Transportsatz
Transportsätze oder Transport-Theoreme beschreiben die Regeln für die Zeitableitung von Integralen mit zeitabhängigen Integrationsgrenzen. Solche Zeitableitungen kommen in der Kontinuums- und Strömungsmechanik vor, wo die Integrale beispielsweise eine Zirkulation, einen Volumenstrom durch eine Fläche oder den Impuls einer sich bewegenden und deformierenden Masse darstellen. Das Integrationsgebiet kann entsprechend eine Linie, eine Fläche oder ein Volumen sein. Der Transportsatz für Volumen wird Reynolds’scher Transportsatz oder Reynolds-Transport-Theorem (nach Osborne Reynolds) genannt. Die Transportsätze werden verwendet, um grundlegende Erhaltungssätze der Kontinuumsmechanik herzuleiten. Mathematisch gesehen handelt es sich um Verallgemeinerungen der Leibnizregel für Parameterintegrale.
Alle betrachteten Felder müssen sowohl nach der Zeit als auch nach dem Ort einmal stetig differenzierbar und im betrachteten Gebiet integrierbar sein. Unstetigkeitsstellen in Form von nach dem Ort stetig differenzierbaren Flächen, an denen sich beispielsweise die Dichte sprunghaft ändert, können jedoch berücksichtigt werden. Bei der Herleitung der Transportsätze werden die Integrationsgrenzen zeitunabhängig dargestellt, der Integrand zeitlich abgeleitet und das Integrationsgebiet wieder in die zeitabhängige Form zurückgebracht.
Linien-, Flächen- und Volumenelemente für von der Masse transportierte Gebiete
Wenn die Gebiete sich mit der Masse mitbewegen, sie also materielle Grenzen aufweisen, dann kann die örtliche Differenzierbarkeit der Bewegungsfunktion der Masse ausgenutzt werden. Die substantielle Ableitung der Linien-, Flächen- und Volumenelemente sind dann gemäß der folgenden Tabelle gegeben.
| Linienelement | |
| Vektorielles Oberflächenelement | |
| Volumenelement | 
Der Operator  
oder ein Hochpunkt 
wie in 
 
bezeichnet die substantielle Zeitableitung, 
 
das vom Ort 
 
und der Zeit t abhängige Geschwindigkeitsfeld der Masse, grad den Gradienten und 
div die Divergenz 
eines Vektorfeldes, I den Einheitstensor 
und das hochgestellte T die Transposition.
Wenn sich das Integrationsgebiet relativ zur Masse bewegt, dann können die oben angegebenen Linien- und Oberflächenelemente nicht berechnet werden, weil in den Gebieten die für die Gradienten- und Divergenzbildung benötigte Umgebung fehlt. Statt auf die Lagrangesche Betrachtungsweise der Integrale zurückzugreifen, die materielle Integrationsgrenzen zeitunabhängig zu definieren gestattet, wird das Gebiet mit Parametern aus einem festen Intervall – hier [0,1]n, n=1,2,3 je nach Dimension n des Gebietes – beschrieben. Auch diese festen Grenzen erlauben es, die Zeitableitung in den Integranden zu verschieben.
Transportsatz für Linienintegrale
Gegeben sei eine sich durch die Masse bewegende Kurve b mit vektoriellem Linienelement 
 
Für die Kurve liege zu jeder Zeit t eine Parameterdarstellung 
 
für die Punkte auf der Kurve mit Kurvenparameter ξ im Intervall [0,1] vor. Für 
das Linienelement gilt dann: 
 
Die Zeitableitung des Kurvenintegrals einer vom Ort 
 
und der Zeit t abhängigen Feldgröße 
 
über den Weg b lautet dann:[1]
Für ein Skalarfeld gilt entsprechend:
Wenn die Geschwindigkeit der Kurve  
gleich der Geschwindigkeit 
 
der Masse ist, dann steht in der eckigen Klammer die substantielle Zeitableitung 
der Feldgröße und die Ableitung der Geschwindigkeit in Richtung der Kurve kann 
mit dem Geschwindigkeitsgradient berechnet werden:[1]
Dann geht dieser Transportsatz in den für von der Masse transportierte Linien aus der Tabelle über.
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
Transportsatz für Flächenintegrale
Gegeben sei eine Fläche a mit vektoriellem Oberflächenelement 
 
die sich durch die Masse bewegt. Für die Fläche liege zu jeder Zeit t eine 
Parameterdarstellung 
 
für die Punkte auf der Fläche mit Flächenparametern (ξ,η) aus dem 
Einheitsquadrat [0,1]² vor. Das vektorielle Oberflächenelement berechnet sich 
dann mit dem Kreuzprodukt 
zu:
Die Zeitableitung des Flächenintegrals einer vom Ort  
und der Zeit t abhängigen Feldgröße 
 
über der Fläche a lautet dann:[1]
Für ein Skalarfeld gilt entsprechend:
Wenn die Geschwindigkeit der Fläche  
gleich der Geschwindigkeit 
 
der Masse ist, dann steht in der eckigen Klammer die substantielle Zeitableitung 
der Feldgröße und dieser Transportsatz geht in den für von der Masse 
transportierte Flächen aus der Tabelle über.
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
| Beweis | 
| Wenn die Fläche eine materielle Fläche ist, dann gibt es eine 
      Referenzkonfiguration mit einer zeitunabhängigen Lagrange’schen 
      Beschreibung der Fläche Der im Transportsatz im zweiten Integranden auftauchende Term 
      vereinfacht sich damit zu: siehe die Berechnung des Kreuzprodukts und des Kofaktors cof mit dem äußeren Tensorprodukt und die Zeitableitung von Linien-, Flächen- und Volumenelementen. Es wurde ausgenutzt, dass in der Lagrange’schen Betrachtungsweise die partielle Zeitableitung gleich der substantiellen Zeitableitung ist. Mit diesem Ergebnis geht der obige Transportsatz in den für von der Masse transportierte Flächen über. | 
Reynolds’scher Transportsatz oder Transportsatz für Volumenintegrale
Der Reynolds’sche Transportsatz wird verwendet, um grundlegende Erhaltungssätze der Kontinuumsmechanik herzuleiten. Wird z.B. die Dichte ρ für das Skalarfeld f eingesetzt, dann ergibt sich eine Formulierung für die Massenerhaltung.
Gegeben sei ein Kontrollvolumen Vk mit Volumenelement 
dVk und Oberfläche ak mit nach außen gerichtetem, 
vektoriellem Oberflächenelement  
die sich durch die Masse bewegen. Dann lautet die Zeitableitung des 
Volumenintegrals einer vom Ort 
 
und der Zeit t abhängigen Feldgröße 
 
über das Kontrollvolumen, oder kurz der Reynolds’sche Transportsatz:
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
Das Volumen V wird hier wie im Folgenden groß geschrieben, um eine 
Verwechslung mit der Geschwindigkeit  
zu vermeiden.
Der Reynolds’sche Transportsatz kann wie folgt interpretiert werden: Die 
zeitliche Änderung des Inhalts einer Feldgröße in einem variablen 
Kontrollvolumen setzt sich aus einem lokalen und einem konvektiven Anteil 
zusammen. Der lokale Anteil besteht aus dem Integral über die lokale 
Zeitableitung, die mit der partiellen 
Ableitung gebildet wird, und der konvektive Anteil bestimmt sich aus dem 
Transport der Feldgröße über die Grenze ak des Kontrollvolumens. Mit 
 
ist 
 
die Übergangsmenge pro Zeit- und Flächeneinheit.
| Beweis | 
| Für die Raumpunkte im Volumen liege zu jeder Zeit t eine eineindeutige 
      Parameterdarstellung 
 | 
Wenn die Geschwindigkeit  
des Kontrollvolumens gleich der Geschwindigkeit 
 
der Masse ist (kein Ein- und Ausfluss von Materie), dann geht dieser 
Transportsatz in den für von der Masse transportierte Volumen aus der Tabelle 
über.
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
Dies ist der Reynolds’sche Transportsatz spezialisiert auf von Massen 
mitgeführten Volumina V. Hier ist a die Oberfläche der Masse mit nach außen 
gerichtetem, vektoriellem Oberflächenelement 
Wenn die Grenzen des Kontrollvolumens und der Masse zu einem Zeitpunkt übereinstimmen, dann kann aus dem allgemeinen Reynolds’schen Transportsatz und der spezialisieren, letzteren Version der lokale Anteil eliminiert werden:
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
Die materielle Zeitableitung des Inhalts einer Feldgröße in einem Volumen ist 
demnach gleich der zeitlichen Änderung im zeitabhängigen Volumen Vk 
und dem Transport über die wandernde Fläche ak mit einer 
Durchflussmenge, die von der Geschwindigkeitsdifferenz  
zwischen den Partikeln der Masse und der Fläche ak in Richtung der 
Flächennormalen bestimmt ist.
Einfluss von Sprungstellen
 
 
Die eingangs verlangte örtliche stetige Differenzierbarkeit des transportierten Feldes wird unter realen Verhältnissen verletzt, wenn beispielsweise Dichtesprünge an Materialgrenzen oder Stoßwellen auftreten. Solche flächigen Sprungstellen können jedoch im Transportsatz berücksichtigt werden, wenn die Fläche selbst örtlich stetig differenzierbar ist und so in jedem ihrer Punkte einen Normalenvektor besitzt. Die Fläche – im folgenden Sprungstelle genannt – muss keine materielle Fläche sein, kann sich also mit einer anderen Geschwindigkeit bewegen als die Masse selbst. Durch diese Fläche wird die Masse in zwei Stücke V+ und V− geteilt und es wird vereinbart, dass der Normalenvektor der Sprungstelle as in Richtung der Sprungstellengeschwindigkeit und das Volumen V+ weise, siehe Bild rechts.
Dann ergibt sich der Transportsatz für Fälle mit Sprungstelle aus der Tabelle.
| Skalarfeld | |
| Vektorfeld | 
Der neu hinzugekommene letzte Term integriert die Sprungfunktion über die Sprungstelle, beispielsweise:
Die Größe f+ ist der Wert des interessierenden Felds bei 
Annäherung an die Sprungstelle in V+, f− ist die Größe bei 
Annäherung an die Sprungstelle in V− und so macht das Feld auf der 
Fläche as den Sprung [[f]]:=f+ - f−. Gleiches 
gilt für die Geschwindigkeit, die beispielsweise bei einer Stoßwelle auf beiden 
Seiten der Sprungstelle verschieden sein kann. Die 
Sprungstellengeschwindigkeit  
und die Normale 
 
an die Sprungstelle – definiert mit 
 
– sind auf beiden Seiten der Sprungstelle identisch. Das Minuszeichen vor dem 
letzten Integral geht aus der Vereinbarung hervor, dass die Normale an die 
Sprungstelle und die Sprungstellengeschwindigkeit in das Volumen V+ 
weisen.
| Beweis | 
| Gegeben ist eine örtlich stetig differenzierbare Fläche as, 
      die sich mit der ihr eigenen Sprungstellengeschwindigkeit 
 | 
Fußnoten
- ↑ a 
  b 
  c 
  d 
  e 
  f 
  g 
  Die Fréchet-Ableitung 
  einer Funktion nach ist der beschränkte lineare Operator der - sofern er existiert - in alle Richtungen dem Gâteaux-Differential entspricht, also skalar-, vektor- oder tensorwertig aber und gleichartig. Dann wird auch 

 Wikipedia.de
 
    Wikipedia.de

© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.06. 2020