Implizite Kurve
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(1) a = 1.1, c = 1 (oben),
(2) a = c = 1 (Mitte),
(3) a = 1, c = 1.05 (unten)
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Eine implizite Kurve ist in der Mathematik eine Kurve in der euklidischen Ebene, die durch eine Gleichung der Form
beschrieben wird. Eine implizite Kurve ist also die Gesamtheit der
Nullstellen einer Funktion von zwei Variablen. Implizit bedeutet, dass
die Gleichung der Kurve nicht nach
oder
aufgelöst ist.
Funktionsgraphen werden
in der Regel durch eine Gleichung
beschrieben und sind deswegen explizit dargestellte Kurven. Die dritte
wichtige Beschreibung von Kurven ist die Parameterdarstellung:
.
Dabei werden die
-
und
-Koordinaten
von Kurvenpunkten durch zwei von einem gemeinsamen Parameter abhängigen
Funktionen
beschrieben. Der Übergang von einer Darstellung zu einer anderen ist in der
Regel nur einfach, wenn eine explizite Darstellung
vorliegt:
(implizit),
(parametrisiert).
Beispiele impliziter Kurven:
- eine Gerade:
- ein Kreis:
- die Neilsche
Parabel:
- Cassini-Kurven
(siehe Bild),
(siehe Bild).
Während die ersten drei Beispiele auch einfache Parameterdarstellungen besitzen, ist dies beim 4. und 5. Beispiel nicht der Fall. Beispiel 5) zeigt, dass eine implizite Kurve aus verwirrend vielen Teilkurven bestehen kann.
Man kann mit dem Satz
über implizite Funktionen nachweisen, dass unter gewissen Voraussetzungen
eine Gleichung
(theoretisch) nach
und/oder nach
auflösbar ist. Allerdings ist die Auflösung meistens praktisch unmöglich. Dieses
theoretische Ergebnis ist aber der Schlüssel, um anhand der gegebenen Funktion
wesentliche geometrische Eigenschaften wie Tangenten,
Normalen und Krümmungen in bekannten
Kurvenpunkten zu berechnen (s. unten). Dass implizite Kurven in der Praxis nicht
sehr beliebt sind, liegt an einem großen Nachteil: Während man für eine
parametrisierte Kurve oder Funktionsgraphen leicht beliebig viele Punkte
berechnen kann, ist dies für implizite Kurven in der Regel nicht der Fall.
Allerdings haben implizite Darstellungen von Kurven auch ihre Vorteile (s.
unten).
- Ist
ein Polynom in
und
, so nennt man die zugehörige Kurve algebraisch.
Beispiel 5) ist nicht algebraisch.
Bemerkung: Eine implizite Kurve mit der Gleichung
kann man zum besseren Verständnis auch als Niveaulinie der Höhe 0 der
Fläche
auffassen (s. 3. Bild).
Formeln
Für die folgenden Formeln wird die implizite Kurve immer durch eine Gleichung
beschrieben, wobei die Funktion
die notwendigen Differenzierbarkeitsvoraussetzungen erfüllt. Die partiellen
Ableitungen von
werden mit
,
,
usw. bezeichnet.
Tangente und Normalenvektor
Ein Kurvenpunkt
heißt regulär, falls
gilt, andernfalls heißt der Punkt singulär.
Die Gleichung der Tangente in einem regulären Kurvenpunkt
ist
und
ist ein Normalenvektor.
Krümmung
Um die Formel übersichtlich zu halten, wurden hier die Argumente
weggelassen:
ist die Krümmung der Kurve in einem regulären Punkt.
Herleitung der Formeln
Der Satz über implizite Funktionen (im einfachsten Fall) besagt:
- Gilt für eine hinreichend oft differenzierbare Funktion
von zwei Variablen in einem Punkt
sowohl
als auch
, so existiert in einer Umgebung von
eine Funktion
mit
.
Die Ableitungen der Funktion
ergeben sich durch implizites Differenzieren mit der Kettenregel:
(Hier wurden die Argumente weggelassen.)
Setzt man die so berechneten Ableitungen von
in die Formeln für die Tangente und Krümmung eines Funktionsgraphen
:
(Tangente)
(Krümmung)
ein, so ergeben sich die obigen Formeln für die Tangente und Krümmung einer impliziten Kurve.
Bemerkung: Ist eine Auflösung nach x möglich, so ergeben sich dieselben Formeln für die Tangente und Krümmung der impliziten Kurve.
Vor- und Nachteile impliziter Kurven
Nachteil
Der oben schon erwähnte wesentliche Nachteil impliziter Kurven ist die prinzipielle Schwierigkeit einzelne Kurvenpunkte zu berechnen, was z.B. für die Visualisierung einer Kurve unbedingt nötig ist. Siehe hierzu den nächsten Abschnitt.
Vorteile
- Implizite Darstellungen von Kurven haben insbesondere bei der Berechnung von Schnittpunkten zweier Kurven große Vorteile: Liegt eine Kurve implizit und die andere parametrisiert vor, so muss zur Schnittpunktbestimmung nur das gewöhnliche eindimensionale Newton-Verfahren eingesetzt werden. In den Fällen implizit-implizit oder parametrisiert-parametrisiert ist der Einsatz des zweidimensionalen Newton-Verfahrens nötig. Siehe hierzu: Schnittpunkt.
- Eine implizite Darstellung
bietet die Möglichkeit anhand des Vorzeichens von
die Punkte der Ebene in zwei Teilmengen einzuteilen. So kann man z.B. anhand des Vorzeichens von
erkennen, ob ein Punkt innerhalb oder außerhalb des Einheitskreises liegt. Dies kann wichtig sein, falls man Startpunkte für die Schnittpunktbestimmung von Kurven sucht oder falls man statt des Newton-Verfahrens die Regula falsi verwenden möchte.
- Zu einer implizit gegebenen Kurve
lassen sich leicht ähnliche Kurven angeben, indem man Kurven mit
für betragsmäßig kleine Zahlen
betrachtet. (Siehe Abschnitt Glatte Approximationen konvexer Polygone.)
Anwendungen impliziter Kurven
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(1) eines Halbkreises,
(2) eines Kreiszweiecks
In der Mathematik spielen implizite Kurven in dem Bereich der algebraische Kurven eine wichtige Rolle. Neben diesem klassischen Anwendungsgebiet bieten implizite Kurven einfache Möglichkeiten, neue Kurven zu gestalten. Es folgen zwei Methoden:
Glatte Approximationen konvexer Polygone
Zur glatten Approximation
von konvexen Polygonen sind implizite Kurven
besonders gut geeignet: Liegen die
Seiten eines konvexen Polygons auf den Geraden mit den Gleichungen
so, dass das Innere des Polygons in den Positivbereichen der Funktionen
liegt, so beschreibt die implizite Kurve
für geeignete positive Zahlen
glatte (differenzierbare) Approximationen des Polygons. Zum Beispiel ergeben
für
die im Bild gezeigten glatten Approximationen eines Fünfecks.
- Bemerkung 1:
Schließt man den Grenzfall „zwei Geraden“ mit ein, so erhält man nach der beschriebenen Konstruktion mit
entweder eine Schar paralleler Geraden, falls die gegebenen Geraden
parallel sind
oder die Schar der Hyperbeln mit den gegebenen Geraden
als Asymptoten, falls sich die Geraden schneiden. Z.B. liefert das Produkt
der x-Achse mit der y-Achse: ,
die Schar aller Hyperbeln mit den Koordinatenachsen als Asymptoten.
- Bemerkung 2:
Verwendet man statt der Geraden andere einfache implizite Kurven (Kreise, Parabeln, …) so lassen sich auch gezielt interessante Kurven gestalten. Z.B.
(Produkt eines Kreises mit der x-Achse) liefert glatte Approximationen eines Halbkreises (siehe Bild). Und
(Produkt zweier Kreise) sind glatte Approximationen eines Kreis-Zweiecks (siehe Bild).
Übergangskurven
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Im Computerdesign-Bereich verwendet man implizite Kurven, um Übergangskurven von besonders hoher Güte (geometrische Stetigkeit) herzustellen. Zum Beispiel liefert die folgende einfache Konstruktion
krümmungsstetige Übergangskurven zwischen den beiden implizit gegebenen Kreisen
(siehe Bild). Die beiden Geraden
bestimmen die Berührpunkte der Übergangskurven an den Kreisen. Der Parameter
ist ein Designparameter. Im Bild ist
.
Als Übergangskurven dienen nur die mittleren Kurventeile. Ein Fahrzeug könnte
also ohne Ruck entlang der Übergangskurve von dem einen Kreisbogen auf den
anderen fahren.
Äquipotentiallinien zweier gleicher Punktladungen
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Die Äquipotentiallinien
zweier gleicher Punktladungen
in den Punkten
lassen sich implizit durch
beschreiben. Für
ergibt sich die Kurve durch den Ursprung und hat einen Doppelpunkt. Die Kurven
sehen wie Cassinische
Kurven aus, sind aber keine.
Visualisierung einer impliziten Kurve
Zur Visualisierung einer Kurve berechnet man in der Regel ein Polygon aus Kurvenpunkten und zeichnet dieses Polygon. Bei einer parametrisierten Kurve ist dies kein Problem: Man kann zu einer vorgegebenen Folge von Parametern die zugehörige Folge von Kurvenpunkten direkt berechnen. Bei einer impliziten Kurve muss man zwei Teilprobleme lösen:
- zu einem Startpunkt in der Nähe der Kurve einen Kurvenpunkt berechnen,
- von einem bekannten Kurvenpunkt aus einen Startpunkt für einen weiteren Kurvenpunkt bestimmen.
Für die Lösung beider Probleme ist es günstig, vorauszusetzen, dass
nicht der Nullvektor ist. Dies scheint eine starke Einschränkung zu sein. In der
Regel ist diese Voraussetzung aber nur in isolierten Punkten verletzt und in der
Praxis ist es eher unwahrscheinlich, dass man auf genau solch einen Punkt
trifft.
Punktalgorithmus
Bei einer impliziten Kurve benötigt man ein Computerprogramm ,
das zu einem Startpunkt
in der Nähe der Kurve einen Kurvenpunkt
berechnet:
- (P1) Für den Startpunkt ist
.
- (P2) Wiederhole
- (Newtonschritt
für die Funktion
),
- (Newtonschritt
für die Funktion
- (P3) bis der Abstand zwischen den Punkten
klein genug ist.
- (P4)
ist ein Kurvenpunkt in der Nähe des Startpunktes
.
Verfolgungsalgorithmus
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Um ein Polygon auf der impliziten Kurve mit einer Schrittweite
zu erzeugen
- (V1) wählt man einen geeigneten Startpunkt in der Nähe der Kurve.
- (V2) berechnet mit
den ersten Kurvenpunkt
.
- (V3) berechnet die Tangente (s. oben), wählt auf der Tangente mit
der Schrittweite
einen weiteren Startpunkt und berechnet mit
den zweiten Kurvenpunkt
.
Da der Algorithmus dem Verlauf der Kurve folgt, nennt man ihn Verfolgungsalgorithmus. Der Algorithmus liefert immer nur einzelne Komponenten der impliziten Kurve. Eventuell muss man ihn mehrmals mit geeigneten Startpunkten durchlaufen.
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Rasteralgorithmus
Besteht die implizite Kurve aus vielen Teilkurven, so liefert der folgende Rasteralgorithmus eine gute Visualisierung der Kurve:
- (R1) Erzeuge ein Netz (Raster) in dem fraglichen Bereich der x-y-Ebene.
- (R2) Verwende jeden Punkt des Rasters als Startpunkt für den
Punktalgorithmus
und markiere den so erhaltenen Kurvenpunkt.
Macht man das Netz sehr dicht, erhält man einen guten Eindruck von der impliziten Kurve und kann anschließend interessante Teile mit dem Verfolgungsalgorithmus bearbeiten.
Beispiel: Das Bild zeigt ein (zur Demonstration grobes) Raster mit den zugehörigen berechneten Kurvenpunkten für die implizite Kurve mit der Gleichung:
(Zur Herstellung des Bildes wurde ein optimierter Algorithmus benutzt, bei dem nicht mehr jeder Rasterpunkt als Startpunkt verwendet wird.)
Software
Implizite Kurven lassen sich mit Hilfe geeigneter Visualisierungsprogramme grafisch darstellen, zum Beispiel mit der freien Software
- GeoGebra (nur für algebraische Kurven) oder
- Gnuplot.
Implizite Raumkurven
Eine Kurve im Raum, die durch 2 Gleichungen
beschrieben wird, heißt implizite Raumkurve.
Ein Kurvenpunkt
heißt regulär, wenn das Kreuzprodukt
der Gradienten von
und
in diesem Punkt nicht den Nullvektor ergibt:
ist, andernfalls singulär. Der Vektor
ist ein Tangentenvektor im Punkt
an die Raumkurve.
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Beispiele:
-
- beschreibt eine Gerade.
-
- beschreibt einen ebenen Schnitt einer Kugel, also einen Kreis.
-
- beschreibt eine Ellipse (ebener Zylinderschnitt).
-
- beschreibt die Schnittkurve einer Kugel mit einem Zylinder.
Siehe auch
Literatur
- Hoffmann, Marx, Vogt: Mathematik für Ingenieure 1. Pearson Studium, 2005, ISBN 3-8273-7113-9.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 12.09. 2021