Konvergenz im p-ten Mittel
Die Konvergenz im p-ten Mittel und die beiden Spezialfälle der
Konvergenz im quadratischen Mittel und der Konvergenz im Mittel
sind Konvergenzbegriffe aus der Maßtheorie
und der Wahrscheinlichkeitstheorie,
zwei Teilgebieten der Mathematik.
In der Maßtheorie ist sie grundlegend für die Konvergenz von Funktionenfolgen in den
Funktionenräumen der p-fach integrierbaren Funktionen, den
und
-Räumen,
in der Wahrscheinlichkeitstheorie ist sie neben der fast sicheren
Konvergenz, der Konvergenz
in Verteilung und der stochastischen
Konvergenz einer der gängigen Konvergenzbegriffe.
Teilweise wird die Konvergenz im p-ten Mittel zur Abgrenzung von der schwachen
Konvergenz in
und
auch als starke Konvergenz in
beziehungsweise
oder Normkonvergenz in
beziehungsweise
bezeichnet.
Definition
Maßtheoretische Formulierung
Gegeben sei ein Maßraum
,
eine reelle Zahl
und der entsprechende Funktionenraum
,
kurz mit
bezeichnet. Des Weiteren sei eine Funktionenfolge
aus
gegeben sowie eine weitere Funktion
.
Definiert man
,
so heißt die Funktionenfolge konvergent im p-ten Mittel gegen ,
wenn
ist. Ist ,
so spricht man von Konvergenz im quadratischen Mittel. Ist
,
so spricht man von Konvergenz im Mittel.
Ebenso definiert man die Konvergenz von
gegen
.
Wahrscheinlichkeitstheoretische Formulierung
Gegeben sei eine Folge von Zufallsvariablen
und eine weitere Zufallsvariable
.
Es gelte
und
für alle
.
Die Folge
konvergiert im p-ten Mittel gegen
,
wenn
ist. Man schreibt dann .
Wie im maßtheoretischen Fall spricht man für
von Konvergenz im quadratischen Mittel, für
spricht man von Konvergenz im Mittel.
Eigenschaften
- Für Funktionen
ist der Grenzwert nur
-fast überall bestimmt, da auf
nur
-fast überall folgt. Für
ist der Grenzwert eindeutig.
- für
bildet
auf
aufgrund der obigen Aussage eine Halbnorm. Auf
handelt es sich dann um eine Norm. Für
gilt dies jedoch nicht, da hier die Dreiecksungleichung (in diesem speziellen Fall die Minkowski-Ungleichung) nicht mehr gilt. Allerdings lässt sich durch
- eine Metrik definieren, für die
- gilt.
Eigenschaften für unterschiedliche Parameter p
Es sei .
Für endliche Maßräume folgt aus der Konvergenz im
-ten
Mittel die Konvergenz im p-ten Mittel. Denn es gilt
,
die im p-ten Mittel konvergent Folge wird also von der im -ten
Mittel konvergenten Folge majorisiert. Die obige Ungleichung folgt aus
der Hölder-Ungleichung,
angewandt auf die Funktionen
und
mit Exponenten
.
Die Aussage ist aber im Allgemeinen falsch. Betrachtet man beispielsweise für
reelles
auf
die Funktionenfolge
,
so ist
und somit
Der Umkehrschluss, also von der Konvergenz im p-ten Mittel zur Konvergenz im
-ten
Mittel ist sowohl im Falle eines endlichen Maßes als auch im Allgemeinen falsch.
Beispiel hierfür wäre die Funktionenfolge auf
definiert durch
Wie oben ist dann
.
Cauchy-Folgen
Eine Folge von Funktionen
in
(bzw.
)
heißt eine Cauchy-Folge
für die Konvergenz im p-ten Mittel, wenn zu jedem
ein Index
existiert, so dass
für alle .
Jede im p-ten Mittel konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge. Denn für
ist
,
für
gilt dieselbe Ungleichung mit
.
Der Satz
von Fischer-Riesz liefert die Umkehrung, also dass jede Cauchy-Folge
konvergiert. Damit sind der
und der
vollständige
Räume.
Beziehung zu Konvergenzbegriffen der Wahrscheinlichkeitstheorie
Allgemein gelten für die Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie die Implikationen
und
.
Die Konvergenz im p-ten Mittel ist also einer der starken Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie. In den unten stehenden Abschnitten sind die Beziehungen zu den andere Konvergenzarten genauer ausgeführt.
Konvergenz in Wahrscheinlichkeit
Aus der Konvergenz im p-ten Mittel folgt für
unmittelbar die Konvergenz
in Wahrscheinlichkeit. Dazu wendet man die Markow-Ungleichung
auf die Funktion
an, die für
monoton wachsend ist, und die Zufallsvariable
an. Dann folgt
,
was im Grenzwert gegen null geht. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist: sind die Zufallsvariablen definiert durch
mit .
Dann ist
,
wenn .
Also konvergiert die Folge für
im Mittel gegen 0. Für beliebiges
ist aber
. Also konvergiert die Folge für alle
in Wahrscheinlichkeit gegen 0.
Ein Kriterium, unter dem die Konvergenz im p-ten Mittel aus der Konvergenz in
Wahrscheinlichkeit gilt ist, dass eine Majorante
mit
existiert, so dass
für alle
gilt. Konvergieren dann die
in Wahrscheinlichkeit gegen
,
so konvergieren sie auch im p-ten Mittel gegen
.
Allgemeiner lässt sich eine Verbindung zwischen der Konvergenz im p-ten Mittel
und der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit mittels des Konvergenzsatzes
von Vitali und der gleichgradigen
Integrierbarkeit im p-ten Mittel ziehen: Eine Folge konvergiert genau dann
im p-ten Mittel, wenn sie gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel ist und sie
in Wahrscheinlichkeit konvergiert.
Fast sichere Konvergenz
Im Allgemeinen folgt aus der Konvergenz im p-ten Mittel nicht die fast sichere Konvergenz. Betrachtet man beispielsweise eine Folge von stochastisch unabhängige Zufallsvariablen mit
,
so ist
,
was für alle
gegen null konvergiert. Somit konvergieren die Zufallsvariablen im p-ten Mittel
gegen 0. Mittels der Kriterien
für die fast sichere Konvergenz sieht man aber ein, dass die Folge nicht
fast sicher konvergiert.
Konvergiert allerdings eine Folge von Zufallsvariablen
im p-ten Mittel gegen
und gilt
,
dann konvergiert die Folge auch fast sicher gegen .
Die Konvergenz muss also „schnell genug“ sein. (Alternativ kann man auch nutzen,
dass bei Gültigkeit des Konvergenzsatz
von Vitali die Konvergenz nach Wahrscheinlichkeit und die fast sichere
Konvergenz zusammenfallen. Sind somit die Voraussetzungen dieses Satzes erfüllt,
so folgt aus Konvergenz im p-ten Mittel die fast sichere Konvergenz, da aus der
Konvergenz im p-ten Mittel automatisch die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit
folgt.)
Umgekehrt folgt aus der fast sicheren Konvergenz auch nicht die Konvergenz im
p-ten Mittel. Betrachtet man beispielsweise auf dem Wahrscheinlichkeitsraum
die Zufallsvariablen
,
so konvergiert diese für
punktweise gegen 0 und damit auch ganz
fast sicher gegen 0 (
bezeichnet hier die Gleichverteilung auf
).
so ist
und die Folge ist demnach unbeschränkt für alle
,
kann also nicht konvergieren.
Allerdings liefert der Satz
von der majorisierten Konvergenz ein Kriterium, unter dem diese Folgerung
korrekt ist. Konvergieren die
fast sicher und existiert eine Zufallsvariable
mit
und ist
fast sicher, so konvergieren die
im p-ten Mittel gegen
und auch für
gilt
.
Beziehung zu Konvergenzbegriffen der Maßtheorie
Konvergenz lokal nach Maß
Nach dem Konvergenzsatz von Vitali ist eine Folge genau dann Konvergent im p-ten Mittel, wenn sie lokal nach Maß konvergent ist und gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel ist.
Auf die gleichgradige Integrierbarkeit kann dabei nicht verzichtet werden,
wie das folgende Beispiel verdeutlicht. Setzt man
und definiert die Funktionenfolge
.
auf dem Maßraum ,
so konvergiert diese lokal nach Maß gegen 0, denn für
ist
.
Aber sie ist nicht gleichgradig integrierbar (im ersten Mittel), denn es ist
Dem Konvergenzsatz von Vitali folgend ist sie auch nicht (im ersten Mittel) konvergent gegen 0, denn es ist
.
Ebenso wenig kann auf die Konvergenz lokal nach Maß verzichtet werden, denn
wählt man
und den Maßraum
,
so ist die Funktionenfolge, die durch
.
definiert wird gleichgradig integrierbar im ersten Mittel, da sie von der
integrierbaren Funktion, die konstant 1 ist, majorisiert wird. Aufgrund ihres
oszillierenden Verhaltens kann die Folge aber nicht lokal nach Maß konvergieren,
denn für die Grundmenge und
gibt es keine Funktion
,
so dass
klein wird. Mit einem analogen Argument folgt dann auch, dass die
Funktionenfolge nicht im ersten Mittel konvergiert.
Konvergenz nach Maß
Aus der Konvergenz im p-ten Mittel folgt die Konvergenz nach Maß, denn es ist
.
Nach dem Konvergenzsatz von Vitali ist die Konvergenz im p-ten Mittel äquivalent zur Konvergenz nach Maß und der gleichgradigen Integrierbarkeit im p-ten Mittel. Dabei kann weder auf die Konvergenz nach Maß noch auf die gleichgradige Integrierbarkeit verzichtet werden. Die Beispiele hierzu finden sich im Abschnitt "Konvergenz lokal nach Maß"
Punktweise Konvergenz μ-fast überall
Aus der punktweisen Konvergenz μ-fast überall folgt im Allgemeinen nicht die Konvergenz im p-ten Mittel. Ebenso folgt aus der Konvergenz im p-ten Mittel im Allgemeinen nicht die punktweise Konvergenz μ-fast überall.
Ein Beispiel hierfür ist die Funktionenfolge
.
auf dem Maßram .
Sie konvergiert fast überall punktweise gegen 0, aber es ist
.
Betrachtet man umgekehrt die Folge von Intervallen
und definiert die Funktionenfolge als
,
so ist ,
da die Breite der Intervalle gegen 0 konvergiert. Die Folge konvergiert aber
nicht fast überall punktweise gegen 0, da an einer beliebigen Stelle
jeder der Werte 0 und 1 beliebig oft angenommen wird.
Allerdings besitzt jede im p-ten Mittel konvergente Folge eine fast sicher
konvergente Teilfolge mit demselben Grenzwert. Im obigen Beispiel könnte man
beispielsweise Indizes
auswählen, so dass
für
ist. Dann konvergieren auch die
fast sicher punktweise gegen 0.
Ein Kriterium, unter dem aus der punktweisen Konvergenz μ-fast überall die
Konvergenz im p-ten Mittel folgt, liefert der Satz
von der majorisierten Konvergenz. Er sagt aus, dass wenn zusätzlich zur
Konvergenz fast überall noch eine Majorante aus
existiert, auch die Konvergenz im p-ten Mittel folgt. Allgemeiner genügt es,
wenn anstelle der Existenz einer Majorante nur die gleichgradige
Integrierbarkeit der Funktionenfolge gefordert wird, denn aus der Konvergenz
fast überall folgt die Konvergenz lokal nach Maß. Somit kann dann bei
gleichgradiger
integrierbarkeit im p-ten Mittel mittels des Konvergenzsatzes
von Vitali auf die Konvergenz im p-ten Mittel geschlossen werden. Die
Majorante ist aus dieser Perspektive bloß ein hinreichendes Kriterium für die
gleichgradige Integrierbarkeit.
Gleichmäßige Konvergenz μ-fast überall
Im Falle eines endlichen
Maßraumes folgt aus der gleichmäßigen
Konvergenz fast überall die Konvergenz im p-ten Mittel mit ,
denn mittels der Hölder-Ungleichung
kann man zeigen, dass
.
gilt. Für nicht-endliche Maßräume ist dieser Schluss jedoch im Allgemeinen falsch. Definiert man die beispielsweise die Funktionenfolge
auf ,
so ist
.
Der Schluss von der Konvergenz im p-ten Mittel zur gleichmäßigen Konvergenz
fast überall ist sowohl in endlichen Maßräumen als auch in allgemeinen Maßräumen
im Allgemeinen falsch. Die Funktionenfolge
auf dem endlichen Maßraum
konvergiert beispielsweise für
im p-ten Mittel gegen 0, aber nicht fast überall gleichmäßig gegen 0.
Schwache Konvergenz in Lp
Jede im p-ten Mittel konvergente Folge konvergiert für
auch schwach,
denn aus der Hölder-Ungleichung
folgt
,
somit existiert eine konvergente Majorante. Die Grenzwerte stimmen dann
überein. Der Satz
von Radon-Riesz liefert unter einer Voraussetzung auch die Umkehrung. Er
besagt, dass für
eine Funktionenfolge genau dann im p-ten Mittel konvergiert, wenn sie schwach
konvergiert und die Folge der Normen der Funktionenfolge gegen die Norm der
Grenzfunktion konvergiert.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.06. 2019