Photochemie

Illustration des Spektrums der elektromagnetischen Wellen

Unter dem Begriff Photochemie versteht man chemische Reaktionen, die durch Einwirkung von Licht initiiert werden. Die Grundvoraussetzung hierfür ist eine Absorption des Lichtes durch das Molekül, das reagieren soll. Das heißt, die Wellenlänge des verwendeten Lichts muss zum Absorptionsverhalten des Moleküls passen. Neben der direkten Anregung gibt es auch Photoreaktionen, bei denen zunächst ein Photosensibilisator angeregt wird und dieser dann Energie auf die zur Reaktion zu bringenden Moleküle überträgt.

Die Absorption eines Lichtquants führt zu energetisch (elektronisch) angeregten Zuständen, die dank der Anregungsenergie chemische Reaktionen eingehen können. Chemische Umwandlungen konkurrieren dabei mit photophysikalischen Deaktivierungsprozessen wie der Photoemission aus dem angeregten Singulett-Zustand (Fluoreszenz) oder aus dem Triplett-Zustand (Phosphoreszenz) sowie der strahlungslosen Deaktivierung. Das relative Ausmaß, mit dem die einzelnen Prozesse durchlaufen werden, wird durch die Quantenausbeuten ausgedrückt. Die Summe der Quantenausbeuten beträgt maximal 1 – außer bei Kettenreaktionen.

Da die Absorption eines Lichtquants zu einer elektronischen Anregung führt, können im angeregten Zustand Reaktionen beobachtet werden, die im elektronischen Grundzustand des Moleküls nicht erlaubt sind (Woodward-Hoffmann-Regeln, perizyklische Reaktionen). Photochemische Reaktionen sind häufig eine gute Methode, um komplexe und hoch gespannte Moleküle aufzubauen.

Neben der Einwirkung von Licht lässt sich die Photochemie auch mit energiereicheren Quanten betreiben. Mit solchen photoinduzierten Prozessen beschäftigt sich unter anderem die Röntgenphotochemie bzw. die Hochenergiephotochemie. Hierbei findet die Synchrotronstrahlung in der Chemie eine Anwendung.

Homolytische Spaltung des Moleküls A–B unter Lichteinfluss. Es entstehen zwei Radikale (rechts).

Beispiele für photochemische Reaktionstypen

Die ersten photochemischen Experimente gehen auf Giacomo Luigi Ciamician zurück. Die ersten zusammenfassenden Bücher über die präparative organische Photochemie hat Alexander Schönberg verfasst.

Durchführung photochemischer Experimente

Die Durchführung photochemischer Experimente erfordert eine Reihe von Voraussetzungen, die sich aus der Startbedingung – Absorption von Licht durch die Reaktanden – ergeben. Es muss bekannt sein, bei welcher Wellenlänge die photochemische Anregung erfolgen soll. Entsprechende Informationen zu den Reaktanden lassen sich Tabellenwerken entnehmen oder können durch Messung der UV-VIS-Spektren erhalten werden. Im nächsten Schritt ist sicherzustellen, dass eine geeignete Lichtquelle zur Verfügung steht. Hierbei muss gewährleistet sein, dass die Lichtquelle ausreichende Leistung im relevanten Wellenlängenbereich liefert, unter Umständen muss ferner ausgeschlossen werden, dass Wellenlängen, die zu photochemischen Nebenreaktionen führen, ausgeschlossen werden. Die verwendeten Lösungsmittel müssen im relevanten Wellenlängenbereich transparent sein (außer sie fungieren als Sensibilisatoren für die Photoreaktion). Ferner dürfen die Lösungsmittel nicht als „Quencher“ wirken (Singulett- oder Triplett-Anregungsenergie der Reaktanden übernehmen und somit die reaktiven Species deaktivieren) und müssen gegenüber den auftretenden Species inert sein. Sauerstoff führt in der Regel zu Nebenreaktionen, weshalb die Reaktionen meist unter Schutzgas (Stickstoff, Argon) durchgeführt werden (Ausnahme: Reaktionen von Singulett-Sauerstoff, bei denen gezielt Sauerstoff durch die Reaktionsmischung geleitet wird). Da die Eindringtiefe des Lichts in der Regel nur wenige Millimeter beträgt (vgl. Lambert-Beer’sches Gesetz), ist für gute Durchmischung zu sorgen. Dies kann in Laborversuchen oftmals durch das sowieso notwendige Durchleiten von Inertgas erreicht werden. Sicherheitstechnisch relevant ist der Schutz vor UV-Strahlung (Augenschäden, „Sonnenbrand“) oder auch das Ableiten der z.B. durch Hochdrucklampen erzeugten hohen Wärmemengen.

Apparaturen für photochemische Experimente

Reaktor für photochemische Experimente

Präparative photochemische Experimente werden im Labor bevorzugt in Tauchapparaturen durchgeführt. Hierzu wird ein unten abgeschlossenes Glasrohr in die zu belichtende Lösung getaucht. In das Glasrohr kann dann z.B. eine Quecksilber-Dampflampe eingestellt werden. Idealerweise wird das Tauchrohr doppelwandig ausgeführt, damit zu Kühlzwecken Wasser durchgeleitet werden kann. In guten Apparaturen ist das Außenrohr aus Quarz gefertigt, das Innenrohr lässt sich über eine Schraubverbindung austauschen. In solchen Aufbauten können dann verschiedene Innenrohre im Sinne eines Filters verwendet werden, um UV-Strahlung unterhalb einer gewissen Wellenlänge abzuschneiden (300 nm bei Pyrex oder Solidex, ca. 350 nm bei Standardgläsern). Als Filter kann in doppelwandigen Einsätzen auch die Kühlflüssigkeit dienen, wenn entsprechende (stabile) Farbstoffe oder Metallsalze zugesetzt werden.

Einfachste Versuche mit kleinen Substanzmengen lassen sich ausführen, in dem Substanzen z.B. in NMR-Röhrchen oder Küvetten bestrahlt werden. Die Bestrahlung in Küvetten ist üblich bei photophysikalischen Untersuchungen und kann in geeigneten Aufbauten auch bei sehr tiefen Temperaturen (flüssiger Stickstoff) erfolgen.

Lichtquellen

Lichtquellen für photochemische Arbeiten lassen sich prinzipiell in kontinuierliche und diskontinuierliche Strahler unterteilen. Bei der Auswahl ist ferner zu überlegen, welche Leistung für die Arbeiten benötigt wird. Kontinuierliche Strahler liefern Licht in einem weiten Wellenlängenbereich. Typische Beispiele sind schwarze Strahler (Sonne, Glühlampen). Ihre Spektren zeichnen sich durch eine sehr weite spektrale Verteilung aus, die vom Infraroten (Wärmestrahlung) über das Sichtbare bis hin in den (nahen) UV-Bereich reichen. Die UV-Anteile dieser Strahler sind jedoch gering, so dass für photochemische Arbeiten andere Lichtquellen benötigt werden. Als kontinuierliche Strahler im UV-Bereich eignen sich Gasentladungslampen auf Basis von Wasserstoff/Deuterium oder von Edelgasen.

Gas Emissionsbereich / nm
H2 170–350
He 58–100
Ne 74–79
Ar 107–160
Kr 124–150
Xe 147–170

Diese Lampen finden vornehmlich Anwendung in UV-Spektrometern (Wasserstoff/Deuteriumlampen) oder z.B. in Photoelektronen-Spektrometern.

LED-Photolampe für Mikroreaktor (Dechema)

Diskontinuierliche Stahler liefern Licht in Form diskreter Linien. Typische Vertreter sind Laser und Metalldampflampen. Bei den Metalldampflampen sind – mit steigendem Betriebsdruck zunehmend – die einzelnen Linien verbreitert oder sogar von einem Kontinuum überlagert. Für die präparative Photochemie sind die Quecksilberdampflampen von überragenderer Bedeutung, Laser haben einen breiten Einzug bei den mechanistischen Untersuchungen gefunden. Quecksilber-Niederdrucklampen (0,01–1 mbar) zeichnen sich durch ganz überwiegende Strahlung bei 254 nm aus (ca. 95 %). Beschichtung der Lampen mit geeigneten Phosphoren (analog zu Leuchtstoffröhren) erlaubt die Bereitstellung von Lichtquellen mit Emission um 300 nm bzw. 350 nm herum. Dies ist im Rayonet umgesetzt, bei dem sich die Bestrahlungswellenlänge durch Austausch der Lampentypen realisieren lässt. Bei höheren Betriebsdrücken der Quecksilberlampen (0,1–100 bar) überwiegen zunehmend Emissionen bei 297 nm, 334 nm, 365 nm, 404 nm, 436 nm sowie bei 546 nm und 577 nm. Werden Metallsalze zugemischt (Eisen, Cadmium, Thallium, Indium), können weitere Hauptemissionslinien erzeugt werden. Vorteil der Hoch- und Höchstdrucklampen ist ihre hohe Leistungsabgabe. Bei industriellen Anwendungen kommen Lampen mit einer Leistung von mehreren 10 kW zum Einsatz.

Lösungsmittel, Sensibilisatoren und Quencher

Eine Zusammenfassung von Lösungsmitteln für photochemische Arbeiten zeigt die nachfolgende Tabelle. Bei den angegebenen Wellenlängen wird die Lichtintensität durch die Eigenabsorption des Lösungsmittels über eine Strecke von 1 cm um rund 90 % reduziert.

Lösungsmittel Wellenlänge / nm   Lösungsmittel Wellenlänge / nm
Wasser 185   Acetonitril 190
n-Hexan 195   Ethanol 204
Methanol 205   Cyclohexan 215
Diethylether 215   1,4-Dioxan 230
Dichlormethan 230   Chloroform 245
Tetrahydrofuran 245   Essigsäure 250
Ethylacetat 255   Kohlenstofftetrachlorid 265
Dimethylsulfoxid 277   Benzol 280
Toluol 285   Pyridin 305
Aceton 330    

Die Lichtabsorption und -emission finden überwiegend unter Erhaltung der Multiplizität statt, d.h., ein im Singulett-Zustand vorliegendes Molekül wird in einen angeregten Singulett-Zustand überführt bzw. zeigt schnelle Fluoreszenzemission. Die direkte Anregung aus einem Singulett-Grundzustand in einen Triplett-Zustand ist quantenchemisch „verboten“ und wird damit nur untergeordnet beobachtet. (Zum Vergleich: der strahlende Übergang eines Tripletts in den Grundzustand (Phosphoreszenz) ist entsprechend verboten und somit gegenüber der Fluoreszenz langsamer Vorgang.) Sollen daher photochemische Reaktionen über Triplett-Zustände verlaufen, werden Sensibilisatoren eingesetzt. Bei diesen findet im angeregten Zustand ein Singulett-Triplett-Übergang (Intersystem Crossing, ISC) in nennenswertem Ausmaß statt. Anschließend kann der Sensibilisator seine Triplett-Anregung auf einen Reaktanden übertragen, der dann chemische Reaktionen im Triplett-Zustand eingeht. Das Phänomen der Energieübertragung kann auch genutzt werden, um Einblick in den Mechanismus von Photoreaktionen zu erhalten. Hier werden Moleküle mit bekannten Singulett- oder Triplett-Energien eingesetzt, um bei Reaktionen auftretende angeregte Zustände zu „löschen“ („quenchen“). Liegt die Energie des Quenchers unterhalb der Energie des zu löschenden Zustands, so kommt es zur Energieübertragung und damit zur Unterbrechung der ursprünglichen Photoreaktion. Das Prinzip kann auf Reaktionen im Singulett- wie auch im Triplett-Zustand angewandt werden. Nachfolgend sind einige typische Sensibilisatoren und Quencher aufgeführt (Energien der ersten angeregten Singulett- und Triplett-Zustände, Quantenausbeuten für das Singulett-Triplett Intersystem CrossingISC)):

Siehe auch

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.06. 2024