Funktor (Mathematik)
Funktoren sind ein zentrales Grundkonzept des mathematischen Teilgebiets der Kategorientheorie. Ein Funktor ist eine strukturerhaltende Abbildung zwischen zwei Kategorien. Konkrete Funktoren haben in vielen Teilgebieten der Mathematik eine besondere Bedeutung. Funktoren werden auch Diagramme genannt (mitunter nur in bestimmten Kontexten), da sie eine formale Abstraktion kommutativer Diagramme darstellen.
Definition
Seien
Kategorien. Eine Zuordnung
heißt genau dann (kovarianter) Funktor, wenn
- Objekte auf Objekte abgebildet werden:
- es für je zwei Objekte
und
von
Abbildungen
gibt
- für alle Morphismen
, für die
definiert ist,
gilt und
- (sofern man diese von den Objekten unterscheidet) der zu einem Objekt zugehörige Identitätsmorphismus auf den zum Bild zugehörigen Identitätsmorphismus abgebildet wird.
Daraus folgt, dass für
auch
ist.
Ein kovarianten Funktor auf der dualen Kategorie, ,
wird als kontravarianter Funktor (oder Kofunktor)
bezeichnet und kann als Abbildung von
nach
angesehen werden, indem man die Morphismen in
und
miteinander identifiziert. Konkret ist eine Abbildung
genau dann ein kontravarianter Funktor, wenn
- für alle Morphismen
, für die
definiert ist, auch
definiert ist und
- Objekte auf Objekte abgebildet werden und
- Identitätsmorphismen wie zuvor auf die passenden Identitätsmorphismen abgebildet werden.
Beispiele
- Der identische Funktor
, der jedem Morphismus sich selbst zuordnet, ist ein kovarianter Funktor.
- Häufig anzutreffen sind Vergissfunktoren: Beispielsweise sind in der Kategorie der Gruppen die Objekte Gruppen, also mit einer Verknüpfung versehene Mengen, und die Morphismen Gruppenhomomorphismen, also bestimmte Abbildungen zwischen diesen Mengen. Die Verkettung von Morphismen ist dabei nichts anderes als die Verkettung von Abbildungen. Der Vergissfunktor ist nun ein Funktor in die Kategorie der Mengen, er „vergisst“ die Zusatzstruktur und weist jeder Gruppe die zugrundeliegende Menge und jedem Gruppenhomomorphismus die entsprechende Abbildung auf dieser Menge zu. Entsprechende Vergissfunktoren gibt es für alle Kategorien algebraischer Strukturen oder auch für Kategorien topologischer Räume mit stetigen Abbildungen etc.
- Die duale Kategorie einer Kategorie besteht aus denselben Morphismen,
wobei jedoch die Verkettung umgekehrt definiert ist. Der
Dualitätsfunktor
, der jedem Morphismus sich selbst zuordnet, ist also ein kontravarianter Funktor.
- Auf der Kategorie der Mengen definiert man den Potenzmengenfunktor,
der jeder Menge ihre Potenzmenge zuordnet und jeder Abbildung
die Urbildbildung
zuordnet. Der Potenzmengenfunktor ist kontravariant. Ähnliche Funktoren tauchen auch in anderen Kategorien auf, bei denen man nur bestimmte Abbildungen als Morphismen zulässt und statt der Potenzmenge und Abbildungen zwischen ihnen bestimmte Verbände und Homomorphismen zwischen ihnen betrachtet, siehe etwa Darstellungssatz für Boolesche Algebren.
Elementare Eigenschaften
- Die Verkettung zweier kovarianter Funktoren ist wieder ein kovarianter Funktor.
- Die Verkettung zweier kontravarianter Funktoren ist ein kovarianter Funktor.
- Die Verkettung eines kovarianten mit einem kontravarianten Funktor ist ein kontravarianter Funktor.
- Das Bild eines Isomorphismus unter einem Funktor ist wiederum ein Isomorphismus.
- Das Bild einer Retraktion bzw. einer Koretraktion unter einem kovarianten Funktor ist wiederum eine Retraktion bzw. eine Koretraktion.
- Das Bild eines Epimorphismus bzw. eines Monomorphismus unter einem kovarianten Funktor ist im Allgemeinen kein Epimorphismus bzw. Monomorphismus, da die Kürzbarkeit durch eine Nichtsurjektivität des Funktors nicht erhalten bleiben muss.
- Das Bild eines Funktors ist im Allgemeinen keine Unterkategorie der
Zielkategorie, denn es können verschiedene Objekte auf dasselbe Objekt
abgebildet werden, wodurch Verkettungen von Morphismen des Bildes des Funktors
nicht mehr im Bild liegen müssen. Betrachte etwa eine Kategorie
mit den Objekten
und Morphismen
,
und eine Kategorie
mit den Objekten
und Morphismen
,
,
.
sei ein Funktor mit
,
,
,
,
. Dann liegen
und
im Bild von
, nicht aber
.
Multifunktoren
Sei eine Familie
von Kategorien
bezüglich einer (kleinen) Menge
gegeben. Ein kovarianter Funktor
von der Produktkategorie
in eine Kategorie
heißt nun kovarianter Multifunktor. Nun betrachtet man auch
Multifunktoren, die in manchen Komponenten ko- und in manchen kontravariant
sind.
heißt genau dann Multifunktor der Varianz
(die
zeige Kovarianz, die
Kontravarianz an), wenn er aufgefasst als Abbildung von
nach
ein kovarianter Multifunktor ist. Ein Multifunktor auf dem Produkt zweier
Kategorien heißt Bifunktor. Schränkt man den Definitionsbereich eines
Multifunktors in einzelnen Komponenten auf ein einzelnes Objekt ein, so erhält
man einen partiellen Funktor, ebenfalls ein Multifunktor, der in den
übrigen Komponenten seine Varianz behält.
Bemerkung
Die Varianz eines Funktors ist im Allgemeinen nicht eindeutig. Trivialbeispiel: Auf der Kategorie, die nur aus einem einzigen Objekt mit seinem Identitätsmorphismus besteht, ist der Identitätsfunktor ko- und kontravariant. Dies gilt auch allgemeiner in Kategorien, deren Morphismen alle Automorphismen sind, sodass die Automorphismengruppen abelsch sind. Beispiel für Mehrdeutigkeit bei Multifunktoren ist eine kanonische Projektion von einer Produktkategorie in eine Komponente, dieser Funktor ist in allen anderen Komponenten sowohl ko- als auch kontravariant.
Beispiele
- Ein überall in der Kategorientheorie besonders wichtiger Funktor ist der
Hom-Funktor
, der für jede lokal kleine Kategorie
auf dem Produkt
als Bifunktor der Varianz
in die Kategorie der Mengen definiert ist: Für zwei Objekte
in der Kategorie
sei zunächst
als die Menge aller Morphismen von
nach
definiert. Für zwei Morphismen
in
sei
-
- definiert. Für jedes Objekt
sind die partiellen Hom-Funktoren
bzw.
ko- bzw. kontravariante Funktoren.
- Das Kronecker-Produkt
ist ein Bifunktor der Varianz
in der Kategorie der Matrizen (dies gilt auch allgemeiner für Tensorprodukte).
- In der homologischen Algebra spielen der Ext-Funktor und der Tor-Funktor eine besondere Rolle.
Eigenschaften von Funktoren
Wie bei den meisten mathematischen Strukturen üblich, liegt es nahe, injektive,
surjektive
und bijektive
Funktoren zu betrachten. Die Umkehrfunktion eines bijektiven Funktors ist wie
bei allen algebraischen
Strukturen wiederum ein Funktor, man spricht daher in diesem Fall von einem
Isomorphismus zwischen
Kategorien. Dieser Isomorphismenbegriff ist jedoch für die Kategorientheorie in
einem gewissen Sinne unnatürlich: Für die Struktur einer Kategorie spielt es
nämlich im Wesentlichen keine Rolle, ob zu einem Objekt weitere isomorphe
Objekte vorhanden sind. Die Morphismen von zwei isomorphen Objekten zu einem
beliebigen Objekt entsprechen einander vollkommen, und umgekehrt. Für einen
Isomorphismus im obigen Sinne ergibt es jedoch einen Unterschied, wie viele
(angenommen, man bewegt sich in einer kleinen Kategorie,
sodass man von Anzahlen
sprechen kann) isomorphe Objekte jeweils vorhanden sind, eine Eigenschaft, die
für kategorientheoretische Betrachtungen im Allgemeinen keine Rolle spielt.
Solche Anzahlen können etwa von völlig belanglosen Details in der Konstruktion
einer Kategorie abhängen – definiert man differenzierbare
Mannigfaltigkeiten als Teilmengen der
(in dem Fall gibt es eine Menge aller Mannigfaltigkeiten) oder als beliebige
Mengen mit einer differenzierbaren Struktur (diese bilden eine echte
Klasse)? Sind je zwei nulldimensionale Vektorräume
gleich (entsprechend der Sprechweise der Nullvektorraum)
oder nur isomorph? etc. Daher definiert man gewisse Eigenschaften von Funktoren,
die „unempfindlich“ unter Hinzufügen oder Entfernen von isomorphen Objekten
sind:
Ein Funktor
heißt treu,
wenn keine zwei verschiedenen Morphismen zwischen denselben Objekten auf
denselben Morphismus abgebildet werden, d.h., er ist injektiv auf jeder
Klasse
von Morphismen zwischen
und
.
Analog dazu heißt er voll, wenn er auf jeder Klasse
surjektiv ist. Ein volltreuer Funktor ist ein Funktor, der voll und treu
ist. Ein wesentlich
surjektiver Funktor ist nun ein Funktor, sodass für jedes Objekt in
ein isomorphes Objekt existiert, das im Bild von
liegt. Eine Äquivalenz
ist nun ein Funktor, der volltreu und wesentlich surjektiv ist. Dies stellt in
gewisser Hinsicht einen natürlicheren Isomorphiebegriff für Kategorien dar. Eine
Äquivalenz besitzt zwar keine inverse Funktion im
wörtlichen Sinne, wohl aber etwas Ähnliches in Form einer Äquivalenz von >
nach
,
sodass bei Verkettung der beiden Äquivalenzen Objekte auf isomorphe Objekte
abgebildet werden. Betrachtet man statt Kategorien nur Skelette
von Kategorien, so stimmt der Begriff der Äquivalenz mit dem der Isomorphie
überein.
Natürliche Transformationen
Funktoren können nicht nur als Morphismen in Kategorien von Kategorien aufgefasst werden, sondern können auch als Objekte von Kategorien aufgefasst werden. Als Morphismen zwischen Funktoren betrachtet man dabei meist natürliche Transformationen.
Diagramme und Limites
Viele Begriffe werden in der Mathematik über kommutative
Diagramme definiert. Beispielsweise lässt sich das Inverse
eines Morphismus
in einer Kategorie
so definieren, dass das folgende Diagramm kommutiert:
Dies lässt sich so formalisieren, dass ein Funktor von einer Kategorie mit
zwei Objekten und zwei nicht-identischen Morphismen zwischen ihnen (entsprechend
der Form des Diagramms) in die Kategorie
existiert, sodass das Bild des einen nicht-identischen Morphismus
und das des anderen
ist. Dieser Funktor wird dann auch Diagramm genannt. Als Verallgemeinerung
typischer Definitionen über universelle
Eigenschaften ergibt sich der Begriff des Limes
eines Funktors.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.10. 2021