Konvergenzbereich
Ein Konvergenzbereich ist in der Analysis, einem Teilgebiet der Mathematik, einer Funktionenfolge oder (häufiger) Funktionenreihe zugeordnet und bezeichnet eine (oft auch die im Sinne der Inklusion maximale) Menge von Punkten im Definitionsbereich, in denen die Funktionenreihe punktweise konvergiert. Konvergenzgebiete sind Gebiete, also offene, zusammenhängende Teilmengen von Konvergenzbereichen. Die Begriffe Konvergenzbereich und -gebiet verallgemeinern die Begriffe „Konvergenzintervall“ bzw. „Konvergenzkreisscheibe“ aus der elementaren, reellen Analysis und der elementaren Funktionentheorie. Konvergenzkriterien für Funktionenfolgen und -reihen werden aus historischen Gründen gelegentlich als (verallgemeinerte) Cauchy-Hadamard-Formeln bezeichnet. Der klassische Satz von Cauchy-Hadamard formuliert solche Kriterien für komplexe Potenzreihen.
Häufig gebrauchte Funktionenreihen
Die im Folgenden betrachteten Reihen sind immer als komplexe Reihen zu
verstehen, das heißt ihre Koeffizienten sind komplex, die unabhängige Variable
ist komplex, die Glieder der Reihen sind auf einer Teilmenge von
definierte Funktionen und ihre Konvergenzgebiete und -bereiche sind Teilmengen
von
.
Die Reihen selbst stellen natürlich nur dann Funktionen dar, wenn ihr
maximaler Konvergenzbereich nicht leer ist.
- Für eine Potenzreihe
ist das maximale Konvergenzgebiet eine offene Kreisscheibe um den
Entwicklungspunkt
, deren Radius Konvergenzradius
genannt wird oder (für
) ihr maximaler Konvergenzbereich ist
, dann besitzt sie kein Konvergenzgebiet.
- Für eine Laurentreihe ist das maximale Konvergenzgebiet ein offener Kreisring um den Entwicklungspunkt oder es gibt kein Konvergenzgebiet.
- Für eine Dirichletreihe
ist das maximale Konvergenzgebiet
eine „rechte“ Halbebene, die in der komplexen Zahlenebene durch
gegeben ist. Die Zahl
heißt die Konvergenzabszisse der Dirichletreihe. Auch im Falle
spricht man von einer (formalen) Dirichletreihe mit dieser Konvergenzabszisse, allerdings konvergiert diese in keinem Punkt von
, daher besitzt sie auch keine Konvergenzgebiete und ihr einziger und maximaler Konvergenzbereich ist die leere Menge.
Sofern überhaupt ein Konvergenzgebiet existiert, gilt in all diesen drei Fällen:
- Es existiert genau ein maximales Konvergenzgebiet (das Konvergenzgebiet).
- Die Reihe konvergiert auf jedem Konvergenzgebiet kompakt.
- Der maximale Konvergenzbereich ist eine Teilmenge der abgeschlossenen Hülle des maximalen Konvergenzgebietes und also
- ist das maximale Konvergenzgebiet genau das Innere des maximalen Konvergenzbereiches.
- Die Reihe divergiert in jedem Punkt, der nicht in der abgeschlossenen Hülle des maximalen Konvergenzgebietes liegt.
- Es gibt Reihen, die in einigen, aber nicht in allen Punkten, die auf dem Rand des maximalen Konvergenzgebietes liegen, konvergieren. Die Konvergenz in einem solchen Randpunkt kann auch absolut sein, ohne dass sich daraus direkt auf das Konvergenzverhalten in anderen Randpunkten schließen lässt.
Verallgemeinerung für metrische Räume
Sei
ein metrischer
Raum und
ein Banachraum. Es sei eine
Folge von stetigen Funktionen
gegeben. Dann
- konvergiert die Reihe
im Punkt
, falls die Folge der Partialsummen
, die eine Punktfolge im Wertebereich
ist, konvergiert.
- konvergiert die Reihe
absolut im Punkt
, falls die Zahlenreihe über die Normen der Summanden
konvergiert.
Jede Menge von Punkten ,
in denen Konvergenz vorliegt, wird Konvergenzbereich genannt. Jede Zusammenhangskomponente
des Inneren der Menge aller Punkte, in denen die Folge konvergiert, ein
maximales Konvergenzgebiet.
Bemerkung: In Randpunkten eines Konvergenzgebietes oder eines Konvergenzbereiches muss keine absolute Konvergenz vorliegen, die entsprechende Reihe kann im Wertebereich sogar divergent sein.
Der klassische Satz von Cauchy-Hadamard
Die folgenden Aussagen über die Konvergenzbereiche von komplexen Potenzreihen wurden (im Wesentlichen) zunächst von Augustin Louis Cauchy 1821 formuliert, aber allgemein kaum zur Kenntnis genommen, bis sie von Jacques Hadamard wiederentdeckt wurden. Dieser veröffentlichte sie 1888. Daher werden sie (und einige moderne Verallgemeinerungen) als Formel oder auch Satz von Cauchy-Hadamard bezeichnet. Modern, aber noch ohne Verallgemeinerungen auf andere als Potenzreihen formuliert, besagt der Satz von Cauchy-Hadamard:
Sei ,
und
mit
für jedes
,
d.h. die Funktionenreihe
sei eine komplexe Potenzreihe.
Dann gilt:
- Die offene Kreisscheibe
um den Nullpunkt mit Radius
gehört zum maximalen Konvergenzbereich, falls
für alle bis auf endlich viele
erfüllt ist.
- Das Komplement der abgeschlossenen Kreisscheibe
schneidet den maximalen Konvergenzbereich nicht, wenn
für unendlich viele
gilt.
- Es gibt einen Radius, bei dem sich die beiden vorgenannten Aussagen
„treffen“. Als Konvergenzradius
wird
bezeichnet, falls der limes superior als reelle Zahl, also im eigentlichen Sinn existiert und nicht 0 ist. Ist der limes superior 0, dann ist der Konvergenzradius
, ist der limes superior
, dann ist der Konvergenzradius
. Der maximale Konvergenzbereich der Potenzreihe enthält die offene Kreisscheibe um 0 mit Radius
. Im Falle
ist dies die leere Menge, sonst das maximale Konvergenzgebiet.
- Die Potenzreihe konvergiert in allen Punkten, deren Abstand zur Null
kleiner als der Konvergenzradius
ist. Außerdem divergiert sie in allen Punkten, deren Abstand größer
ist. Über die Konvergenz in Punkten, deren Abstand zum Nullpunkt genau
ist (d.h. die Kreislinie mit diesem Radius), kann keine allgemeine Aussage gemacht werden.
Die letzte Aussage gilt sinngemäß ebenso für die Randpunkte der maximalen Konvergenzbereiche von Laurent- und Dirichletreihen. Auch deren maximales Konvergenzgebiet kann durch geeignete limites superiores berechnet werden.
Majoranten- und Minorantenkriterium
Die folgenden Konvergenzkriterien wurden ursprünglich für Potenzreihen formuliert und auf ihnen beruht die klassische Form des Satzes von Cauchy-Hadamard. Sie gelten in der hier gegebenen Formulierung jedoch auch allgemeiner unter den oben im Abschnitt Verallgemeinerung für metrische Räume formulierten Bedingungen.
- (Majorante) Gibt es eine konvergente Reihe
mit positiven reellen Gliedern und ein Gebiet
mit
für alle
und alle bis auf endlich viele
, so ist
Teilmenge eines maximalen Konvergenzgebietes. Die Konvergenz ist auf
absolut, gleichmäßig und kompakt, damit ist die durch die Reihe auf
definierte Grenzfunktion
auf
stetig, falls dies für alle bis auf endlich viele Partialsummen gilt.
- (Minorante) Ist
eine divergente Reihe mit positiven reellen Gliedern und gilt auf einem Gebiet
die Ungleichung
für alle
und für alle bis auf endlich viele
, so ist
im Komplement des maximalen Konvergenzbereiches als Teilmenge enthalten.
- (Limitierung) Ist das Majorantenkriterium auf einem Gebiet
erfüllt und sind alle Partialsummen der Funktionenreihe stetig auf
und ist das Majorantenkriterium auch noch für einen Randpunkt
(gegebenenfalls nach stetiger Fortsetzung der auf
stetigen Partialsummen) erfüllt, dann konvergiert die Funktionenreihe auch in
gleichmäßig und die Grenzfunktion
ist stetig bzw. stetig fortsetzbar auf
und für die Grenzfunktion bzw. ihre Fortsetzung gilt
Beispiele
- Die Potenzreihe der natürlichen
Exponentialfunktion
konvergiert überall absolut, ihr Konvergenzradius ist also
Die Konvergenz auf
ist absolut, kompakt und lokal gleichmäßig, aber nicht gleichmäßig.
- Die formale Potenzreihe
konvergiert im Inneren der Einheitskreisscheibe absolut gegen
. Für
ist ihr maximales Konvergenzgebiet die Menge der komplexen Zahlen (
), ansonsten genau dieser Einheitskreis (
).
- Die formale Dirichletreihe der Riemannschen
Zetafunktion
hat die Konvergenzabszisse
. Für den Randpunkt
des maximalen Konvergenzgebietes
ist diese Dirichletreihe die divergente harmonische Reihe.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 25.12. 2020