Melamin

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
Gefahrensymbol
Achtung
H- und P-Sätze H: Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
P:
  • Vor Gebrauch besondere Anweisungen einholen.
  • Schutzhandschuhe/ Schutzkleidung/ Augenschutz/ Gesichtsschutz/ Gehörschutz/ … tragen.
  • Bei Exposition oder falls betroffen: Ärztlichen Rat Einholen / ärztliche Hilfe hinzuziehen.
Toxikologische Daten

Melamin (2,4,6-Triamino-s-triazin), eine farblose Substanz, ist eine heterocyclische aromatische Verbindung mit Stickstoff. Melamin ist Ausgangsstoff für die Herstellung von Melaminharzen, die als Leime und Klebstoffe verwendet oder zu Duroplasten umgesetzt werden.

Strukturformel
Allgemeines
Name Melamin
Andere Namen
  • Cyanursäuretriamid
  • 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin (IUPAC)
  • sym-Triaminotriazin
  • MELAMINE (INCI)
Summenformel C3H6N6
Kurzbeschreibung farb- und geruchlose monokline Prismen
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 108-78-1
EG-Nummer 203-615-4
ECHA-InfoCard 100.003.288
PubChem 7955
ChemSpider 7667
Eigenschaften
Molare Masse 126,12 g/mol
Aggregatzustand fest
Dichte 1,57 g/cm3 (20 °C)
Schmelzpunkt > 280 °C (Zersetzung)
Dampfdruck < 0,1 Pa (20 °C)
Löslichkeit
  • schlecht in kaltem Wasser (3,2 g/l bei 20 °C)
  • gut in heißem Wasser, unlöslich in Diethylether

Gewinnung und Darstellung

Justus von Liebig stellte 1834 Melamin aus Kaliumthiocyanat und Ammoniumchlorid erstmals dar. Die erste kommerzielle Herstellung fand 1930 statt, worauf Bedeutung und Menge des jährlich hergestellten Melamins stark anstiegen. Früher spielte die Trimerisierung von Dicyandiamid (Cyanoguanidin) und Cyanamid eine Rolle.

Melamin wird heute technisch durch Trimerisierung von Harnstoff gewonnen. Es existieren Hochdruck- (> 8 MPa) und Niederdruckverfahren (ca. 1 MPa).

Es zählt zu den chemischen Substanzen, die in großen Mengen hergestellt werden („High Production Volume Chemical“, HPVC) und für die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Datensammlung zu möglichen Gefahren („Screening Information Dataset“, SIDS) angefertigt wurde. Bedeutende Hersteller sind unter anderem BASF, Borealis Agrolinz Melamine, der weltgrößte Produzent Orascom Construction Industries (Sparte OCI Melamine, früher DSM Melamin und Zakłady Azotowe Puławy (ZAP). Für den europäischen Markt werden auch Importe aus Asien, insbesondere aus der Volksrepublik China, immer bedeutender.

Anlagen zur Herstellung von Melamin sind meist direkt an solche zur Harnstoffherstellung angebunden.

Als Nebenprodukte entstehen neben polycyclischen Verbindungen wie Melam und Melem auch Verbindungen mit Hydroxygruppen (–OH) statt Aminogruppen (–NH2). Dies sind Ammelin mit einer, Ammelid mit zwei und Cyanursäure mit drei OH-Gruppen. Die Hydroxyverbindungen kommen im fertigen technischen Produkt meist nur in Konzentrationen von unter 0,1 % vor.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Melamin beginnt sich beim Schmelzen (ab etwa 350 °C) zu zersetzen. Es ist in kaltem Wasser wenig, in heißem gut löslich. Der Flammpunkt liegt bei > 280 °C, die Zündtemperatur bei > 600 °C.

Chemische Eigenschaften

Die drei reaktiven Amin-Gruppen ermöglichen eine Vielzahl chemischer Reaktionen, von denen die Reaktion mit Formaldehyd zu sogenannten Methylol-Melaminen die wirtschaftlich bedeutendste ist (siehe Abbildung).

Durch die Reaktionsbedingungen und das molare Verhältnis von Melamin zu Formaldehyd lässt sich das Gleichgewicht von Melamin über Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta- bis zu Hexamethylolmelamin beeinflussen.

Wenn Melamin (1) mit Formaldehyd reagiert, entstehen Methylol-Melamine unterschiedlichen Grades. So entsteht nach sechsfacher Reaktion das Hexamethylolmelamin (2).
 

Bei der Tränkharz-Herstellung (sowie auch anderen sogenannten MF-Harzen) wird das Reaktionsprodukt weiter kondensiert, wobei höhermolekulare Verbindungen entstehen.

Darüber hinaus bildet Melamin mit vielen Mineralsäuren und organischen Säuren wasserlösliche Salze.

Analytik

Die qualitative und quantitative Bestimmung von Melamin bzw. Melamin-Metaboliten in komplexen Matrices wie z.B. Lebensmitteln erfolgt zuverlässig mit hoher Spezifität und Sensitivität mit den Methoden der HPLC und der Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie. Des Weiteren wurde von Romer Labs eine Screeningmethode basierend auf dem ELISA-Prinzip entwickelt. Die Testmethode ist für Tierfutter, Weizengluten, Milch und Milchpulver nach den Kriterien der Grain Inspection, Packers and Stockyards Administration (GIPSA) zugelassen.

Verwendung

Industrie

Der überwiegende Teil von Melamin wird zu Aminoplast-Kunstharz unter der Bezeichnung Melaminharz verarbeitet:

Melamin-Schwamm oder Schmutzradierer

Weitere, mengenmäßig weniger bedeutende Anwendungen:

Sicherheitshinweise

Die orale Aufnahme hoher Mengen führt bei verschiedenen Tierarten zur Bildung von Kristallen im Urin und Harnblasensteinen. Bei der Gabe hoher Dosen im Letalbereich an Mäuse und Ratten traten als Symptome Augentränen, Atemstörungen, Zittern, Kreislaufstörungen und Lähmung der Vorderextremitäten auf. Die letale orale Dosis LD50 liegt für Ratten bei 3161 mg/kg, für Mäuse 3296 mg/kg. Bei männlichen Ratten wurde eine erhöhte Inzidenz von Harnblasentumoren beobachtet. Es kann bei langfristiger hochdosierter Einnahme zum Tod durch Nierenversagen kommen. Das dabei beobachtete Auskristallisieren in den Harnwegen beruht allerdings nicht auf Melamin, sondern auf dessen Salzen, z.B. mit Glykolsäure. Die Anreicherung in der Nahrungskette gilt als hochgradig unwahrscheinlich.

Die IARC stufte Melamin im Jahr 2017 als möglicherweise krebserzeugend ein.

Grenzwerte

Die Weltgesundheitsorganisation hat Anfang Juli 2010 im Codex Alimentarius einen maximalen Grenzwert von 2,5 Milligramm Melamin in einem Kilogramm Lebensmittel und der Tiernahrung festgelegt. Für Kindernahrung wie Milchpulver wurde ein Grenzwert von 1 Milligramm Melamin pro Kilogramm bestimmt.

Aktuelle Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung zeigten, dass Kochgeschirr und Kochgeräte aus Melamin nicht auf 100 °C erhitzt werden dürfen, da sonst relevante Mengen an Melamin und Formaldehyd freigesetzt werden können. Bis zu einer Temperatur von 70 °C bestehen aus gesundheitlicher Sicht keine Bedenken. 2019 ergab eine Untersuchung des Instituts, dass sich aus Melamin-Formaldehyd-Harz (MFH)-Geschirr allgemein und insbesondere aus „Bambusware“-Geschirr gesundheitlich bedenkliche Mengen an Formaldehyd und Melamin lösen können, wenn es mit heißen Flüssigkeiten wie Kaffee, Tee oder Säuglingsfolgenahrung gefüllt wird. Das als „Bambusware“ beworbene MFH-Geschirr enthält Bambusfasern als Füllstoff, ist jedoch trotz des Zusatzes natürlicher Füllstoffe nicht biologisch abbaubar. Aus den „Bambusware“-Gegenständen wurden im Mittel sogar wesentlich höhere Freisetzungsmengen an Formaldehyd und Melamin gemessen als aus „herkömmlichem“ MFH-Geschirr. Für Melamin war die Freisetzung im Mittel mehr als doppelt so hoch. Während die gemessenen Melamin-Werte laut des BfR kein Gesundheitsrisiko für Erwachsene darstellen, könnten Kleinkinder, die sehr häufig heiße Lebensmittel aus MFH-Geschirr und insbesondere aus „Bambusware“ verzehren, täglich bis zur dreifachen Menge der tolerierten Tagesdosis aufnehmen.

Missbrauch in Tierfutter und Lebensmitteln

In China wurde 2006 eine für die USA bestimmte Charge von Weizengluten – ein Bestandteil von Haustierfutter – mit Melamin versetzt, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Die Verfütterung führte zum Tod von Haustieren durch Nierenversagen, und 2007 wurde ein landesweiter Rückruf des Futters eingeleitet. Zur Pathophysiologie von Melamin bei Hauskatzen wurde inzwischen eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung vorgelegt.

Um die illegale Streckung von Milchpulver und anderen Milchprodukten durch bislang noch unbekannte Stoffe, aber auch Wasser, zu verdecken, wurde von chinesischen Molkereien und Babynahrungsherstellern dem Milchpulver Melamin zugesetzt. Der dadurch erhöhte Stickstoffgehalt täuscht einen höheren Proteinanteil vor, da die Bestimmung des Stickstoffgehalts nach Kjeldahl in der Lebensmittelanalytik als einfache, aber unspezifische Methode zur Ermittlung des Proteingehalts verwendet wird. Die für die Niere giftige Wirkung von Melamin führte 2008 in China zum Tod von sechs Säuglingen und durch Nierenstein-Bildung zur Erkrankung von rund 294.000 Kindern. Melamin wurde außerdem in Milchfertigprodukten und gewöhnlicher Flüssigmilch nachgewiesen.

Laut Merck Sequant, die an der Herstellung von entsprechenden Testverfahren beteiligt sind, wäre Melamin per se nicht besonders giftig. Erst bei der Kombination mit Cyanursäure, einem Abbauprodukt von Melamin, werden Nierensteine in erheblichem Maß gebildet. Daher wird vermutet, dass in dem konkreten Fall Milchpulver mit minderwertigem, unreinem Melamin gestreckt wurde, das Panschen mit Melamin an sich aber seit Jahren unbemerkt vor sich gegangen ist.

Am 25. September 2008 verbot die Kommission der Europäischen Union die Einfuhr aller Erzeugnisse für Säuglinge und Kleinkinder aus China, welche Milchanteile enthalten. Dennoch mussten Anfang Oktober 2008 sowohl in Österreich als auch in der Slowakei mit Melamin belastete Milchgetränke aus dem Verkehr gezogen werden. Ende 2008 fand das baden-württembergische Verbraucherministerium in Hirschhornsalz aus China Spuren von Melamin. Die Behörden starteten eine Rückrufaktion der betroffenen Ware, die nicht dem Reinheitsgebot nach dem Lebensmittelrecht entspricht.

Im ersten Prozess um die vergiftete Babynahrung verurteilte ein Gericht in der Provinz Hebei im Januar 2009 drei Angeklagte zum Tode, zwei von ihnen wurden am 24. November 2009 hingerichtet. Sie wurden für schuldig befunden, an der Herstellung von verseuchtem Milchpulver beteiligt gewesen zu sein. Das Gericht verhängte außerdem für weitere Angeklagte Haftstrafen zwischen fünf und 15 Jahren.

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.10. 2024