Fréchet-Ableitung
Die Fréchet-Ableitung (nach Maurice
René Fréchet) verallgemeinert den Begriff der Ableitung aus der üblichen Differentialrechnung
im
auf normierte
Räume. Bei Abbildungen zwischen endlichdimensionalen Räumen ergibt sich aus
diesem Differenzierbarkeitsbegriff der übliche Begriff der totalen
Differenzierbarkeit.
Definition
![](bilder/frechet_ableitung_beziehung_der_abbildungen.png)
Es seien
und
zwei normierte Räume und
eine offene Teilmenge. Ein Operator
heißt Fréchet-differenzierbar an der Stelle
,
wenn es einen beschränkten linearen
Operator
derart gibt, dass
gilt. Der Operator
heißt Fréchet-Ableitung von
an der Stelle
.
Existiert die Fréchet-Ableitung für alle
,
dann heißt die Abbildung
mit
die Fréchet-Ableitung von
auf
.
Mit
wird der Raum der stetigen linearen Abbildungen von
nach
bezeichnet.
Äquivalente Definition
Eine äquivalente Definition ist:
Zu jedem
gibt es ein
so, dass für alle
mit
gilt
.
Dies lässt sich auch kurz mit Hilfe der Landau-Symbole schreiben:
für
.
Beispiele
Lineare Operatoren
Für endlichdimensionale normierte Räume
sind alle linearen Operatoren
Fréchet-differenzierbar mit konstanter Ableitung. An jedem Punkt ist die
Ableitung der lineare Operator selbst:
für alle
.
Im unendlichdimensionalen Fall sind unter den linearen Operatoren genau die beschränkten (=stetigen) Fréchet-differenzierbar. Unbeschränkte lineare Operatoren sind nicht Fréchet-differenzierbar.
Reellwertige Funktionen
Ist
eine reellwertige
Funktion, die auf einer offenen Menge
definiert ist, und besitzt
stetige partielle
Ableitungen, dann ist
auch Fréchet-differenzierbar. Die Ableitung an der Stelle
wird durch den üblichen Gradienten
von
gegeben gemäß:
Dieses Beispiel zeigt den Zusammenhang zur üblichen Differentialrechnung im
.
Die Fréchet-Ableitung ist also tatsächlich eine Verallgemeinerung der
Differentialrechnung für normierte Räume.
Integraloperator
Sei ,
stetig und
stetig und im zweiten Argument stetig differenzierbar. Der nichtlineare Integraloperator
definiert durch
ist fréchet-differenzierbar. Seine Ableitung
lautet
Aufgrund des Mittelwertsatzes der Differentialrechnung gilt nämlich
mit
und wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von
auf
gilt
für .
Für
gilt also
was die Darstellung der Ableitung beweist.
Rechenregeln
Es lassen sich die üblichen Rechenregeln für die totale Ableitung im
auch für die Fréchet-Ableitung zeigen. Folgende Gleichungen gelten, sofern sie
im Sinne obiger Definition sinnvoll sind, insbesondere also die vorkommenden
Abbildungen an den entsprechenden Stellen differenzierbar sind:
.
- Kettenregel:
. Das Produkt
ist hierbei im Sinne der Multiplikation (Hintereinanderausführung) linearer Abbildungen zu verstehen.
- Ist
ein stetiger, linearer Operator, so ist A überall differenzierbar und es gilt
. Zusammen mit der Kettenregel ergibt sich daraus die Folgerung, dass man stetige, lineare Operatoren aus der Ableitung herausziehen darf:
und
.
- Produktregel: Ist
eine stetige, n-fach lineare Abbildung, so ist
Zusammenhang zwischen Fréchet- und Gâteaux-Ableitung
Sei
an der Stelle
Fréchet-differenzierbar, dann existiert für jede beliebige Richtung
das Gâteaux-Differential
und es gilt:
.
Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.
Außerdem existiert dann die Gâteaux-Ableitung von
an der Stelle
,
die im Folgenden mit
bezeichnet wird, und es gilt:
.
Auch hier gilt die Umkehrung im Allgemeinen nicht. Unter folgenden Bedingungen gilt auch die Umkehrung:
Falls
in einer Umgebung
von
Gâteaux-differenzierbar ist, das heißt das Gâteaux-Differential in jedem
Punkt der Umgebung stetig und linear ist, und die Abbildung
gegeben durch
im Punkt
stetig ist bezüglich der Operatornorm
auf
,
so ist
im Punkt
Fréchet-differenzierbar.
Diese Bedingung ist nicht notwendig. Etwa existieren schon im Eindimensionalen total differenzierbare Funktionen, die nicht stetig differenzierbar sind.
Anwendungsbeispiel
Die Fréchet-Ableitung kann z.B. zur Lösung sogenannter inverser Randwertprobleme im Rahmen eines Newton-Verfahrens verwendet werden. Als Beispiel für diese Anwendung betrachten wir ein inverses Randwertproblem zur Laplace-Gleichung:
Es sei
ein unbekanntes Gebiet. Wir betrachten das äußere Dirichlet-Problem,
bei dem die Randwerte auf
durch eine Quelle im Punkt
gegeben sind. Dann erfüllt die beschränkte
und zweimal stetig differenzierbare Funktion
in
die Laplace-Gleichung:
und die Dirichlet Randbedingung:
Mit
bezeichnen wir die Fundamentallösung
zur Laplace-Gleichung, die eine Punktquelle im Punkt
beschreibt.
Beim inversen Randwertproblem gehen wir von einem zweiten (bekannten) Gebiet
aus, welches
enthält. Auf dem Rand
von
messen wir die Werte der Lösung
des direkten Dirichlet-Problems. Wir kennen also die Spur
.
Unser Ziel ist nun den unbekannten Rand
von
aus der Kenntnis dieser Spur zu rekonstruieren.
Dieses Problem lässt sich formal durch einen Operator
beschreiben, der den unbekannten Rand
auf die bekannte Spur
abbildet. Wir müssen also folgende nichtlineare Gleichung lösen:
Diese Gleichung kann z.B. mit Hilfe des Newton-Verfahrens linearisiert
werden. Dazu schränken wir uns auf Gebiete
ein, dessen Rand wie folgt dargestellt werden kann:
Wir suchen nun also die unbekannte Radiusfunktion .
Die linearisierte Gleichung (das Newton-Verfahren) sieht dann wie folgt aus:
Hierbei bezeichnet
die Fréchet-Ableitung des Operators
(die Existenz der Fréchet-Ableitung für
kann gezeigt werden und
kann über ein direktes Randwertproblem bestimmt werden!). Diese Gleichung wird
dann nach
aufgelöst, wobei wir mit
eine neue Näherung an den unbekannten gesuchten Rand gefunden haben.
Anschließend kann mit dieser Näherung das Verfahren iteriert werden.
Literatur
- Rainer Kress: Linear Integral Equations. Second Edition. Springer 1998, ISBN 0-387-98700-2.
- Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 2. Teubner, Stuttgart/Leipzig, ISBN 3-519-42232-8.
- Henri Cartan: Differentialrechnung. Bibliographisches Institut AG, Zürich 1974, ISBN 3-411-01442-3.
![Trenner](/button/corpdivider.gif)
![Extern](/button/extern.png)
![Seitenende](/button/stonrul.gif)
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.08. 2022