Satz von Radon-Nikodým
In der Mathematik verallgemeinert
der Satz von Radon-Nikodým die Ableitung
einer Funktion auf Maße
und signierte
Maße. Er gibt darüber Auskunft, wann ein (signiertes) Maß
durch das Lebesgue-Integral
einer Funktion
darstellbar ist, und ist sowohl für die Maß-
als auch für die Wahrscheinlichkeitstheorie
von zentraler Bedeutung.
Benannt ist der Satz nach dem österreichischen Mathematiker Johann Radon, der 1913 den
Spezialfall
bewies, und dem Polen Otton Marcin Nikodým, der 1930 den allgemeinen Fall beweisen konnte.
Vorbemerkung
Ist
ein Maß auf dem
Messraum
und ist
eine bezüglich
integrierbare
oder quasiintegrierbare
messbare
Funktion, so wird durch
für alle
,
ein signiertes
Maß
auf
definiert. Ist
nicht-negativ, so ist
ein Maß. Ist
integrierbar bezüglich
,
so ist
endlich.
Die Funktion
heißt dann Dichtefunktion von
bezüglich
.
Ist
eine
-Nullmenge,
das heißt, ist
,
so ist auch
.
Das (signierte) Maß
ist also absolut
stetig bezüglich
(in Zeichen
).
Der Satz von Radon-Nikodým besagt, dass unter bestimmten Bedingungen auch die Umkehrung gilt:
Formulierung des Satzes
Sei
ein σ-endliches
Maß auf dem Messraum
und sei
ein signiertes
Maß, das absolut stetig bezüglich
ist (
).
Dann besitzt
eine Dichtefunktion bezüglich
,
das heißt, es existiert eine messbare Funktion
,
so dass
für alle
.
Ist
eine weitere Funktion mit dieser Eigenschaft, so stimmt sie
-fast
überall mit
überein. Ist
ein Maß, so ist
nicht-negativ. Ist
endlich, so ist
integrierbar bezüglich
.
Die Dichtefunktion
wird auch als Radon-Nikodým-Dichte oder Radon-Nikodým-Ableitung
von
bezüglich
bezeichnet und in Analogie zur Differentialrechnung als
geschrieben.
Der Satz kann auf komplexe
aber im Allgemeinen nicht vektorielle
Maße
verallgemeinert werden. Im Falle vektorieller Maße hängt die Gültigkeit vom
verwendeten Banachraum
für die Werte des Maßes ab. Diejenigen Räume, für die der Satz seine Gültigkeit
behält, nennt man Räume mit der
Radon-Nikodym-Eigenschaft.
Eigenschaften
- Es seien
,
, und
-endliche Maße auf demselben Messraum. Falls
und
(
und
sind absolut stetig bezüglich
), dann gilt
-
-fast überall.
- Falls
ist, dann gilt
-
-fast überall.
- Falls
und
eine
-integrierbare Funktion ist, dann gilt
- Falls
und
ist, dann gilt
- Falls
ein endliches signiertes Maß oder ein komplexes Maß ist, dann gilt
Spezialfall Wahrscheinlichkeitsmaße
Es sei
ein Wahrscheinlichkeitsraum
und
sei ein zu
äquivalentes Wahrscheinlichkeitsmaß,
d.h.
und
.
Dann existiert eine positive Zufallsvariable
,
so dass
und
,
wobei
den Erwartungswert
bezüglich
bezeichnet. Ist
eine reelle Zufallsvariable, so ist
genau dann, wenn
.
Für den Erwartungswert bezüglich
gilt in diesem Fall
.
(Für die Notation siehe auch Lp-Raum.)
Ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß
auf der reellen Geraden
absolut stetig bzgl. des Lebesgue-Maßes
,
so ist die Radon-Nikodým-Dichte
die Wahrscheinlichkeitsdichte
von
,
im Sinne von Gleichheit
-fast
überall. In diesem Fall nennt man
eine absolutstetige
Wahrscheinlichkeitsverteilung; insbesondere kann
dann nicht diskret
sein.
Weiterführende Aussagen
Der Zerlegungssatz
von Lebesgue liefert eine weiterführende Aussage für den Fall, dass
nicht absolut stetig bezüglich
ist. Er befasst sich mit der Existenz und Eindeutigkeit einer Zerlegung von
,
so dass ein Teil absolutstetig bezüglich
ist, also eine Dichte bezüglich
besitzt, und ein anderer Teil singulär
bezüglich
ist.
Ebenso gibt es Formulierungen des Satzes von Radon-Nikodým für größere Klassen von Maßräumen als die σ-endlichen Maßräume, die sogenannten zerlegbaren Maßräume.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.11. 2020