhältnis, Analogie, Proportion“) ist ein mathematisches Objekt. Sie ist eine Folge von mathematischen Objekten, den Homologiegruppen. Zu den wichtigsten Ausprägungen einer Homologie zählt die singuläre Homologie. Homologien wurden im Bereich der algebraischen Topologie entwickelt. Später wurden sie auch als rein algebraische Objekte betrachtet, woraus sich das Teilgebiet der homologischen Algebra entwickelte. Die ursprüngliche Motivation dafür, Homologiegruppen zu definieren, war die Beobachtung, dass sich Formen durch ihre Löcher unterscheiden lassen (beispielsweise in der Klassifikation der Flächen). Da Löcher aber „nicht da“ sind, ist es nicht offensichtlich, wie man Löcher mathematisch definieren kann. Die Homologie ist ein mathematischer Ansatz, die Existenz von Löchern zu formalisieren. Gewisse „sehr feine“ Löcher sind für die Homologie unsichtbar; hier kann u.U. auf die schwerer zu bestimmenden Homotopiegruppen zurückgegriffen werden.
Im Bereich der algebraischen Topologie sind die Homologien beziehungsweise die Homologiegruppen Invarianten eines topologischen Raums, sie helfen also dabei, topologische Räume zu unterscheiden.
Konstruktion von Homologiegruppen
Man geht im Allgemeinen wie folgt vor: Einem mathematischen Objekt
wird zunächst ein Kettenkomplex
zugeordnet, der Information über
enthält. Ein Kettenkomplex ist eine Folge von Moduln
über einem festen Ring,
verbunden durch Homomorphismen
,
so dass die Hintereinanderausführung je zweier dieser Abbildungen die Nullabbildung ist:
für jedes
.
Dies bedeutet, dass das Bild
der
-ten
Abbildung stets im Kern
der
-ten
Abbildung enthalten ist. Man definiert nun die
-te
Homologiegruppe von
als den Quotientenmodul
Ein Kettenkomplex heißt exakt, wenn das Bild der -ten
Abbildung stets der Kern der
-ten
Abbildung ist; die Homologiegruppen von
messen also, „wie unexakt“ der
zugeordnete Kettenkomplex ist.
Beispiele
Das erste Beispiel stammt aus der algebraischen
Topologie: die simpliziale
Homologie eines simplizialen
Komplex .
Hier ist
der freie Modul über den
n-dimensionalen orientierten Simplizes von
.
Die Abbildungen
heißen Randabbildungen und bilden das Simplex mit den Ecken
auf die alternierende Summe der „Randflächen“
ab.
Für Moduln über einem Körper
(d.h. Vektorräume) beschreibt die Dimension
der n-ten Homologiegruppe von
die Anzahl der n-dimensionalen Löcher von
.
Mit diesem Beispiel kann man eine simpliziale Homologie für jeden topologischen Raum
definieren. Der Kettenkomplex für
wird so definiert, dass
der freie Modul über allen stetigen
Abbildungen vom n-dimensionalen Einheitssimplex nach
ist. Die Homomorphismen
ergeben sich aus den simplizialen Randabbildungen.
In der homologischen
Algebra benutzt man Homologie, um abgeleitete
Funktoren zu definieren. Man betrachtet dort einen additiven Funktor
und einen Modul
.
Der Kettenkomplex für
wird wie folgt konstruiert:
sei ein freier Modul und
ein Epimorphismus,
sei ein freier Modul, der die Eigenschaft besitzen soll, dass ein Epimorphismus
existiert,
Man erhält also eine Sequenz freier Moduln
und Homomorphismen
und durch Anwendung von
einen Kettenkomplex. Die n-te Homologie
dieses Komplexes hängt, wie man zeigen kann, nur von
und
ab. Man schreibt
und nennt
den n-ten abgeleiteten Funktor von
.
Homologiefunktoren
Die Kettenkomplexe bilden eine Kategorie:
Ein Morphismus – man sagt: eine Kettenabbildung – vom Kettenkomplex
in den Kettenkomplex
ist eine Folge von Modulhomomorphismen
,
so dass
für jedes n. Die n-te Homologiegruppe
kann man als Funktor von der Kategorie der Kettenkomplexe in die Kategorie der
Moduln über dem zugrunde liegenden Ring
auffassen.
Wenn der Kettenkomplex von
funktoriell abhängt (d.h. jeder Morphismus
induziert eine Kettenabbildung vom Kettenkomplex von
in den von
),
dann sind die
Funktoren von der Kategorie, zu der
gehört, in die Kategorie der Moduln.
Ein Unterschied zwischen Homologie und Kohomologie
liegt darin, dass die Kettenkomplexe in der Kohomologie kontravariant von
abhängen und daher die Homologiegruppen (die dann Kohomologiegruppen
genannt werden und in diesem Kontext mit
bezeichnet werden) kontravariante
Funktoren sind. Des Weiteren hat man meist auf der graduierten Kohomologiegruppe
eine kanonische Ringstruktur, etwas Vergleichbares gibt es auf dem Niveau der
Homologie nicht.
Eigenschaften
Ist
ein Kettenkomplex, so dass alle (bis auf endlich viele)
null sind und alle anderen endlich erzeugte freie Moduln sind, dann kann man die
Euler-Charakteristik
definieren. Man kann zeigen, dass die Euler-Charakteristik auch bezüglich der Homologie ausgedrückt werden kann:
In der algebraischen Topologie liefert das zwei Wege, die Invariante
für das Objekt
,
aus dem der Kettenkomplex erzeugt wurde, auszurechnen.
Jede kurze exakte Sequenz
von Kettenkomplexen liefert eine lange exakte Sequenz der Homologiegruppen
Alle Abbildungen dieser exakten Sequenz sind durch die Abbildungen zwischen
den Kettenkomplexen induziert, außer den Abbildungen ,
die verbindende Homomorphismen genannt werden und deren Existenz mit dem
Schlangenlemma bewiesen
wird.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 12.02. 2025