Totalreflexion
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Die Totalreflexion ist ein Phänomen, das vor allem im Zusammenhang mit elektromagnetischen Wellen (beispielsweise sichtbarem Licht) bekannt ist. Sie findet an der Grenzfläche zweier nicht absorbierender Medien mit verschieden großer Ausbreitungsgeschwindigkeit statt, wenn der Einfallswinkel einen bestimmten Wert, den sogenannten Grenzwinkel der Totalreflexion, überschreitet. Eine Welle tritt dann nicht mehr überwiegend in das zweite Medium ein, sondern wird nahezu vollständig reflektiert beziehungsweise ins Ausgangsmedium „zurückgeworfen“. Unterhalb dieses Grenzwinkels ist der Reflexionsgrad an einer Grenzfläche nicht Null, da immer ein nicht zu vernachlässigender Teil der Strahlung an einer Grenzfläche reflektiert wird.
Die Vorstellung einer totalen, das heißt vollständigen Reflexion einer Welle ist eine Idealisierung, weil auch der vollständig reflektierten Strahlung in der Praxis immer ein Teil durch Absorption verloren geht. Für zum Beispiel sichtbares Licht kann bei hochtransparenten Materialien wie Wasser und Glas der absorbierte Anteil aber vernachlässigt werden. Dennoch kann es durch den Aufbau der Grenzfläche auch bei hochtransparenten Materialien zu Reflexionsminderungen kommen. Man spricht in solchen Fällen von verhinderter Totalreflexion.
Die Totalreflexion lässt sich gut bei sichtbarem Licht beobachten, wenn dieses in einem transparenten Medium wie Wasser oder Glas auf die Grenzfläche gegen Luft trifft (siehe Abbildung). Bei steilem Einfallswinkel tritt das Licht gebrochen aus. Nur ein geringer Anteil wird reflektiert (bei Glas etwa 4–5 %). Überschreitet der Einfallswinkel den Grenzwinkel, steigt der Reflexionsgrad sprunghaft auf nahezu 100 % an und liegt damit höher als bei den meisten verspiegelten Flächen.
Physikalische Erklärung
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Ein Lichtstrahl, der aus einem optisch dichteren Medium (Brechungsindex )
kommt und auf die Grenzfläche zu einem optisch dünneren Medium (Brechungsindex
)
fällt, wird gemäß dem snelliusschen
Brechungsgesetz vom Einfallslot
weg gebrochen – der Brechungswinkel
ist größer als der Einfallswinkel des Lichtes
.
Dieser Fall entspricht dem grünen Strahlenweg in der nebenstehenden
Abbildung.
Vergrößert man den Einfallswinkel ,
so verläuft der gebrochene Strahl bei einem bestimmten Wert parallel zur
Grenzfläche (gelber Strahlenweg). Dieser Winkel wird Grenzwinkel der
Totalreflexion oder auch kritischer
Winkel
genannt. Der Winkel der Totalreflexion lässt sich mittels des snelliusschen
Brechungsgesetzes berechnen:
Für Einfallswinkel größer
müsste der Brechungswinkel gemäß dem snelliusschen Brechungsgesetz größer als
90° werden. Dies steht im Widerspruch zur Voraussetzung, dass der gebrochene
Strahl in das optisch dünnere Material übertritt. Die elektromagnetische
Welle (z.B. Licht) kann nicht mehr in das optisch dünnere Medium
eindringen und wird statt des gebrochenen Strahls vollständig an der Grenzfläche
reflektiert (gilt nur für vollständig transparente Materialien, das heißt, der
Extinktionskoeffizient
ist gleich Null im entsprechenden Wellenlängenbereich). Der Reflexionswinkel
(Ausfallswinkel) ist wie bei der „normalen“, externen Reflexion gleich dem
Einfallswinkel (roter Strahlenweg). Man spricht daher von einer
Totalreflexion.
Abklingende Welle
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Die Mechanismen der Totalreflexion sind etwas anders als beispielsweise bei
der Reflexion an metallischen Oberflächen. Aus den Maxwell-Gleichungen
folgt, dass die elektromagnetische Welle an der Grenzfläche nicht schlagartig
ihre Ausbreitungsrichtung ändern kann. Es bildet sich eine stehende Welle auf
der Oberfläche aus, die ebenfalls in das nachfolgende optisch dünnere Material
eindringt. Die Feldstärke dieser Welle im nachfolgenden Material nimmt dabei
exponentiell ab. Die Eindringtiefe
(siehe auch London-Gleichung)
bezeichnet dabei die Tiefe, bei der die Amplitude der abklingenden (evaneszente) Welle nur noch
ca. 37 % (genauer: 1/
)
der Ausgangsamplitude besitzt.
Beschreibung der abklingenden Welle:
Eindringtiefe:
Eine weitere Besonderheit bei der Totalreflexion ist ein bei Experimenten beobachteter Strahlenversatz der sogenannten Goos-Hänchen-Verschiebung, d.h. der Ausgangspunkt der reflektierten Welle entspricht nicht dem Einfallspunkt der Welle.
Abgeschwächte und verhinderte Totalreflexion
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Die physikalische Beschreibung der Totalreflexion macht einige vereinfachende Annahmen. So wird die Reflexion auf zwei unendlich ausgedehnten, dielektrischen Halbräumen (transparente Materialien) betrachtet, was natürlich nicht den realen Vorgängen entspricht. Die gemachten Näherungen sind allerdings für die meisten Fälle ausreichend genau.
Einige Effekte sind mit diesen Vereinfachungen nicht erklärbar. Wird beispielsweise infrarotes Licht an der Grenzflächen von einem (infrarot transparenten) Prisma und Luft totalreflektiert, enthält das Spektrum der totalreflektierten Infrarotstrahlung Absorptionslinien von Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Die Ursache dafür ist die abklingende Welle, die mit dem optisch dünneren Medium wechselwirkt, das heißt, bestimmte Strahlungsanteile werden durch das optisch dünnere Medium absorbiert. Diese frequenz- und materialabhängigen Absorptionsanteile (Absorptionszentren des zweiten, optisch dünneren Materials) sind im reflektierten Strahl sichtbar. Man spricht daher in diesem Fall von der abgeschwächten Totalreflexion (engl. attenuated total reflection, ATR). Dieser Effekt wird unter anderem bei der ATR-Infrarotspektroskopie ausgenutzt.
Ein anderer Effekt tritt ein, wenn hinter dem optisch dünneren Material ein optisch dichteres Material (Brechungsindex vergleichbar mit dem des ersten Materials) platziert wird. In Abhängigkeit vom Abstand zur Grenzfläche, an der die Totalreflexion stattfindet, werden Anteile der abklingenden Welle in das dritte Material transmittiert. Dabei kommt es wiederum zu einer Intensitätsabschwächung der eigentlich totalreflektierten Welle, weshalb man von der verhinderten oder frustrierten Totalreflexion (engl. frustrated total internal reflection, FTIR; nicht zu verwechseln mit Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometern bzw. -spektroskopie) oder auch vom optischen Tunneleffekt spricht. Deutlich messbar wird dieser Effekt erst, wenn der Abstand zwischen ersten und dritten Material kleiner als etwa die doppelte Wellenlänge der einfallenden Welle ist.
Vorkommen in der Natur
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Das Funkeln geschliffener Diamanten, die „weiße“ Farbe von Zuckerkristallen oder faserigen Stoffen wie Papier sind - sofern sie nicht von Flüssigkeiten benetzt sind - wesentlich der Totalreflexion zuzuschreiben. Lichtstrahlen kommen in die Materialien hinein, aber erst nach einer mehr oder minder großen Zahl von Totalreflexionen wieder daraus heraus.
Technische Anwendungen
Ultraviolette, sichtbare und infrarote Strahlung
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Im Bereich des sichtbaren Lichtes ist der Brechungsindex der meisten Materialien größer als von Vakuum (oder Luft). Dies wird zum Beispiel in Umlenkprismen und in Lichtwellenleitern ausgenutzt. Hier tritt die Totalreflexion beim Übergang vom optisch dichteren Medium (Prisma, Faserkern) zur optisch dünneren Umgebung (Luft) auf, in der Glasfaser ist die dünnere „Umgebung“ i.A. eine andere Glassorte. Licht kann derart nahezu verlustfrei in eine gewünschte Richtung gelenkt werden. Glasfaserkabel können Informationen in Form des Lichtes so bis zu 20.000 Meter weit transportieren, ohne dass eine Verstärkung notwendig wird.
Ein anderes Anwendungsfeld ist der Einsatz der Totalreflexion auf Doppelbrechung basierte Polarisatoren. Dabei wird die Eigenschaft ausgenutzt, dass doppelbrechende Materialien polarisationsabhängige Brechungsindizes aufweisen, so dass in einem bestimmten Einfallswinkelbereich eine Polarisation zum Großteil transmittiert und die andere totalreflektiert wird. Dieses Verhalten kann man auch für polarisationsabhängige Strahlteiler nutzen.
Eine andere Form von Strahlteiler kann unter Nutzung der verhinderten Totalreflexion realisiert werden. Hierbei werden zwei Prismen in sehr geringen Abstand (im Bereich einer Wellenlänge des Lichtes) zueinander platziert, dabei wird ein Teil der Welle reflektiert und der andere in das zweite Prisma transmittiert. Über den Abstand lässt sich zusätzlich das Verhältnis zwischen den beiden Anteilen einstellen. Anwendung findet dieses Prinzip beispielsweise in der Holografie oder als optische Weiche bei der Übertragung mittels Lichtwellenleiter.
Auch in der Messtechnik finden die erwähnten Effekte vielfältige Anwendung. So wird die abgeschwächte Totalreflexion seit Ende der 1960er Jahre im Bereich der Infrarotspektroskopie (genauer ATR-IR-Spektroskopie) eingesetzt. Durch die geringe Eindringtiefe lassen sich so auch dünne und stark absorbierende Materialien, wie wässrige Lösungen, untersuchen. Störende Interferenzen, wie sie bei der Transmissionsmessung von dünnen Schichten zu beobachten sind, treten dabei nicht auf. Ein ähnlicher Vorteil ergibt sich in der Fluoreszenzmikroskopie und dabei speziell bei der TIRF-Mikroskopie. Dort bewirkt die geringe Eindringtiefe, dass deutlich weniger Material zum Fluoreszieren angeregt wird, was einen höheren Kontrast zur Folge hat. Weiterhin wird das zumeist empfindliche organische Material weniger schnell zerstört.
Die Totalreflexion ermöglicht den Bau optischer Konzentratoren für Konzentratorzellen, die die Kosten von Photovoltaikanlagen verringern sollen. Durch Totalreflexion gelingt dies bei geringerem Aufwand als z.B. mit Fresnellinsen. In Prototypen wird so die Bestrahlungsstärke um Faktoren von 1000 und darüber erhöht.
Röntgenstrahlung
Der Brechungsindex
aller Materialien ist bei Röntgenstrahlung
leicht kleiner als 1 (Vakuum),
dies im Unterschied zum sichtbaren Bereich, wo dieser fast immer deutlich größer
als 1 ist. Da sich die Werte meist erst nach der siebten Nachkommastelle
unterscheiden (also 0,999999(x)), wird in diesem Bereich häufig
angegeben statt
.
Typische Werte für
liegen im Bereich zwischen 10−9 und 10−5 und sind abhängig
von der Quantenenergie der Strahlung, der Ordnungszahl
und der Dichte des Materials.
Damit ist es möglich, im streifenden Einfall (θ gegen 90°) eine äußere Totalreflexion beim Übergang vom Vakuum zur Materie (also von „optisch“ dichteren zum „optisch“ dünneren Medium) zu erreichen. Ausgenutzt wird die Totalreflexion von Röntgenstrahlung in der Röntgenoptik; beispielsweise beruhen Kapillaroptiken auf diesem Prinzip.
Im Brechungsindex kann zusätzlich eine Absorption des Materials
repräsentiert werden. In diesem Fall ist der Brechungsindex eine komplexe Zahl,
deren Imaginärteil den Extinktionskoeffizienten
repräsentiert. Damit ergeben sich die Darstellungsmöglichkeiten
(d.h.
).
Die meisten Materialien sind für Röntgenstrahlung nahezu transparent, damit ist
der Extinktionskoeffizient
in der Regel kleiner als 10−6 (Es gibt aber auch hier zwischen den
Materialien Unterschiede von mehreren Größenordnungen bis zu 10−14).
(Der Sinn der komplexen Darstellung ist, dass die Amplitude
einer Welle als
formuliert werden kann.)
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 12.12. 2023