Glimmergruppe

Biotit (Eifel, Deutschland)

Als Glimmergruppe oder kurz Glimmer bezeichnet man eine Gruppe von Mineralen aus der Abteilung der Schichtsilikate mit gleichem atomaren Aufbau.

Hervortretendes Merkmal der Glimmer ist ihre Schichtstruktur und die sehr schwache Bindung zwischen diesen Schichten. Daraus folgt die für diese Minerale charakteristische perfekte Spaltbarkeit parallel zu diesen Schichtpaketen. Sie haben eine geringe Mohshärte von 2 (parallel zu den Schichtebenen) bis 4 (alle anderen Richtungen). Ihre Farbe variiert von Weiß bis Braunschwarz und seltener Grün oder Rosa. Die Strichfarbe ist Weiß. Für viele technische Anwendungen der Glimmer ist deren sehr geringe elektrische Leitfähigkeit ausschlaggebend.

Glimmer gehören zu den häufigsten gesteinsbildenden Mineralen und sind wichtige Bestandteile vieler magmatischer (beispielsweise Granite, Diorite, Pegmatite) und metamorpher (Glimmerschiefer, Gneise) Gesteine.

Etymologie und Geschichte

Glimmer

Glimmern heißt schwach glühen oder glänzen. Aber von alters her meinte man mit dem Namen einen Blender, der nicht hält, was er verspricht. Daher werden auch manche Glimmerarten abwertend als Katzensilber oder Katzengold bezeichnet. Im Englischen heißt das Mineral mica, von lateinisch mica, deutsch ‚Krümelchen‘ (häufiges Vorkommen in kleinen Blättchen) bzw. micare ‚funkeln‘.

Glimmer wurden bereits 1546 von dem Mineralogen Georgius Agricola erwähnt. Im 20. Jahrhundert wurden Glimmer erstmals durch Charles-Victor Mauguin mit Röntgenstrahlen untersucht.

Klassifizierung und Nomenklatur

Nach der Klassifikation von Dana gehören die Glimmer zu den Schichtsilikaten (Klasse 71) mit Silikatschichten aus Sechserringen und einem Verhältnis von Silikat- zu Oktaederschichten von 2:1 (Dana 71.1). Darin sind die Glimmer durch die Untergruppen 71.2.2a (Muskovituntergruppe), 71.2.2.b (Biotituntergruppe), 1.2.2.c (Margarituntergruppe) und 71.2.2.d (Hydroglimmer) vertreten.

Strunz ordnet die Glimmer zu den Schichtsilikaten (Klasse VIII/H) und unterteilt sie in die Gruppen VIII/H.10 (Glimmergruppe Muskovitreihe), VIII/H.11 (Glimmergruppe Biotitreihe), VIIIH.12 (Glimmergruppe Lepidolithreihe) und VIII/H.13 (Glimmergruppe Glaukonitreihe).

Die aktuelle Klassifikation der Glimmer wurde von einer Arbeitsgruppe der International Mineralogical Association Kommission für neue Minerale, Klassifikation und Nomenklatur vorgelegt. Sie unterteilt die Glimmergruppe anhand der Besetzung der D-Position, das ist die Kationenposition zwischen den T-O-T-Sandwiches, in drei Untergruppen:

Diese Untergruppen werden wiederum unterteilt nach der Besetzung der oktaedrisch koordinierten G-Position:

Später wurde diese Einteilung um weitere Untergruppen ergänzt. Die Einteilung erfolgt anhand der Kationen auf der D-Position (Na, Rb, Cs, NH4 statt K) sowie der vorrangigen Besetzung der G- T- und X-Positionen mit für Glimmer ungewöhnlichen Ionen (z.B. Mn, Cr, V statt Fe oder Mg auf den M-Positionen, O oder F statt OH).

Im Folgenden sind die verschiedenen Glimmer der einzelnen Untergruppen mit ihren idealisierten Zusammensetzungen aufgeführt. Strunz, Dana und die IMA nehmen in Einzelfällen eine unterschiedliche Zuordnung der Glimmerminerale zu den Gruppen vor. Hier ist die Klassifikation der IMA wiedergegeben.

Echte Glimmer

Muskovit (mit Quarz)
Phlogopit
Paragonit mit eingebetteten Kyanit- (blau) und Staurolithkristallen (rotbraun)

Gewöhnliche Kaliumglimmer

Muskovit-Seladonit-Reihe (dioktaedrisch)

Phlogopit-Annit-Reihe (trioktaedrisch)

Siderophyllit-Polylithionit-Reihe (trioktaedrisch), auch Zinnwaldit

Tainiolith-Gruppe

Ungewöhnliche Kaliumglimmer

Dioktaedrisch

Trioktaedrisch

Nicht-Kaliumglimmer

Na-Glimmer

Cs-Glimmer

NH4-Glimmer

Sprödglimmer

Nach Dana stellen diese die Margarituntergruppe, nach Strunz die Lepidolithreihe dar.

Clintonit in orthoklasreicher Matrix
Margarit

Gewöhnliche Sprödglimmer

Trioktaedrisch

Dioktaedrisch

Ungewöhnliche Sprödglimmer

Trioktaedrisch

Dioktaedrisch

Zwischenschicht-defizitäre Glimmer

Nach Dana stellen diese die Hydroglimmer, nach Strunz die Glaukonitreihe dar.

Glaukonit

Dioktaedrisch

Trioktaedrisch

Seriennamen

Lepidolith aus Brasilien

Einige althergebrachte Namen sind als Bezeichnungen für Mischkristallzusammensetzungen zulässig, wenn eine genauere Charakterisierung nicht möglich ist.

Chemismus

Glimmer haben die chemische Zusammensetzung:

D G2-3 [T4 O10] X2.

In dieser Formel bedeuten:

Die Koordination eines Kations bezeichnet in diesem Zusammenhang Anzahl und Art dessen nächster Nachbarn. Beispielsweise ist ein 12-fach koordiniertes Kation von 12 Sauerstoffatomen umgeben.

Fett hervorgehoben sind die jeweils dominierenden Ionen. Die in Klammern stehenden Ionen können in beliebiger Mischung vertreten sein, stehen jedoch immer im selben Verhältnis zu den anderen Atomgruppen (Substitution).

Kristallstruktur

Strukturell zeichnen sich die Glimmer durch Schichten von TO4-Tetraedern und GO6-Oktaedern aus. Eine Oktaederschicht wird hierbei von 2 Tetraederschichten eingeschlossen. Untereinander sind diese „TOT-Sandwiches“ nur sehr schwach über große niedrig geladene Zwischenschichtkationen verbunden.

Silikat-Anionenkomplex

Glimmerstruktur 1: SiO4-Tetraederschicht

Glimmer gehören zu der Gruppe der Schichtsilikate. Die Si4+-Ionen bilden vier sehr feste, kovalente Bindungen zu vier O2− -Ionen, die die Si-Ionen tetraedrisch umgeben. Die Sauerstoffionen sitzen auf den Ecken der Koordinationstetraeder und das Silizium befindet sich in deren Zentrum. Auf den Strukturabbildungen sind der Übersichtlichkeit halber nur diese Koordinationspolyeder abgebildet und nicht die Atome selbst.

Diese SiO4-Tetraeder sind über Ecken (gemeinsame Sauerstoffe) zu theoretisch unbegrenzten Schichten verbunden. Die Schichtstruktur der Glimmer zeichnet sich dadurch aus, dass jeder SiO4-Tetraeder über drei gemeinsame Ecken (Sauerstoffe) mit drei weiteren SiO4-Tetraedern verbunden ist und die freien vierten Spitzen aller Tetraeder einer Schicht in die gleiche Richtung zeigen (siehe Abb. 1). Der daraus resultierende Silikatanionenkomplex hat die Summenformel [Si4O10]4−.

 

Oktaederschicht

Glimmerstruktur 2: GO6-Oktaederschicht

Die zwei- und dreiwertigen Kationen der G-Position sind oktaedrisch von 6 Sauerstoffen umgeben. Diese GO6-Oktaeder sind über Kanten (zwei gemeinsame Sauerstoffe) miteinander verbunden und bilden ebenfalls theoretisch unbegrenzte Schichten. Bei den dioktaedrischen Glimmern sind nur die M2-Oktaeder mit Kationen besetzt (Abb. 2a) wohingegen bei den trioktaedrische Glimmern alle Oktaeder dieser Schichten mit Kationen besetzt sind (Abb. 2b).

 

Verknüpfung der Schichten

Glimmerstruktur 3: Schichtabfolge und Polytypie

Charakteristisch für die Glimmerstruktur ist, dass diese Silikat- und Oktaederschichten miteinander so verbunden sind, dass jede Oktaederschicht von zwei Silikatschichten eingeschlossen wird. Hierbei sind die Silikattetraeder mit ihrer freien Spitze (Sauerstoff) mit der Oktaederschicht verbunden. Diese Baueinheit ist vergleichbar mit den I-Beams der Pyroxene, Amphibole und anderer Biopyribole. Die Ladungen sind innerhalb dieser Baugruppe weitgehend ausgeglichen. Die abschließenden Sauerstoffe an den nach außen weisenden Basisflächen der SiO4-Tetraeder sind alle an zwei Si-Ionen gebunden und weisen nahezu keine freien Bindungsvalenzen mehr auf. Untereinander sind diese Glimmerstruktureinheiten daher nur noch über schwache ionische Bindungen mit den Zwischenschichtkationen der D-Position verbunden. Dies ist die strukturelle Erklärung für die exzellente blättrige Spaltbarkeit der Glimmer.

Diese Glimmerstruktureinheiten, auch als TOT- oder 2:1- Schichten bezeichnet, sind in Richtung der kristallographischen c-Achse aufeinandergestapelt (Abb. 3) und können dabei um die c-Achse mit n * 60° gegeneinander verdreht sein (0 ≤ n ≤ 5). Unterschiedliche Stapelfolgen verschieden orientierter Glimmerstruktureinheiten ergeben diverse Glimmerpolytype mit unterschiedlicher Symmetrie (monoklin, orthorhombisch, trigonal). Durch eine geordnete Verteilung unterschiedlicher Kationen auf den oktaedrisch koordinierten G-Positionen wird die Symmetrie der Polytype mitunter herabgesetzt, z.B. von C2/m (monoklin) auf C-1 (triklin).

Die Glimmerpolytype können in drei Unterfamilien aufgeteilt werden:

Die Bezeichnungen der Polytype setzen sich im Wesentlichen zusammen aus der Anzahl unterschiedlich orientierter Baueinheiten (Zahlen, d für 'disordered – ungeordnet') und der Kristallklasse (Großbuchstaben M für monoklin, T für trigonal, O für orthorhombisch, H für hexagonal).

Vorkommen

Glimmer sind häufige Bestandteile von magmatischen, metamorphen und Sedimentgesteinen. Die Varietät Muskovit findet sich beispielsweise besonders oft in quarzreichen Graniten oder Pegmatiten, daneben auch in metamorphen Gesteinen wie zum Beispiel Phyllit. Als sehr verwitterungsbeständige Varietät tritt sie auch in Sedimentgesteinen wie zum Beispiel Sandstein auf. Biotit verwittert wesentlich leichter und findet sich daher eher in Granit oder Diorit.

Hauptproduzenten sind die USA und die Volksrepublik China.

Verwendung

Schon in prähistorischer Zeit wurde Glimmerschiefer abgebaut und der daraus gewonnene Glimmer vermutlich für kosmetische Zwecke verwendet. Auch heute noch finden Glimmer – unter der INCI-Bezeichnung Mica (CI 77019) – Anwendung in der dekorativen Kosmetik, z.B. in Puder, um einen schimmernden Effekt zu erzielen.

Celadonit und Glaukonit (grüne Erden) wurden als grünes Farbpigment z.B. bei römischen, byzantinischen und auch japanischen Wandmalereien verwendet.

Mit anorganischen Interferenzschichten, beispielsweise Siliciumdioxid und Titandioxid, beschichteter Glimmer wird seit Mitte der 1980er Jahre als Perlglanz- oder Interferenzpigment unter anderem in Autolack und Kosmetika eingesetzt.

Muskovit-Fenster im staatlichen historischen Museum, Moskau
Mikanit (Kunstglimmer, oben und rechts) und Glimmerscheiben (links) zur isolierten Montage von Transistoren

Aufgrund der leichten Spaltbarkeit entlang der Schichtebenen lassen sich Glimmer in dünne transparente Scheiben aufspalten. Wo Glimmer leicht und zu günstigen Preisen erhältlich, Glas dagegen zu teuer war, wurde das Mineral insbesondere in ländlichen Gegenden für Fensterscheiben verwendet.

Aufgrund des hohen Schmelzpunktes des Minerals fand es vor Verbreitung des feuerfesten Glases unter anderem Anwendung als Sichtfenster in Zimmeröfen, als Glasersatz für Inspektionsfenster in industriellen Schmelzöfen oder als Schutzglas von Laternen.

Glimmer und Kunstglimmer wird als elektrischer Isolator und als Trägermaterial für Heizdrähte verwendet (Lötkolben, Toaster, Elektroherd). Glimmer hält Temperaturen von über 600 °C aus, Kunstglimmer 400-500 °C.

Glimmerscheiben werden als Isolierscheibe zwischen Leistungs-Halbleiterbauelementen und deren Kühlkörper verwendet. Beschichtete Glimmerscheiben mit Stanzlöchern werden in Elektronenröhren zum Aufbau des Elektrodensystems verwendet.

Weiterhin wird Glimmer als Dielektrikum für verlustarme Glimmerkondensatoren für hohe Frequenzen und Leistungen, als Fenstermaterial von Zählrohren in Geigerzählern und – in Form von Kunstglimmer – als Abdeckung in Mikrowellenöfen eingesetzt.

Bis in die 1940er-Jahre war Glimmer als Schwingungsmembran der Schalldose bei Grammophonen verwendet worden, bevor er durch Metalle wie Aluminium oder Kupfer ersetzt wurde.

Als Plattenwerkstoff wird das Material im Schiffbau, Hochbau und in der Fertigung von Kaminen eingesetzt.

Da Glimmer nach der Spaltung eine sehr glatte Oberfläche aufweist, wird es auch als Substrat für Selbstorganisierende Monoschichten und als Matrix bei der Rasterkraftmikroskopie verwendet. Da Glimmer optisch doppelbrechend ist, werden durch Spaltung erzeugte Plättchen in der optischen Industrie als Verzögerungsplatten verwendet.

Siehe auch

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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 17.03. 2024