Kreuzprodukt
![](bilder/cross_product_parallelogram.png)
Das Kreuzprodukt, auch Vektorprodukt, vektorielles
Produkt oder äußeres Produkt, ist eine Verknüpfung
im dreidimensionalen euklidischen
Vektorraum, die zwei Vektoren
wieder einen Vektor zuordnet. Um es von anderen Produkten, insbesondere vom Skalarprodukt, zu
unterscheiden, wird es im deutsch- und englischsprachigen Raum mit einem Malkreuz
als Multiplikationszeichen geschrieben (vgl. Abschnitt Schreibweisen).
Die Bezeichnungen Kreuzprodukt und Vektorprodukt gehen auf den Physiker Josiah
Willard Gibbs zurück, die Bezeichnung äußeres Produkt wurde vom Mathematiker
Hermann
Graßmann geprägt.
Das Kreuzprodukt der Vektoren
und
ist ein Vektor, der senkrecht
auf der von den beiden Vektoren aufgespannten Ebene steht und mit ihnen ein Rechtssystem
bildet. Die Länge dieses Vektors entspricht dem Flächeninhalt
des Parallelogramms,
das von den Vektoren
und
aufgespannt wird.
In der Physik tritt das Kreuzprodukt an vielen Stellen auf, zum Beispiel im Elektromagnetismus bei der Berechnung der Lorentzkraft oder des Poynting-Vektors. In der klassischen Mechanik wird es bei Drehgrößen wie dem Drehmoment und dem Drehimpuls oder bei Scheinkräften wie der Corioliskraft benutzt.
Geometrische Definition
![](bilder/rhr.png)
Das Kreuzprodukt
von zwei Vektoren
und
im dreidimensionalen Anschauungsraum ist ein Vektor, der orthogonal zu
und
,
und damit orthogonal zu der von
und
aufgespannten Ebene ist.
Dieser Vektor ist so orientiert, dass
und
in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem
bilden. Mathematisch heißt das, dass die drei Vektoren
und
gleich orientiert sind wie die Vektoren
,
und
der Standardbasis. Im
physikalischen Raum bedeutet es, dass sie sich wie Daumen, Zeigefinger und
abgespreizter Mittelfinger der rechten Hand verhalten (Rechte-Hand-Regel).
Ein Drehen des ersten Vektors
in den zweiten Vektor
ergibt die positive Richtung des Vektors
über den Rechtsschraubensinn.
![Flächeninhalt Parallelogramm Kreuzprodukt.png](bilder/flaecheninhalt_Parallelogramm_Kreuzprodukt.png)
Der Betrag von
gibt den Flächeninhalt des von
und
aufgespannten Parallelogramms
an. Ausgedrückt durch den von
und
eingeschlossenen Winkel
gilt
Dabei bezeichnen
und
die Längen der Vektoren
und
,
und
ist der Sinus
des von ihnen eingeschlossenen Winkels
.
Zusammenfassend gilt also
wobei der Vektor
derjenige zu
und
senkrechte Einheitsvektor
ist, der diese zu einem Rechtssystem ergänzt.
Schreibweisen
Je nach Land sind für das Vektorprodukt zum Teil unterschiedliche
Schreibweisen gebräuchlich. Im englisch- und deutschsprachigen Raum wird für das
Vektorprodukt zweier Vektoren
und
für gewöhnlich die Schreibweise
verwendet, in Frankreich und Italien wird dagegen die Schreibweise
bevorzugt. In Russland wird das Vektorprodukt oft in der Schreibweise
oder
notiert.
Die Schreibweise
und die Bezeichnung äußeres Produkt werden nicht nur für das
Vektorprodukt verwendet, sondern auch für die Verknüpfung, die zwei Vektoren
einen sogenannten Bivektor zuordnet, siehe Graßmann-Algebra.
Komponentenweise Berechnung
In einem rechtshändigen kartesischen
Koordinatensystem bzw. im reellen
Koordinatenraum
mit dem Standardskalarprodukt
und der Standardorientierung gilt für das Kreuzprodukt:
Ein Zahlenbeispiel:
Eine Merkregel für diese Formel beruht auf einer symbolischen Darstellung
über die Determinante.
Dabei notiert man eine -Matrix,
in deren erster Spalte die Symbole
,
und
für die Standardbasis
stehen. Die zweite Spalte wird von den Komponenten des Vektors
und die dritte von denen des Vektors
gebildet. Diese Determinante berechnet man nach den üblichen Regeln, zum
Beispiel indem man sie nach der ersten Spalte entwickelt
oder mit Hilfe der Regel von Sarrus:
Mit dem Levi-Civita-Symbol
schreibt sich das Kreuzprodukt als
Eigenschaften
Bilinearität
Das Kreuzprodukt ist bilinear,
das heißt, für alle reellen Zahlen ,
und
und alle Vektoren
,
und
gilt
Die Bilinearität impliziert insbesondere auch das folgende Verhalten hinsichtlich der Skalarmultiplikation
Alternierende Abbildung
Das Kreuzprodukt eines Vektors mit sich selbst oder einem kollinearen Vektor ergibt den Nullvektor
.
Bilineare Abbildungen, für die diese Gleichung gilt, werden alternierend genannt.
Antikommutativität
Das Kreuzprodukt ist antikommutativ. Das heißt, bei Vertauschung der Argumente wechselt es das Vorzeichen:
Dies folgt aus der Eigenschaft, (1) alternierend und (2) bilinear zu sein, da
für alle
gilt.
Jacobi-Identität
Das Kreuzprodukt ist nicht assoziativ. Stattdessen gilt die Jacobi-Identität, das heißt die zyklische Summe wiederholter Kreuzprodukte verschwindet:
Aufgrund dieser Eigenschaft und den zuvor genannten bildet der
zusammen mit dem Kreuzprodukt eine Lie-Algebra.
Beziehung zur Determinante
Für jeden Vektor
gilt:
.
Dabei bezeichnet der Malpunkt das Skalarprodukt. Durch diese Bedingung ist das Kreuzprodukt eindeutig bestimmt:
Für jeden Vektor
gilt: Sind zwei Vektoren
und
gegeben, so gibt es genau einen Vektor
,
so dass
für alle Vektoren
gilt. Dieser Vektor
ist
.
Graßmann-Identität
Für das wiederholte Kreuzprodukt von drei Vektoren (auch doppeltes Vektorprodukt genannt) gilt die Graßmann-Identität (auch Graßmannscher Entwicklungssatz, nach Hermann Graßmann). Diese lautet:
bzw.
wobei die Malpunkte das Skalarprodukt bezeichnen. In der Physik wird oft die Schreibweise
verwendet. Nach dieser Darstellung wird die Formel auch BAC-CAB-Formel genannt. In Indexschreibweise lautet die Graßmann-Identität:
.
Hierbei ist
das Levi-Civita-Symbol
und
das Kronecker-Delta.
Lagrange-Identität
Für das Skalarprodukt von zwei Kreuzprodukten gilt
Für das Quadrat der Norm erhält man hieraus
also gilt für den Betrag des Kreuzproduktes:
Da ,
der Winkel zwischen
und
,
immer zwischen 0° und 180° liegt, ist
Kreuzprodukt aus zwei Kreuzprodukten
Sonderfälle:
Kreuzproduktmatrix
Das Kreuzprodukt definiert für einen festen Vektor
eine lineare
Abbildung, die einen Vektor
auf den Vektor
abbildet. Diese kann mit einem schiefsymmetrischen Tensor zweiter Stufe identifiziert
werden. Bei Verwendung der Standardbasis
entspricht die lineare Abbildung einer Matrixoperation.
Die schiefsymmetrische
Matrix
mit
leistet das Gleiche wie das Kreuzprodukt mit ,
d. h.
:
.
Die Matrix
heißt Kreuzproduktmatrix. Sie wird auch mit
bezeichnet.
Bei gegebener schiefsymmetrischer Matrix
gilt
,
wobei
die Transponierte
von
ist, und man erhält den zugehörigen Vektor aus
.
Hat
die Gestalt
,
so gilt für die zugehörige Kreuzproduktmatrix:
und
für alle
.
Hierbei bezeichnet „“
das dyadische
Produkt.
Polare und axiale Vektoren
Bei der Anwendung des Kreuzprodukts auf vektorielle physikalische Größen spielt die Unterscheidung in polare oder Schubvektoren (das sind solche, die sich wie Differenzen zweier Ortsvektoren verhalten, zum Beispiel Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kraft, elektrische Feldstärke) einerseits und axiale oder Drehvektoren, auch Pseudovektoren genannt, anderererseits (das sind solche, die sich wie Drehachsen verhalten, zum Beispiel Winkelgeschwindigkeit, Drehmoment, Drehimpuls, magnetische Flussdichte) eine wichtige Rolle.
Polaren oder Schubvektoren ordnet man dabei die Signatur (oder Parität) +1 zu, axialen oder Drehvektoren die Signatur −1. Bei der vektoriellen Multiplikation zweier Vektoren schließlich multiplizieren sich diese Signaturen: zwei Vektoren mit gleicher Signatur liefern ein axiales, zwei mit verschiedener Signatur ein polares Vektorprodukt. Operationell ausgedrückt: Ein Vektor überträgt seine Signatur auf des Kreuzprodukt mit einem anderen Vektor, wenn dieser axial ist; ist der andere Vektor dagegen polar, bekommt das Kreuzprodukt die entgegengesetzte Signatur.
Vom Kreuzprodukt abgeleitete Operationen
Spatprodukt
Die Kombination von Kreuz- und Skalarprodukt in der Form
wird als Spatprodukt bezeichnet. Das Ergebnis ist eine Zahl, die dem orientierten Volumen des durch die drei Vektoren aufgespannten Spats (Parallelepipeds) entspricht. Das Spatprodukt lässt sich auch als Determinante der benannten drei Vektoren darstellen
Rotation
In der Vektoranalysis
wird das Kreuzprodukt zusammen mit dem Nabla-Operator
verwendet, um den Differentialoperator
„Rotation“ zu bezeichnen. Ist
ein Vektorfeld im
,
so ist
wieder ein Vektorfeld, die Rotation von .
Formal wird dieses Vektorfeld also als Kreuzprodukt des Nabla-Operators und
des Vektorfelds
berechnet. Die hierbei auftretenden Ausdrücke
sind jedoch keine Produkte, sondern Anwendungen des Differentialoperators
auf die Funktion
.
Deshalb sind die oben angeführten Rechenregeln wie z.B. die
Graßmann-Identität in diesem Fall nicht gültig. Stattdessen gelten für doppelte
Kreuzprodukte mit dem Nabla-Operator besondere
Rechenregeln.
Kreuzprodukt im n-dimensionalen Raum
Das Kreuzprodukt lässt sich für beliebige Dimension
auf den n-dimensionalen Raum
verallgemeinern. Dabei ist das Kreuzprodukt im
kein Produkt von zwei Faktoren, sondern von
Faktoren.
Das Kreuzprodukt
der Vektoren
ist dadurch charakterisiert, dass für jeden Vektor
gilt
In Koordinaten lässt sich das Kreuzprodukt im
wie folgt berechnen. Es sei
der zugehörige
-te
kanonische
Einheitsvektor. Für
Vektoren
gilt
analog zu der oben erwähnten Berechnung mit Hilfe einer Determinante.
Der Vektor
ist orthogonal zu
.
Die Orientierung ist so, dass die Vektoren
in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden. Der Betrag von
ist gleich dem
-dimensionalen
Volumen des von
aufgespannten Parallelotops.
Für
erhält man dabei kein Produkt, sondern nur eine lineare Abbildung
,
die Rotation um 90° im Uhrzeigersinn.
Hieran ist auch zu erkennen, dass die Komponentenvektoren des Kreuzprodukts
inklusive des Ergebnisvektors in dieser Reihenfolge – anders als aus dem
gewohnt – im Allgemeinen kein Rechtssystem bilden; diese entstehen nur in
reellen Vektorräumen mit ungeradem
,
bei geraden
bildet der Ergebnisvektor mit den Komponentenvektoren ein Linkssystem. Dies
liegt wiederum daran, dass die Basis
in Räumen geradzahliger Dimension nicht dasselbe ist wie die Basis
,
die per Definition (siehe oben) ein Rechtssystem
ist. Zwar würde eine kleine Veränderung der Definition dazu führen, dass die
Vektoren in der erstgenannten Reihenfolge im
stets ein Rechtssystem bilden, nämlich wenn in der symbolischen Determinante die
Spalte der Einheitsvektoren ganz nach rechts gesetzt würde, diese Definition hat
sich allerdings nicht durchgesetzt.
Eine noch weitergehende Verallgemeinerung führt auf die Graßmann-Algebren. Anwendung finden diese Algebren etwa in Formulierungen der Differentialgeometrie, welche die rigorose Beschreibung der klassischen Mechanik (Symplektische Mannigfaltigkeiten), der Quantengeometrie sowie in allererster Linie der Allgemeinen Relativitätstheorie erlaubt. In der Literatur wird das Kreuzprodukt im höherdimensionalen und ggf. gekrümmten Raum meist indexweise mit Levi-Civita-Symbol ausgeschrieben.
Anwendungen
Das Kreuzprodukt findet Anwendung in vielen Bereichen der Mathematik und Physik, unter anderem bei folgenden Themen:
- Berechnung des Drehmoments, des Drehimpulses, der Corioliskraft, der Lorentzkraft
- Abstandsformel für windschiefe Geraden
Literatur
- Gerd Fischer: Lineare Algebra, Vieweg-Verlag, ISBN 3-528-97217-3.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 23.10. 2022