α-Helix
Als α-Helix wird in der Biochemie eine häufige Ausprägung der Sekundärstruktur eines Proteins bezeichnet. Sie gehört zu den stabilsten natürlichen Konformationen einer Aminosäuresequenz und ist in der Sekundärstruktur nahezu allgegenwärtig.
Unter der Sekundärstruktur eines Proteins wird die räumliche Struktur der Aminosäurekette ohne Berücksichtigung der Seitengruppen verstanden. Die Sekundärstruktur eines Proteins geht aus dessen Primärstruktur (Aminosäuresequenz) hervor. Übergeordnete Strukturebenen sind die Tertiärstruktur und die Quartärstruktur. Die dreidimensionale Struktur eines Proteins ist entscheidend für dessen selektive Funktion (siehe Proteinstruktur).
Geschichte
Ende der 1930er Jahre begann William Astbury Kristallstrukturanalysen an kristallinen Peptiden durchzuführen. Dabei wurde festgestellt, dass sich bestimmte räumliche Merkmale regelmäßig wiederholen, bei denen Wasserstoffbrücken innerhalb des Moleküls vermutet wurden. Ihm war jedoch die Planarität der Peptidbindung noch nicht bekannt. Die häufigsten räumlichen Strukturen wurden später α-Helix und β-Faltblatt genannt. Linus Pauling, Robert Brainard Corey und Herman Branson schlugen 1951 ein Modell der α-Helix vor. Das α in „α-Helix“ enthält keine wissenschaftliche Aussage, sondern bringt nur zum Ausdruck, dass die α-Helix vor dem β-Faltblatt gefunden wurde. Der von G. N. Ramachandran entwickelte Ramachandran-Plot erlaubte deren Identifikation anhand der Diederwinkel der im Protein aufeinanderfolgenden Aminosäuren, ähnlich wie auch der später entwickelte Janin-Plot.
Struktur
Die α-Helix ist eine rechtshändig gedrehte Spirale (bevorzugt von L-Aminosäuren) mit durchschnittlich 3,6 Aminosäureseitenketten pro Umdrehung. Pro Windung wird eine Länge von p = 0,54 nm (5,4 Å) erzielt. Dieser Fortschritt wird als Ganghöhe bezeichnet. Sie ist das Produkt aus Schiebung (auch Translation genannt) (0,15 nm) und Resten pro Windung (3,6). Dieser Abstand zwischen den Resten ist der Grund dafür, dass Aminosäuren, die in der Primärstruktur drei oder vier Stellen voneinander entfernt sind, sich in der Helixstruktur in unmittelbarer Nähe befinden. Stabilisiert wird die α-Helix durch eine Wasserstoffbrückenbindung zwischen dem Carbonylsauerstoff der n-ten und dem Amidproton der (n+4)-ten Aminosäure desselben Moleküls.
Die CO- und NH-Gruppen müssen zur Ausbildung der Wasserstoffbrückenbindung dicht beieinander liegen. Die engste Konfiguration liefert ein aufgewickelter Strang, bei der die beiden Gruppen übereinander liegen. Die Seitenketten zeigen dabei nach außen. Die Aminosäure Prolin („Strukturbrecher“) lässt sich nicht ohne Weiteres in die Helix einfügen (nur an den Positionen 1–4, vom Aminoende aus gesehen, ist dies möglich). Folglich kommt es an Stellen, an denen Prolin auftritt, zu Abweichungen von der regelmäßigen Struktur. α-Helices sind sehr stabil und können als starre Zylinder eine Art Skelett des Proteins bilden. Daher werden sie in Proteinstrukturen häufig nicht als Helices, sondern als Zylinder abgebildet. Ein Protein mit überwiegender Helixstruktur ist das Myoglobin, ein mit dem Hämoglobin verwandtes Muskelprotein.
Eine α-Helix ist oftmals nur im Kontext eines Proteins stabil, weshalb bei isolierten α-Helices oftmals zusätzliche stabilisierende Bindungen eingeführt werden, z.B. durch Ersatz der Wasserstoffbrückenbindung durch eine C-C-Bindung, durch eine Quervernetzung der Aminosäureseitenketten oder durch Ausbildung von Disulfidbrücken.
Geometrie der Helix und Helix-Helix-Wechselwirkungen
α-Helices sind die Grundlage typischer Faserproteine (α-Keratin, der Grundsubstanz der Haare, Myosin, einer Komponente der Muskelfasern usw.) aber auch, wie am Beispiel des Myoglobins eingeführt, strukturgebende Komponenten von löslichen, globulären Proteinen. Einzelne Helices können diese Aufgabe im Allgemeinen nicht übernehmen, wohl aber geordnete Aggregate aus zwei, drei, vier oder mehr Individualhelices.
Die Zusammenlagerung zu einer solchen „Superhelix“ (en. supercoil) beruht auf hydrophoben Wechselwirkungen in amphipathischen Helices. Das sind Helices, deren eine Seite hydrophil (dem Wasser zugewandt) und deren andere Seite hydrophob und damit zu Wechselwirkungen befähigt ist. Die Struktur der Helix bewirkt, dass das „hydrophobe Band“ nicht parallel zur Helixachse verläuft, sondern die Helix in Form einer gedehnten, linksgängigen Spirale umgibt. Wenn sich die hydrophoben Bänder von zwei oder mehr Helices nähern, entsteht die englisch als Coiled-Coil bezeichnete Superhelix.
Helix-Vorhersage
Erste Bemühungen zur Vorhersage von Protein-Sekundärstrukturen gehen auf die 1960er Jahre zurück und konnten mit dem Aufkommen der modernen Röntgenstrukturanalyse kontinuierlich verfeinert werden. Ein überaus hilfreicher, rationaler Ansatz zur Vorhersage der α-Helix verbindet sich mit dem Namen Marianne Schiffer und schließt an die obigen Überlegungen an. Nach dem n+/-3,4 Kriterium kann sich ein Rest n mit Resten paaren, die drei bzw. vier Positionen entfernt sind. Sind z.B. die Reste 1, 4 und 5 hydrophob, so können sie wechselwirken und damit eine Helixstruktur stabilisieren. Gleiches gilt für die Reste 6, 3 und 2 usw. Dieses Vorhersageschema zeigte zunächst für Insulin und Myoglobin seinen Wert.
Mit der Veröffentlichung weiterer Röntgenstrukturanalysen wich der „helical-wheel“-Ansatz zunehmend statistischen Verfahren. Ein früher Ansatz dieser Art geht auf Chou und Fasman (1974, 1978) zurück.
Die nachfolgende Tabelle gibt die Helixpotentiale (Pα) von Aminosäureresten wieder. Pα entspricht der relativen Häufigkeit, mit der die Aminosäure in der Helix vertreten ist. Bei einem Pα deutlich über 1 wird eine Aminosäure als „Helixbildner“ bezeichnet, bei einem Pα deutlich unter 1 als „Helixbrecher“.
Aminosäure | Pα |
---|---|
Glu | 1,59 |
Ala | 1,41 |
Leu | 1,34 |
Met | 1,30 |
Gln | 1,27 |
Lys | 1,23 |
Arg | 1,21 |
Phe | 1,16 |
Ile | 1,09 |
His | 1,05 |
Trp | 1,02 |
Asp | 0,99 |
Val | 0,90 |
Thr | 0,76 |
Asn | 0,76 |
Cys | 0,66 |
Tyr | 0,61 |
Ser | 0,57 |
Gly | 0,43 |
Pro | 0,34 |
Zusammenfassung der Helix-Parameter
A – Relation der Reste zueinander | |||
n + 4 | Reste 1 und 5 | H-Brücke | -C=O···HN- |
n +/− 3, 4 | Reste 1 und 4 oder 5 | gleiche Seite | „hydrophober Bogen“, α-Potenzial |
n + 18 | Reste 1 und 19 | ekliptisch | 5 × 3,6 = 18; „repeat unit“ |
n + 7 | Reste 1 und 8 | „fast ekliptisch“ | 2 × 3,6; „Heptadenrepeat“ |
B – Physikalische Parameter | |||
n = 3,6 | Reste pro Windung | ||
d = 1,5 A | axiale Verschiebung je Rest | ||
p = 5,4 Å = n x d | “Pitch” (Abstand zwischen den Windungen) | ||
a = 100° = 360° / n | Winkel (Sektor) je Aminosäure |
Andere Ausprägungen der Sekundärstruktur
Neben der α-Helix und dem β-Faltblatt existieren weitere Arten der Sekundärstruktur (Sekundärstrukturmotive). Andere häufig vorkommende Motive sind:
Die nicht zu einem Motiv gehörenden Teile der Primärstruktur eines Proteins werden Zufallsschleifen (Random-Coil-Strukturen) genannt. Diese Strukturen sind ebenfalls maßgeblich an der Ausbildung der gesamten Proteinstruktur beteiligt.
Literatur
- M. Schiffer, A. B. Edmundson: Use of helical wheels to represent the structures of proteins and to identify segments with helical potential. In: Biophysical Journal. 7, 1967, S. 121–135.
- P. Y. Chou, G. D. Fasman: Empirical predictions of protein conformation. In: Annual Review of Biochemistry. 47, 1978, S. 251–276.
- C. Cohen, D. A. D. Parry: α-Helical coiled-coils – a widespread motif in proteins. In: Trends in biochemical sciences. 11, 1986, S. 245–248.
- S. Kamtekar, J. M. Schiffer, H. Xiong, J. M. Babik, M. H. Hechtr: Protein design by binary patterning of polar and nonpolar amino acids. In: Science. 262, 1993, S. 1680–1685.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.10. 2024