Tyrosin

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H:
  • Verursacht Hautreizungen.
  • Verursacht schwere Augenreizung.
  • Kann die Atemwege reizen.
P:
  • Einatmen von Staub / Rauch / Gas / Nebel / Dampf / Aerosol vermeiden.
  • ​Bei Kontakt mit den Augen: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser spülen. Eventuell vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter spülen.
Toxikologische Daten 5110 mg/kg (LD50Mausoral)

Tyrosin (abgekürzt Tyr oder Y) ist in seiner natürlichen L-Form eine nichtessentielle proteinogene α-Aminosäure, die in den meisten Proteinen vorkommt. Tyrosin ist Ausgangssubstanz für die Biosynthese von DOPA, Katecholaminen (z.B. Dopamin), Melanin, Thyroxin und Tyramin. Die Biosynthese erfolgt in vielen Tieren aus der essentiellen Aminosäure Phenylalanin, eine Beeinträchtigung dieses Weges kann vielfältige Defekte auslösen.

Strukturformel
L-Tyrosin
Struktur von L-Tyrosin, dem natürlich vorkommenden Isomer
Allgemeines
Name Tyrosin
Andere Namen
Summenformel C9H11NO3
Kurzbeschreibung farblose, seidig glänzende Nadeln
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 60-18-4 (L-Tyrosin)
  • 556-02-5 (D-Tyrosin)
  • 556-03-6 (DL-Tyrosin)
EG-Nummer 200-460-4
ECHA-InfoCard 100.000.419
PubChem 6057
ChemSpider 5833
DrugBank DB00135
Eigenschaften
Molare Masse 181,19 g/mol
Aggregatzustand fest
Dichte 1,46 g/cm3 (25 °C)
Schmelzpunkt 342–344 °C (Zersetzung)
pKS-Wert
  • pKS, COOH = 2,20
  • pKS, NH3+ = 9,11
  • pKS, Ph-OH = 10,07
  • pI = 5,66
Löslichkeit
  • leicht löslich in Säuren und Laugen
  • schwer löslich in Wasser (0,38 g/l bei 20 °C)
  • nahezu unlöslich in Ethanol, Ether und Aceton

Isomere

Tyrosin besitzt ein Stereozentrum, somit existieren zwei Enantiomere. Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „Tyrosin“ ohne weiteren Namenszusatz (Präfix) erwähnt wird, ist das natürlich vorkommende L-Tyrosin gemeint.

Enantiomere von Tyrosin
Name L-Tyrosin D-Tyrosin
Andere Namen (S)-(−)-Tyrosin (R)-(+)-Tyrosin
Strukturformel L-Tyrosin D-Tyrosin
CAS-Nummer 60-18-4 556-02-5
556-03-6 (unspez.)
EG-Nummer 200-460-4 209-112-6
209-113-1 (unspez.)
ECHA-Infocard 100.000.419 100.008.285
100.008.286 (unspez.)
PubChem 6057 71098
1153 (unspez.)
DrugBank DB00135
− (unspez.)

Vorkommen

L-Tyrosin wurde 1846 aus Käse isoliert und danach benannt

L-Tyrosin wurde von Justus von Liebig 1846 erstmals als Proteinbestandteil von Käse (altgriechisch τύρος týros ‚Käse‘) charakterisiert, daher leitet sich auch der Name ab. Es kommt in großen Mengen im Casein vor.

Die folgenden Beispiele geben einen Überblick über Tyrosingehalte und beziehen sich jeweils auf 100 g des Lebensmittels, zusätzlich ist der prozentuale Anteil von Tyrosin am Gesamtprotein angegeben:

Lebensmittel je 100 g Protein Tyrosin Anteil
Schweinefleisch, roh 20,95 g 0 797 mg 3,8 %
Hähnchenbrustfilet, roh 21,23 g 0 765 mg 3,6 %
Lachs, roh 20,42 g 0 759 mg 3,7 %
Hühnerei 12,56 g 0 499 mg 4,0 %
Kuhmilch, 3,7 % Fett 0 3,28 g 0 158 mg 4,8 %
Kürbiskerne 30,23 g 1093 mg 3,6 %
Walnüsse 15,23 g 0 406 mg 2,7 %
Weizenmehl 10,33 g 0 312 mg 3,0 %
Mais-Vollkornmehl 0 6,93 g 0 282 mg 4,1 %
Reis, ungeschält 0 7,94 g 0 298 mg 3,8 %
Sojabohnen, getrocknet 36,49 g 1539 mg 4,2 %
Erbsen, getrocknet 24,55 g 0 711 mg 2,9 %

Alle diese Nahrungsmittel enthalten praktisch ausschließlich chemisch gebundenes L-Tyrosin als Proteinbestandteil, jedoch kein freies L-Tyrosin.

Eigenschaften

Als Monomer

Abhängig vom pH-Wert kann Tyrosin als „inneres Salz“ bzw. Zwitterion vorliegen. Das Proton der Carboxygruppe lagert sich hierbei an das freie Elektronenpaar des Stickstoffatoms der Aminogruppe an:

L-Tyrosin (links) und D-Tyrosin als Zwitterionen

Die Zwitterionen wandern nicht im elektrischen Feld, da sie nach außen hin ungeladen sind. Der isoelektrische Punkt liegt bei pH = 5,66 für Tyrosin; es hat bei diesem pH-Wert seine geringste Löslichkeit in Wasser.

Isoliertes L-Tyrosin fluoresziert – wie viele andere aromatische Verbindungen – bei Anregung mit UV-Licht.

Tyrosin bildet mit einer geeigneten Diazo-Komponente einen roten Azofarbstoff und lässt sich auf diese Weise mit der Pauly-Reaktion qualitativ nachweisen.

In Proteinen

Das L-Tyrosin ist eine proteinogene Aminosäure. Es wird als Baustein für den Aufbau zahlreicher Proteine bei der Translation benötigt.

Eine besondere Bedeutung hat das L-Tyrosin in Proteinen, die an Signaltransduktionsprozessen beteiligt sind. Es fungiert hier als Empfänger von Phosphat-Gruppen, die durch Proteinkinasen übertragen werden und das Zielprotein, eines Rezeptors in seiner Aktivität verändern (siehe Rezeptor-Tyrosinkinasen).

Eine wichtige Rolle spielt L-Tyrosin auch bei der Photosynthese, indem es im Photosystem II als Elektronendonor das oxidierte Chlorophyll reduziert. Es verliert hierbei zunächst das Proton seiner phenolischen OH-Gruppe, wird zu einem neutralen Radikal, und wird dann vom im Photosystem II befindlichen vierkernigen Mangancluster wieder reduziert.

Metabolismus

Biogenese

Biosynthese von Tyrosin aus Prephenat im Shikimisäureweg

Pflanzen und die meisten Mikroorganismen synthetisieren Tyrosin im Shikimisäureweg über Chorisminsäure. Nach der Umlagerung von Chorismat in Prephenat entsteht mittels einer Prephenatdehydrogenase das 4-Hydroxyphenylpyruvat, aus dem durch Transaminierung unter Wirkung einer Transaminase dann Tyrosin gebildet wird.

Im tierischen Organismus entsteht Tyrosin durch Biopterin-abhängige 4-Hydroxylierung am Phenylring von L-Phenylalanin. Das diese Reaktion katalysierende Enzym ist die Phenylalaninhydroxylase (EC 1.14.16.1), eine Monooxygenase. Dabei wird ein Sauerstoffmolekül (O2) benötigt und bei dieser Reaktion entsteht ein Wassermolekül (H2O). Das Vorprodukt, die essentielle Aminosäure L-Phenylalanin, wird mit der Nahrung aufgenommen.

Infolge einer Phenylketonurie (PKU) kann es zu einem Mangel an L-Tyrosin kommen. Über Nahrung aufgenommenes L-Phenylalanin kann dabei nicht korrekt in der para-Stellung hydroxyliert werden, sodass kein L-Tyrosin aus Phenylalanin gebildet werden kann. In diesem Fall muss L-Tyrosin dem Körper zugeführt werden.

Biosynthese von Tyrosin aus Phenylalanin sowie biologisch bedeutsame Derivate

Präkursor

Tyrosin dient als Ausgangsstoff (Präkursor) für die Biosynthese verschiedener anderer Stoffe.

DOPA ist wiederum Präkursor für verschiedene Neurotransmitter sowie für Melanin. Im Nebennierenmark ermöglicht die Decarboxylase die Produktion der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin, die als Botenstoffe an das Blut abgegeben werden. Die Produktion von Dopamin aus DOPA erfolgt membranständig in Nervenzellen. Melanin aus DOPA wird insbesondere von Melanocyten der Haut produziert und abgegeben sowie in den Pigmentzellen der Augen, wo es eingelagert bleibt.

Pathophysiologie

Bei nitrosativem Stress wird aus Peroxinitrit und Tyrosin mittels nukleophiler aromatischer Substitution Nitrotyrosin gebildet. Nitrotyrosin dient in der Labordiagnostik als Biomarker für nitrosativen Stress beziehungsweise Apoptose (programmierter Zelltod).

Abbau

Der Abbau von L-Tyrosin (para-Hydroxyphenylalanin) beginnt mit einer α-Ketoglutarat-abhängigen Transaminierung durch die L-Tyrosin-Transaminase (EC 2.6.1.5) zu p-Hydroxyphenylpyruvat.

Der Abbau des L-Tyrosins in Acetacetat und Fumarat. Für den Abbauweg werden zwei Dioxygenasen benötigt. Die Endprodukte können in den Citratzyklus einfließen.

Den nächsten Schritt katalysiert die 4-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase (EC 1.13.11.27) unter Einbau von Sauerstoff und Abspaltung von CO2 zum Homogentisat (2,5-Dihydroxyphenyl-1-acetat). Um den aromatischen Ring des Homogentisats zu spalten, wird eine weitere Dioxygenase, die Homogentisat-Oxigenase (EC 1.13.11.5), benötigt. Dabei entsteht durch Einlagerung eines weiteren O2-Moleküls das Maleylacetacetat.

Mit der Maleylacetacetat-cis-trans-Isomerase (EC 5.2.1.2) entsteht in diesem Fall Fumarylacetat durch Rotation der durch Oxidation (aus der Hydroxygruppe) entstandenen Carboxygruppe. Diese cis-trans-Isomerase enthält Glutathion als Koenzym. Fumarylacetacetat kann schließlich durch die Fumarylacetacetat-Hydrolase durch Wassereinlagerung gespalten werden.

Dabei werden Fumarat (auch ein Metabolit des Citrat-Zyklus) und Acetacetat (Butan-(3)-on-Säure) frei. Acetacetat ist ein Ketonkörper, welcher mit Succinyl-CoA aktiviert wird, und danach in zwei Moleküle Acetyl-CoA (für Citratzyklus und Fettsäuresynthese) umgesetzt werden kann.

Anwendungen

Tyrosin ist ein Vorläufer von Neurotransmittern, insbesondere Dopamin und Noradrenalin. Durch vermehrte Zufuhr von Tyrosin kann deren Synthese vorübergehend deutlich gesteigert werden, für etwa eine halbe Stunde. Auf die Stimmungslage hat dies aber nur geringen Einfluss. Der für die Umwandlung im Stoffwechsel geschwindigkeitsbestimmende Schritt wird durch die TyrosinhydroxylaseTyrosinhydroxylase katalysiert und limitiert, weshalb die Effekte geringer als bei Zufuhr von L-DOPA ausfallen. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass deren Enzymaktivität bei hohen Dosen von Tyrosin durch Substratüberschusshemmung stark abnimmt, sodass der Dopaminspiegel absinkt.

Einige Studien fanden einen Nutzen unter Stressbelastung, Kälte oder Übermüdung. Eine Steigerung des Leistungsvermögens im Ausdauersport (anderthalbstündiges Radfahren) durch Tyrosinaufnahme konnte nicht festgestellt werden, hingegen durch Kohlenhydrataufnahme.

Die diätetische Zuführung von L-Tyrosin dient als Substitutionstherapie oder Supplementation bei Mangel, so z.B. bei Phenylketonurie, da ansonsten eine Unterproduktion von Melanin (Albinismus) und L-Thyroxin (Kretinismus) resultiert. Zudem können Probleme bei der Herstellung von Katecholaminen bestehen.

Daneben wird L-Tyrosin aufgrund seiner Protein-adsorbierenden Eigenschaften seit Jahren als adjuvanter Depotträger bei der spezifischen Subkutanen Immuntherapie (SCIT) eingesetzt. L-Tyrosin zeichnet sich gegenüber anderen Depotträgern wie Aluminiumhydroxid oder Calciumphosphat dabei unter anderem durch den Vorteil der vollständigen Metabolisierbarkeit und eine geringere Halbwertszeit von 48 Stunden an der Injektionsstelle aus.

Im Schulunterricht kann Tyrosin als Ersatzstoff für giftige Amine gemäß RiSU zur Herstellung von Azofarbstoffen verwendet werden.

Herstellung

Die saure Hydrolyse keratinhaltiger Proteine (Haare, Klauen/Nägel, Federn) ergibt nach der Neutralisation ein Proteinhydrolysat, das aus den etwa 20 proteinogenen α-Aminosäuren besteht. Daraus lässt sich eine L-Cystin- und L-Tyrosin-reiche Fraktion einfach durch Abtrennung der gut wasserlöslichen Aminosäuren gewinnen, da L-Cystin- und L-Tyrosin sich nur wenig in Wasser lösen. L-Tyrosin wird nach dieser einfachen Trennmethode kommerziell gewonnen.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 14.08. 2024