Pfadintegral
Pfadintegrale sind eine auf Gregor
Wentzel, Paul
Dirac und insbesondere Richard
Feynman zurückgehende Formulierung der Quantenmechanik,
bei der bei einer Bewegung eines Teilchens von Punkt
zu Punkt
alle möglichen Pfade von
nach
berücksichtigt werden und nicht, wie in der klassischen Mechanik, nur der Pfad
mit kleinster Wirkung.
Verallgemeinerte Pfadintegrale integrieren über Funktionen als Variablen und werden deshalb auch als Funktionalintegrale bezeichnet. Als solche sind sie seit langem ein grundlegendes Werkzeug in der Quantenfeldtheorie. Störungsrechnung, Renormierungsgruppe usw. werden dort i.d.R. mit Hilfe von Pfadintegralen formuliert.
Darüber hinaus treten Pfadintegrale auch in der klassischen statistischen Mechanik bei der Berechnung von Zustandssummen sowie in der kritischen Statik und Dynamik auf. Die formale Gemeinsamkeit zwischen Quantenfeldtheorie und klassischer statistischer Mechanik umfasst auch Störungsrechnung, Renormierungsgruppen, Instantonen und andere Techniken.
Historisches, Anwendungen, Varianten
Pfadintegrale wurden in der Quantenmechanik bereits 1924 von Gregor Wentzel
verwendet, die Arbeiten waren aber danach weitgehend vergessen worden und
blieben isoliert.
Einflussreicher war die Arbeit von Paul
Dirac von 1933
und Diracs Darstellung in seinen The
Principles of Quantum Mechanics. Feynman
entwickelte daraus die nach ihm benannte Pfadintegral-Formulierung der
Quantenmechanik in den 1940er Jahren. Im Fall von Punktteilchen wird hier über
alle möglichen Wege
eines Teilchens zwischen zwei Punkten integriert. Bei der Verallgemeinerung in
der Quantenfeldtheorie wird stattdessen über die Feldkonfigurationen
integriert. In seiner allgemeinsten Version kann das Pfadintegral als
rechnerischer Ausdruck für die Übergangsamplitude in Diracs abstrakter
Hilbertraumformulierung der Quantenfeldtheorie verstanden werden. Diese
entspricht nach Julian
Schwingers Quantenwirkungsprinzip
der Forderung nach einer stationären, operatorwertigen Quantenwirkung.
Die Übergangsamplitude zwischen zwei Konfigurationen ist gegeben durch das
Pfadintegral über
mit entsprechenden Randbedingungen. Diese einfache Aussage kann zum
grundlegenden Prinzip der Quantenmechanik erklärt werden, die
Schrödingergleichung ist eine Konsequenz davon.
In der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie ist der Exponent im Integranden der Pfadintegrale imaginär. Im Gegensatz dazu sind die Exponenten der Pfadintegrale der klassischen Physik reell. In der Mathematik sind Pfadintegrale bzw. Funktionalintegrale Teil der Funktionalanalysis. Das Konvergenzverhalten und die Wohldefiniertheit des Pfadintegrals sind mathematisch nicht vollständig erforscht; die imaginärzeitige Formulierung mit dem Wiener-Maß kann in vielen Fällen exakt begründet werden und mit der sog. Wick-Rotation besteht ein exakter Zusammenhang zwischen reell-wertiger und imaginärer Formulierung („Statistische Physik bzw. Quantenfeldtheorie“).
Quantenmechanik von Punktteilchen
Die Quantenmechanik eines Teilchens wird beschrieben durch die Schrödingergleichung
wobei
die Hamiltonfunktion,
eine Position im Raum und
der Impulsoperator
ist. Das Feynman'sche Pfadintegral
erstreckt sich über die Pfade
des Teilchens und liefert zur Lösung
der Schrödingergleichung zum Zeitpunkt
die Lösung zum Zeitpunkt
.
Der konstante Normierungsfaktor
ist i.A. uninteressant,
ist die zur Hamiltonfunktion gehörende Lagrangefunktion.
In etwas kompakterer Schreibweise besagt das Pfadintegral, dass die
Wahrscheinlichkeit, das Teilchen zum Zeitpunkt
am Punkt
zu finden, wenn es sich zum Zeitpunkt
bei
befunden hat, proportional ist zu
mit
Das Integral beinhaltet hier nur die Pfade von
zu
,
und es gilt
Herleitung
Der Übergang von der Schrödingergleichung zum Pfadintegral erfordert keine
Quantenmechanik. Vielmehr sind auch andere Differentialgleichungen ähnlicher
Struktur (z.B. Fokker-Planck-Gleichungen)
äquivalent zu einem Pfadintegral.[1]
Der Eindeutigkeit wegen wird festgelegt, dass in allen Termen des
Hamilton-Operators
die Nabla-Operatoren von
links stehen. Eine Integration der Schrödingergleichung für eine
Raumdimension über ein Zeitintervall
liefert
Das andere Vorzeichen des Nabla-Operators in der zweiten Zeile erklärt sich
daraus, dass die Ableitungen in allen Termen der Hamilton-Funktion hier
rechts stehen und auf die -Funktion
wirken. Eine partielle Integration führt zurück zur ersten Zeile. Einsetzen des
Fourier-Integrals
ergibt
Diese Gleichung liefert
als Funktional von
.
Eine
-malige
Iteration liefert
in Gestalt eines Pfadintegrals über
und
,
Diese „Hamilton'sche“ Form des Pfadintegrals wird gewöhnlich durch Ausführen
der -Integrale
vereinfacht.
Dies ist in geschlossener Form möglich, da
im Exponenten nur quadratisch vorkommt.
Das Ergebnis ist das oben aufgeführte Feynman'sche Pfadintegral.
Quantenfeldtheorie
Das Pfadintegral (Funktionalintegral) erstreckt sich hier über den Raum einer
reell- oder komplexwertigen Funktion ,
und nicht wie ein gewöhnliches Integral über einen endlichdimensionalen Raum.
Die Koordinate
fungiert im Pfadintegral nur als kontinuierlicher Index. Eine präzise Definition
beinhaltet die Approximation der Funktion
durch die Funktionswerte
auf einem Raumgitter mit Gitterkonstante
sowie den Limes
,
Der Integrand eines Pfadintegrals ist eine Exponentialfunktion, der Exponent
enthält im Quantenmechanik-Fall das Wirkungsintegral ,
ein Funktional der Funktion
.
Im Fall der statistischen Mechanik schreibt man Pfadintegrale gewöhnlich in der
Form
wobei
als Hamiltonian bezeichnet wird. Quantenfeldtheorien sowie Feldtheorien der
kritischen Dynamik oder Statik erfordern oft eine endliche Gitterkonstante
(Regularisierung, Cutoff).
Der Limes
ist in diesem Fall erst nach Berechnung der physikalischen Größen
ausführbar.[2]
Für Fermionen werden Grassmann-Variablen (antikommutierende Variablen) zur Bildung von Pfadintegralen herangezogen.
Resümee
In der klassischen Physik kann man die Bewegung von Teilchen (und zum
Beispiel Lichtstrahlen) zwischen zwei Punkten
in Raum und Zeit mit dem Prinzip
der kleinsten Wirkung (Hamiltonsches Prinzip) im Rahmen der Variationsrechnung
berechnen. Die Wirkung
ist das zeitliche Integral der Differenz zwischen kinetischer und potentieller
Energie (Lagrangefunktion)
von Startzeitpunkt, an dem sich das Teilchen in
befindet, bis zum Endzeitpunkt, an dem sich das Teilchen in
befindet. Nach dem Hamiltonschen Prinzip ist die Wirkung für den gewählten Weg
ein Extremum, ihre Variation verschwindet. Für ein freies Teilchen ohne Potential
ergibt sich eine Bewegung auf einer Geraden von einem Punkt
zu einem Punkt
.
Ein Beispiel, in dem der Weg keine Gerade mehr ist, ist der eines Lichtstrahls,
der Medien unterschiedlicher optischer Dichte passiert (was sich mit Hilfe eines
Potentials in der Lagrangefunktion beschreiben lässt), hier ist der günstigste
Weg (optischer
Weg) keine Gerade mehr: es kommt zur Brechung des Lichtstrahls.
In der Quantenmechanik integriert man mit einem Pfadintegral über alle
möglichen Pfade, auf denen das Teilchen von
nach
gelangen könnte, und gewichtet die Pfade dabei mit einem „Phasenfaktor“
proportional zur Exponentialfunktion des imaginär gemachten und durch das
reduzierte Plancksche
Wirkungsquantum geteilte Wirkungsfunktionals.
Man nennt das auch Summe aller Pfade, weil hierbei über alle Pfade
integriert wird, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht. Die Amplitude ist bei jedem Pfad
gleich, aber die Phase,
die von der jeweiligen Wirkung bestimmt wird, ist unterschiedlich. Der
klassische Pfad zeichnet sich dadurch aus, dass bei ihm die Variation der
Wirkung nach dem Hamiltonschen
Prinzip verschwindet. Pfade in der Umgebung tragen also in etwa mit gleicher
Phase bei, was zu konstruktiver Interferenz führt. Bei weiter entfernt liegenden
Pfaden oszilliert der Integrand bei Wirkungen, die groß gegen das Plancksche
Wirkungsquantum sind (klassischer Grenzfall), dagegen so schnell, dass sich
die Beiträge dieser Wege gegenseitig aufheben. Sind die Wirkungen dagegen wie
bei typischen quantenmechanischen Systemen in der Größenordnung des Planckschen
Wirkungsquantums, tragen auch Pfade neben dem klassischen Pfad zum Pfadintegral
bei.
Insofern stellt sich das Hamiltonsche Prinzip für Teilchenbahnen nur als Spezialfall des allgemeineren Hamiltonschen Prinzip für Felder heraus. Formal wird dabei in der Feynman'schen Formulierung die Integration über alle möglichen (generalisierten) Orte durch eine Integration über alle möglichen Feldkonfiguration substituiert, womit die eigentliche Rolle des Pfadintegrals zum Lösen von Wellen- bzw. Feldgleichungen deutlicher wird, so wie es im letzten Abschnitt für die Schrödingergleichung angedeutet wurde. Dieser Sachverhalt kann dabei auch in Analogie zum Übergang von der oben erwähnten Strahlenoptik zur Wellenoptik verstanden werden. Andererseits motiviert das modifizierte Hamiltonsche Prinzip mit der Ersetzung von Phasenraumkoordinaten durch Felder die kanonische Quantisierung der Euler-Lagrange-Feldgleichungen, wodurch eine vollständig operatorwertige Behandlung der Quantenmechanik möglich wird und damit ein alternativer Zugang zur Quantenfeldtheorie geschaffen ist, der hier nicht besprochen wurde.
Anmerkungen
- ↑ Die Herleitung eines Pfadintegrals zu einer Fokker-Planck-Gleichung kann nach demselben Schema erfolgen.
- ↑
Ein Beispiel gibt das Produkt aus zwei Faktoren,
von denen der erste eine unter Umständen gegen Unendlich divergierende
Konstante ist, während der zweite Faktor eine nach
differenzierbare Funktion darstellt. Dann ist der Logarithmus des Produktes auf jeden Fall nach
differenzierbar, wobei die unendliche Konstante entfällt. Die Hinzufügung eines dritten Faktors ergibt bei Logarithmierung die Addition eines zusätzlichen Summanden, usw.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.06. 2021