Viererimpuls
Als Viererimpuls oder auch Energie-Impuls-Vektor eines Teilchens oder Systems bezeichnet man in der relativistischen Physik zusammenfassend seine Energie und seinen Impuls in Form eines Vierervektors, d.h. eines Vektors mit vier Komponenten. Der Viererimpuls ist eine Erhaltungsgröße, d.h., er bleibt konstant, solange das Teilchen oder System keine Einwirkungen von außen erfährt.
Energie-Impuls-Relation
In Maßeinheiten,
in denen die Lichtgeschwindigkeit
den dimensionslosen
Wert
hat, ergibt sich folgende Formel für den Zusammenhang zwischen Energie
und Impuls
eines Teilchens der Masse
mit Geschwindigkeit
:
Das Längenquadrat des Viererimpulses ist – unabhängig von der Geschwindigkeit – immer gleich dem Quadrat der Masse (und daher – wie jeder Skalar bzw. jedes Skalarprodukt von Vierervektoren – invariant unter Lorentztransformation):
Diese für die relativistische Kinematik grundlegende
Energie-Impuls-Relation oder Energie-Impuls-Beziehung bedeutet
geometrisch, dass die möglichen Viererimpulse
von Teilchen der Masse
im vierdimensionalen Impulsraum aller
auf der durch die Gleichung
beschriebenen dreidimensionalen Hyperfläche (einem zweischaligen Hyperboloid) liegen, deren Asymptoten den Lichtkegel des Impulsraumes bilden. Weil ein Viererimpuls stets zukunftsgerichtet ist (d.h. im Inneren des Vorwärtslichtkegels liegt), kommt allerdings nur eine der beiden Schalen des Hyperboloids in Frage, und zwar die durch die Gleichung
beschriebene sog. Massenschale.
Herleitung der Geschwindigkeitsabhängigkeit von Energie und Impuls
Wie die Energie und der Impuls eines Teilchens der Masse
von seiner Geschwindigkeit
abhängen, ergibt sich in der Relativitätstheorie daraus, dass Energie und Impuls
für jeden Beobachter additive Erhaltungsgrößen sind. Wir bezeichnen sie
zusammenfassend mit
.
Wenn einem Teilchen eine additive Erhaltungsgröße
zukommt und einem anderen Teilchen die Erhaltungsgröße
,
dann kommt dem System beider Teilchen die Erhaltungsgröße
zu.
Auch ein bewegter Beobachter stellt bei beiden Teilchen Erhaltungsgrößen
und
fest, allerdings haben sie nicht unbedingt dieselben, sondern transformierte
Werte. Es muss aber gelten, dass die Summe dieser Werte das Transformierte der
Summe ist:
Ebenso kommt (für alle Zahlen )
einem vervielfachten System mit Erhaltungsgröße
für den bewegten Beobachter die vervielfachte Erhaltungsgröße
zu. Das besagt mathematisch, dass die Erhaltungsgrößen, die ein bewegter
Beobachter misst, durch eine lineare
Transformation
mit den Erhaltungsgrößen des ruhenden Beobachters zusammenhängen.
Die lineare Transformation ist dadurch eingeschränkt, dass solch eine
Gleichung für jedes Paar von Beobachtern gelten muss, wobei die Bezugssysteme der
Beobachter durch Lorentztransformationen
und Verschiebungen auseinander hervorgehen. Hängen die Bezugssysteme vom ersten
und zweiten Beobachter durch
und vom zweiten zu einem dritten durch
zusammen, dann hängt das Bezugssystem vom ersten mit dem dritten durch
zusammen. Genauso müssen die zugehörigen Transformationen der Erhaltungsgrößen
erfüllen.
Im einfachsten Fall ist .
Da Lorentztransformationen
-Matrizen
sind, betrifft also das einfachste, nichttriviale Transformationsgesetz, bei dem
nicht einfach
gilt, vier Erhaltungsgrößen
,
die wie die Raumzeitkoordinaten als
Vierervektor transformieren:
Im Vorgriff auf das Ergebnis unserer Betrachtung nennen wir diesen Vierervektor den Viererimpuls.
Insbesondere ändert sich ein ruhendes Teilchen nicht bei Drehungen. Daher
ändern sich auch nicht diejenigen Komponenten seines Viererimpulses ,
die wie ein dreidimensionaler Ortsvektor
bei Drehungen in einen gedrehten Vektor übergehen. Der einzige solche Vektor ist
aber der Nullvektor. Also hat der
Viererimpuls
eines ruhenden Teilchen einen Wert
Die Bezeichnung
ist im Vorgriff auf das spätere Ergebnis gewählt, steht hier aber zunächst für
irgendeinen Wert.
Für einen entlang der -Achse
bewegten Beobachter hat das Teilchen eine Geschwindigkeit
und einen lorentztransformierten Viererimpuls (wir rechnen einfachheitshalber in
Maßsystemen mit
):
Entwickelt man die vier Erhaltungsgrößen nach der Geschwindigkeit:
und vergleicht man mit Newtons Mechanik, so enthüllt sich die physikalische Bedeutung der Komponenten des Viererimpulses: die erste Komponente ist die Energie und die drei Komponenten, die sich bei Drehungen wie ein Ortsvektor ändern, sind der Impuls:
So wie in Newtons Mechanik nennt man den geschwindigkeitsunabhängigen
Parameter
in der Relation, die den Impuls eines Teilchens als Funktion seiner
Geschwindigkeit angibt, die Masse. Sie muss allen Beobachtungen nach positiv
sein.
Betrachtung in SI-Einheiten
Die im ersten Abschnitt angegebene Gleichung für den Viererimpuls gilt so
nur, wenn die Lichtgeschwindigkeit den dimensionslosen Wert
hat. In anderen Maßsystemen ist der Faktor
so einzufügen:
Daher ist die Energie:
mit dem Lorentzfaktor
Sie ist nach unten beschränkt durch die Ruheenergie:
Der relativistische Impuls ist:
Die relativistische Energie-Impuls-Beziehung ergibt sich aus dem Quadrat der Energie:
mit der Zuordnung
Spaltet man die Masse vom Viererimpuls ab, so verbleibt die
Vierergeschwindigkeit :
Sie ist die Ableitung
der Weltlinie ,
die das Teilchen durchläuft, nach seiner Eigenzeit
:
d.h., die Vierergeschwindigkeit ist der normierte Tangentialvektor an die Weltlinie:
Das Differential
der Eigenzeit ist - im Gegensatz zu
- eine skalare Größe und ergibt den Nenner
.
Anwendung: Bewegungsgleichung und der Kraft/Leistung-Vierervektor
Im mitbewegten System ist
und bleibt Null, solange keine Kraft
einwirkt. Falls jedoch während einer Zeit
eine Kraft
ausgeübt und gleichzeitig eine externe Leistung L
zugeführt wird, erhöhen sich sowohl die Geschwindigkeit als auch die Energie des
Teilchens (im selben Bezugssystem wie zuvor!). Durch den Kraftstoß und die
Leistungszufuhr gilt dann als Bewegungsgleichung:
Die rechte Seite dieser Gleichung definiert den Kraft-Leistung-Vierervektor. Es wird also u.a. die Ruheenergie des Systems erhöht von mc2 auf mc2 + L δτ (d.h., die Masse wird leicht erhöht; vgl. Äquivalenz von Masse und Energie). Gleichzeitig wird durch den Kraftstoß die Geschwindigkeit - und somit die kinetische Energie - erhöht. Dabei wird vorausgesetzt, dass die von Null ausgehende Geschwindigkeit nach der Erhöhung immer noch klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit bleibt, sodass im mitbewegten System die Newtonsche Physik gültig ist.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 12.03. 2021