Glasfärbung und Entfärbung

Ein besonderes Kapitel der Glasherstellung ist seit alten Zeiten das Färben des Glases, und nicht wenige Geheimnisse hängen gerade damit zusammen, welche Stoffe dem Gemenge beizugeben sind, damit das fertige Glas den gewünschten einmaligen, bisher noch nicht gekannten Farbeffekt erhält. Zur Herstellung farbiger Gläser bediente man sich schon in der Antike verschiedener Metalloxide. In seiner Naturgeschichte — übrigens eine Hauptquelle zur Information über antike Techniken — erwähnt Plinius solche Zusätze bereits.

Kobaltoxid ergibt blaues, Kupferoxid grünes und rotes, Chromoxid gelbes Glas; Zinnoxid macht das Glas weiß und undurchsichtig, mit Goldzusatz erhält man das berühmte Rubinglas. Je nach der Qualität der Oxide, ihrer Mischung, der Temperatur und der Dauer ihrer Erhitzung fällt die Färbung verschieden aus. Es lassen sich also mit einem Metalloxid verschiedene Färbungen oder Farbschattierungen erzielen. Beim antiken Glas hat die natürliche Verunreinigung des Sandes durch Blei und Eisen zu bestimmten Verfärbungen geführt. Mit diesen Beimischungen von Melalloxiden hängt es zusammen, daß antike Gläser — vor allem, wenn sie in die Erde gerieten — oft gewisse Zersetzungserscheinungen zeigen. Auch die von Sammlern geschätzte Irisschicht (Irisieren) ist das Ergebnis eines von Oxidbeimengungen ausgelösten chemischen Umwandlungsprozesses.

Es gibt genügend Beweise für die reichen Kenntnisse der frühgeschichtlichen Glasmacher, ihren Erzeugnissen schöne Farben zu verleihen. Funde beweisen, daß man sich in Phönizien, Mesopotamien und Ägypten frühzeitig darauf verstand, Glas (und Keramik) zu färben. Die Töpfer der Insel Kreta übernahmen um 1650 bis 1500 v.u.Z. ägyptische Techniken, um ihre Fayencen mit Glasuren aus sogenanntem Schwarzlot zu versehen. Spektroskopische Analysen der Universität von Oxford an 50 kretischen Figuren aus den Jahren von 1700 bis 1500 v.u.Z. führten zu dem verblüffenden Schluß: Die schwarze Glasur der Fayencen ist nach mesopotamischer Färbungstechnik mit einem eisenhaltigen Schwarzlot (eine Schmelzfarbe aus Metallpulver und einem leicht zu verflüssigenden Glas) erzeugt worden.

Erst später führten die Kreter die in Ägypten gebräuchliche Schwarzfärbung mit einem Mangan-Schwarzlot ein. Das Schwarzlot gewannen die Töpfer aus Hartmanganerz, dem Psilomelan, einem bariumreichen Manganhydroxid. Dieses wurde etwa 1500 v.u.Z. durch Weichmanganerz — Pyrolusit oder Braunstein — ein Mangandioxid, ersetzt. Möglicherweise waren die bekannten Psilomelanvorkommen erschöpft oder das Pyrolusit war inzwischen billiger zu haben. Beide Minerale kamen auf Kreta nicht vor und mußten eingeführt werden.

Keramikfunde beweisen, daß schon im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung die Handwerker Ägyptens Schwarzlot mit Hilfe von Mangan aus Psilomelan verwendet haben. Der Wechsel zum Mangan aus Pyrolusit erfolgte wie auf Kreta in der Mitte des 2.Jahrtausends.
Die Fayencen statt mit einem eisen- mit einem manganhaltigen Schwarzlot zu färben und darauf die Einbrennprozesse einzurichten, war eine große technologische Leistung. Denn zum Brennen der schwarzen Glasur aus Mangan benötigte man statt der bei Eisen angewandten reduzierenden Atmosphäre, die durch Luftabschluß erzielt wird, eine oxydierende, die sich nur durch andere Brennöfen mit reicher Sauerstoffzufuhr erzeugen ließ.

Glasfärben ist eine Kunst, die auch heute noch den Fachleuten viel Kopfzerbrechen bereitet. Welchen Zweck die Farbgebung auch verfolgen mag, ob es das dekorative Aussehen von Gebrauchsglas oder das gewünschte Absorptionsverhalten technischer Gläser ist, mit dem eine ganz bestimmte Strahlungsdurchlässigkeit erzielt werden soll — es sind stets zwei Verfahren, nach denen man Glas färbt: Die lonenfärbung und die Anlanffarbung. Der wesentliche Unterschied beider Verfahren liegt darin, daß die lonenfärbung durch Lösen von Metallionen nach dem Einschmelzen des Gemenges im erstarrten Glas sofort spektral eindeutig und nicht mehr veränderlich vorliegt, während beim "Anlaufen" die färbende Wirkung der Beimengungen durch eine erneute Temperaturbehandlung, das sogenannte Tempern des Glases, überhaupt erst entsteht bzw. noch ausgeprägt werden kann. Dabei konzentrieren sich die gelösten Moleküle in kolloidaler Verteilung oder in bestimmten Tröpfchen im Glas und bilden mit dem Glasmaterial selbst unter dem Mikroskop erkennbare Mischkristalle. Übrigens entsteht die herrliche rote Farbe der als Rubine bekannten Gläser durch "Anlaufen" (Tempern bei mehr als 700° C), wobei sich die kolloidale Lösung der färbenden Metalle bzw. Stoffe Gold (Goldrubin), Kupferoxid (Kupferrubin) und Kadmiumsuliid-Selenid (Selenrubin) im bereits festen Glas verändert.

Für die Entfärbung von Gläsern, die durch Verunreinigungen ihrer Rohstoffe verursacht sind, werden vor allem Metalloxide verwendet. Grundsätzlich verwendet man zur Beseitigung von Farbstichen die komplementäre Farbe. Entärbemittel wurden Glasmacherseifen genannt.

Eine gelbgrün gefärbte Tortenplatte mit Fuß aus Uranglas.
Glasbläserkunst mit Farbglas
Metalloxide
 
 und die durch sie hervorgerufene lonenfärbung des Glases    
 
 Oxid   Farbe
 Bezeichnung Chemische Formel einschließlich aller möglichen Schattierungen entsprechend der Stonkonzentration
 Eisen-III-Oxid Eisen-III-Oxid Fe2O3 gelbbraun
 plus Eisen-II-Oxid Fe203 + FeO grün
 Eisen-II-Oxid Manganoxid Manganoxid + Eisen-III-Oxid FeO Mn2O3 Mn203 + Fea03 blaugrün violett braungelb, braun bis gelb
 Chromoxid Cr203 grüngelb bis rotgelb
 Wolframoxid Vanadiumpentoxid Titanoxid WO3 V,0, Ti02 gelb grün verstärkt die Färbung anderer Ionen
 Ceroxid Titanoxid + CeO2 gelb bis braun
 Ceroxid Ti02 + CeO2 gelb
 Kupfer-II-Oxid CuO blau
 Kupfer-I-Oxid Cu2O rot
 Neodymoxid Kobaltoxid Nd203 CoO purpur blau (in Boratgläser
 Neodymoxid Kobaltoxid Nd203 CoO purpur blau (in Boratgläsern rosa)
 Uranoxid UO gelb

Die Zugabe von Kobaltoxid CoO und Nickeloxid NiO
zu Phosphatgläsern ergibt ultraviolettdurchlässige schwarze Gläser.


 
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Datum der letzten Änderung : Jena, den: 03.11. 2020