Fast sichere Konvergenz
Die fast sichere Konvergenz, auch P-fast sichere Konvergenz oder fast sichere punktweise Konvergenz ist ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Die fast sichere Konvergenz ist neben der Konvergenz im p-ten Mittel, der stochastischen Konvergenz und der Konvergenz in Verteilung einer der vier Konvergenzbegriffe für Folgen von Zufallsvariablen und ist das wahrscheinlichkeitstheoretische Pendant zur Konvergenz fast überall der Maßtheorie. Die fast sichere Konvergenz findet beispielsweise Verwendung bei der Formulierung des starken Gesetzes der großen Zahlen.
Definition
Allgemeiner Fall
Sei
ein Wahrscheinlichkeitsraum
und
ein separabler, metrischer Raum (wie zum Beispiel der
) versehen mit der Borelschen
σ-Algebra
sowie
Zufallsvariablen von
nach
.
Die Folge von Zufallsvariablen
konvergiert dann fast sicher oder P-fast sicher gegen
,
wenn eine Menge
existiert mit
und
für alle .
Man schreibt dann auch
,
oder
-f.s.
Für reelle Zufallsvariablen
Alternativ findet sich für reelle Zufallsvariablen auch die Formulierung, dass die Zufallsvariablen genau dann fast sicher konvergieren, wenn
ist.
Beispiele
Betrachte als Beispiel die Grundmenge der reellen Zahlen im Intervall von 0
bis 1, also ,
versehen mit der Borelschen σ-Algebra
.
Das Wahrscheinlichkeitsmaß
sei das Diracmaß auf der 1,
also
für .
Gegeben seien zwei Zufallsvariablen von
nach
definiert durch
.
und
Eine Folge von Zufallsvariablen sei definiert durch
.
Dabei bezeichnet
die charakteristische
Funktion. Die Folge von Zufallsvariablen
konvergiert für
gegen unendlich für jedes
gegen 1 und für
gegen 0. Demnach ist
,
daher konvergieren die
nicht fast sicher gegen
,
da für jedes Wahrscheinlichkeitsmaß
gilt. Es ist aber
Da aber
ist, konvergieren die
fast sicher gegen
,
obwohl die punktweise Konvergenz nur in einem einzigen Punkt stattfindet. Dieser
wird aber durch das Diracmaß maximal gewichtet.
Eigenschaften
Die fast sichere Konvergenz der Folge
ist äquivalent dazu, dass
gilt. Mit der Bonferroni-Ungleichung erhält man dann das folgende hinreichende Kriterium für die fast sichere Konvergenz:
für alle .
Die Terme der Form
können dann Beispielsweise mit der Markow-Ungleichung
abgeschätzt werden.
Beziehung zu anderen Konvergenzarten der Stochastik
Allgemein gelten für die Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie die Implikationen
und
.
Die Fast sichere Konvergenz ist also einer der starken Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie. In den unten stehenden Abschnitten sind die Beziehungen zu den andere Konvergenzarten genauer ausgeführt.
Konvergenz in Wahrscheinlichkeit
Aus der fast sicheren Konvergenz folgt die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit. Um dies zu sehen, definiert man die Mengen
.
Die
bilden eine monoton
wachsende Mengenfolge, und die Menge
enthält die Menge
der Elemente, auf denen die Folge punktweise konvergiert. Nach Voraussetzung
ist
und damit auch
und demnach
.
Durch Komplementbildung folgt dann die Aussage.
Die Umkehrung gilt aber im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist die
Folge von Bernoulli-Verteilten
Zufallsvariablen zum Parameter ,
also
.
Dann ist
für alle
und somit konvergiert die Folge in Wahrscheinlichkeit gegen 0. Die Folge
konvergiert aber nicht fast sicher, man zeigt dies mit dem hinreichenden
Kriterium für fast sichere Konvergenz und dem
Borel-Cantelli-Lemma.
Bedingungen, unter denen aus der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit die fast sichere Konvergenz folgt sind:
- Die Konvergenzgeschwindigkeit der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist ausreichend schnell, sprich es gilt
.
- Der Grundraum
lässt sich als abzählbare Vereinigung von μ-Atomen darstellen. Dies ist bei Wahrscheinlichkeitsräumen mit höchstens anzählbarer Grundmenge immer möglich.
- Ist die Folge der Zufallsvariablen fast sicher streng monoton fallend und konvergiert in Wahrscheinlichkeit gegen 0, so konvergiert die Folge fast sicher gegen 0.
Allgemeiner besitzt jede in Wahrscheinlichkeit konvergierende Folge eine Teilfolge, die fast sicher konvergiert.
Konvergenz in Verteilung
Die Skorochod-Darstellung trifft eine Aussage darüber, unter welchen Bedingungen aus der Konvergenz in Verteilung auf die fast sichere Konvergenz geschlossen werden kann.
Konvergenz im p-ten Mittel
Im Allgemeinen folgt aus der Konvergenz im p-ten Mittel nicht die fast sichere Konvergenz. Betrachtet man Beispielsweise eine Folge von Zufallsvariablen mit
,
so ist
,
was für alle
gegen null konvergiert. Somit konvergieren die Zufallsvariablen im p-ten Mittel
gegen 0. Mittels der Kriterien
für die fast sichere Konvergenz sieht man aber ein, dass die Folge nicht
fast sicher konvergiert.
Konvergiert allerdings eine Folge von Zufallsvariablen
im p-ten Mittel gegen
und gilt
,
dann konvergiert die Folge auch fast sicher gegen .
Die Konvergenz muss also „schnell genug“ sein. (Alternativ kann man auch nutzen,
dass bei Gültigkeit des Konvergenzsatz
von Vitali die Konvergenz nach Wahrscheinlichkeit und die fast sichere
Konvergenz zusammenfallen. Sind somit die Voraussetzungen dieses Satzes erfüllt,
so folgt aus Konvergenz im p-ten Mittel die fast sichere Konvergenz, da aus der
Konvergenz im p-ten Mittel automatisch die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit
folgt.)
Umgekehrt folgt aus der fast sicheren Konvergenz auch nicht die Konvergenz im
p-ten Mittel. Betrachtet man beispielsweise auf dem Wahrscheinlichkeitsraum
die Zufallsvariablen
,
so konvergiert diese für
punktweise gegen 0 und damit auch ganz
fast sicher gegen 0 (
bezeichnet hier die Gleichverteilung auf
).
so ist
und die Folge ist demnach unbeschränkt für alle
,
kann also nicht konvergieren.
Allerdings liefert der Satz
von der majorisierten Konvergenz ein Kriterium, unter dem diese Folgerung
korrekt ist. Konvergieren die
fast sicher und existiert eine Zufallsvariable
mit
und ist
fast sicher, so konvergieren die
im p-ten Mittel gegen
und auch für
gilt
.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.04. 2020