Dirac-Notation
Die Dirac-Notation, auch Bra-Ket-Notation, ist in der Quantenmechanik eine Notation für quantenmechanische Zustände. Die Notation geht auf Paul Dirac zurück. Die ebenfalls von ihm eingeführte Bezeichnung Bra-Ket-Notation ist ein Wortspiel mit der englischen Bezeichnung für eine Klammer (bracket). In der Bra-Ket-Notation wird ein Zustand ausschließlich durch seine Quantenzahlen charakterisiert.
In der Bra-Ket-Notation schreibt man die Vektoren
eines Vektorraums
auch außerhalb eines Skalarprodukts
mit einer spitzen Klammer als Ket
.
Jedem Ket
entspricht ein Bra
der dem Dualraum
angehört, also eine lineare
Abbildung von
in den zu Grunde liegenden Körper
repräsentiert, und umgekehrt. Das Ergebnis der Operation eines Bras
auf einen Ket
wird
geschrieben, womit der Zusammenhang mit der konventionellen Notation des
Skalarprodukts hergestellt ist.
In der Physik wird die Notation verwendet, gleich ob es sich dabei um
Vektoren eines Vektorraumes oder um Funktionen in einem Hilbert-Raum handelt. Die
mathematische Rechtfertigung für die Bra-Ket-Notation ergibt sich aus dem Satz
von Fréchet-Riesz, den F.
Riesz und M.
Fréchet 1907 unabhängig voneinander bewiesen. Er besagt unter anderem, dass
ein Hilbertraum und sein
topologischer Dualraum isometrisch
isomorph
zueinander sind. In unserem Zusammenhang: Zu jedem Ket
existiert das entsprechende Bra
,
und umgekehrt.
Darstellung
Sei
ein Vektor eines komplexen
-dimensionalen
Vektorraums
.
Der Ket-Ausdruck
kann als Spaltenvektor
mit komplexen Elementen
(
)
dargestellt
werden:
Wichtig ist dabei, dass
und der dazugehörige Spaltenvektor
nicht dasselbe mathematische Objekt sind und somit kein
Gleichheitszeichen verwendet werden darf.
Dies wird insbesondere daran deutlich, dass die Bra-Ket-Schreibweise von der
Wahl einer Basis
unabhängig ist, während die Darstellung durch Koordinatenvektoren
die Wahl einer Basis voraussetzt. Stattdessen sollte deutlich gemacht werden,
dass es sich bei
um die Darstellung
von
handelt. Dies kann durch die Verwendung von Zeichen wie
,
,
etc. erfolgen.
Der Bra-Ausdruck
kann demnach als Zeilenvektor mit den konjugierten
Werten dargestellt werden:
Beispiele
Teilchen mit Spin
Durch die Notation
kann ein Elektron im Zustand 1s
mit Spin up des Wasserstoffatoms
bezeichnet werden.
Photon
Der Polarisationszustand eines
Photons kann
als Überlagerung
zweier Basiszustände
(vertikal polarisiert) und
(horizontal polarisiert), angegeben werden:
,
wobei
und
System aus mehreren Bosonen
Gegeben sei eine Anzahl von
Bosonen
mit jeweils einem bestimmten Impuls
.
Der Zustand lässt sich mittels der Dirac-Notation kompakt abbilden:
Zustandsvektor | Besetzungszahldarstellung | Erläuterung | |
---|---|---|---|
0 | 0 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 0 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
1 | 1 Teilchen befindet sich im Zustand 1. 0 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
1 | 0 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 1 Teilchen befindet sich im Zustand 2. | ||
2 | 2 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 0 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
2 | 1 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 1 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
2 | 0 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 2 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
3 | 3 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 0 Teilchen befinden sich im Zustand 2. | ||
3 | 2 Teilchen befinden sich im Zustand 1. 1 Teilchen befindet sich im Zustand 2. | ||
Skalarprodukt
Das Skalarprodukt
eines Bra
mit einem Ket
wird in Bra-Ket-Notation geschrieben als:
Dies kann als Anwendung des Bras
auf den Ket
aufgefasst werden.
Für komplexe Zahlen
und
gilt:
(Linearität)
Aufgrund der Dualitätsbeziehung gilt außerdem:
(komplexe Konjugation)
Tensorprodukt
Das Tensorprodukt
eines Ket
mit einem Bra
wird geschrieben als
Im Fall gewöhnlicher Vektoren entspricht das Tensorprodukt einer Matrix.
Für eine vollständige Orthonormalbasis
führt die Operation
eine Projektion auf den Basiszustand
aus. Dies definiert den Projektionsoperator auf den Unterraum des
Zustands
:
Eine besonders wichtige Anwendung der Multiplikation von Ket mit Bra ist der
Einheitsoperator ,
der sich als Summe über die Projektionsoperatoren ergibt zu
(In unendlich-dimensionalen Hilberträumen ist bei diskreter Basis der Limes
zu betrachten.)
Diese „Darstellung des Einheitsoperators“ ist insbesondere deshalb von so
herausragender Bedeutung, da man damit jeden Zustand
in einer beliebigen Basis
entwickeln kann.
Ein Beispiel einer Basisentwicklung durch Einschieben der Eins:
Dies ist die Darstellung des Zustands-Kets
in der
-Basis
durch das sogenannte Einschieben der Eins.
Dass dies immer funktioniert, ist eine unmittelbare Konsequenz der Vollständigkeit des Hilbertraums, in dem die Zustände, also die Kets, 'leben'.
Für eine kontinuierliche Basis ist statt der Summe ein Integral zu bilden. So
erhält man beispielsweise für den Ortsraum die Summe über das Ortskontinuum und
damit den Einheitsoperator als Integral über den ganzen :
Natürlich ist auch mit einer solchen kontinuierlichen Basis eine
Basisentwicklung möglich, was in der Regel auf ein Fourierintegral
führt. Technisch handelt es sich dabei nicht um eine Entwicklung nach
Basisvektoren des Hilbertraums, da es in den betrachteten separablen Räumen kein
Kontinuum von paarweise orthogonalen Vektoren geben kann: Vektoren der Art
bilden vielmehr eine mathematisch nicht-triviale Erweiterung des betrachteten
Hilbertraums, und man nennt sie daher auch manchmal „uneigentliche Vektoren“,
weil sie wie die Deltafunktion
oder wie monochromatische ebene
Wellen nicht quadratintegrierbar sind. (Auch der Begriff der Orthogonalität muss
hierbei verallgemeinert werden, indem man statt der sonst üblichen Kroneckersymbole
Deltafunktionen benutzt.)
Beachtet man bei Rechnungen diese Details, die im Grunde nur auf die
„Rezepte“
und
hinauslaufen, so bleibt die Basisentwicklung eine brauchbare Analogie.
Darstellungen in der Quantenmechanik
In der Quantenmechanik arbeitet man häufig mit Projektionen von Zustandsvektoren auf eine bestimmte Basis anstatt mit den Zustandsvektoren selbst.
Die Projektion auf eine bestimmte Basis wird Darstellung genannt. Ein Vorteil davon ist, dass die so erhaltenen Wellenfunktionen komplexe Zahlen sind, für die der Formalismus der Quantenmechanik als partielle Differentialgleichung geschrieben werden kann.
- Darstellung in der Ortsraum-Basis (Ortsdarstellung):
- Sei
ein Eigenzustand des Ortsoperators
mit der Eigenschaft
.
- Die Wellenfunktion
ergibt sich durch Projektion als
- Das Skalarprodukt ist
- Darstellung in der Impulsraum-Basis (Impulsdarstellung):
- Sei
ein Eigenzustand des Impulsoperators
mit der Eigenschaft
.
- Die Wellenfunktion
ergibt sich durch Projektion als
- Das Skalarprodukt ist jetzt dasselbe wie zuvor
Allgemein gilt, dass Skalarprodukte bei einem beliebigen Basiswechsel invariant sind. Beispiele sind die Übergänge („Darstellungswechsel“) von einem vollständigen Satz von Eigenvektoren und/oder uneigentlichen Eigenvektoren selbstadjungierter Operatoren des Systems zum anderen, z.B. der Übergang von einem Matrixsystem zum anderen oder der Übergang von einer Matrixdarstellung zur Orts- oder Impulsdarstellung.
- Matrixelemente einer invariant definierten „Messgröße“,
mit zugeordnetem, von der benutzten Basis abhängigen Operator
sind in allen Basen gleich, obwohl die Operatoren selbst im Allgemeinen unterschiedliche Darstellungen besitzen. So berechnet man etwa in der Ortsdarstellung
-
- Die Diagonalelemente, also die mit
, sind zugleich die Erwartungswerte des Operators in den jeweiligen Zuständen.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.01. 2021