Tensorprodukt
Das Tensorprodukt ist ein sehr vielseitiger Begriff der Mathematik: In der linearen Algebra und in der Differentialgeometrie dient es zur Beschreibung von multilinearen Abbildungen, in der kommutativen Algebra und in der algebraischen Geometrie entspricht es einerseits der Einschränkung geometrischer Strukturen auf Teilmengen, andererseits dem kartesischen Produkt geometrischer Objekte.
In der Physik bezeichnet man Elemente des Tensorprodukts
(für einen Vektorraum
mit Dualraum
,
oft
)
als Tensoren, kontravariant
der Stufe
und kovariant
der Stufe
.
Kurz spricht man von Tensoren vom Typ
.
Dieser Artikel beschreibt die mathematischen und koordinatenfreien Aspekte des Tensorproduktes. Für einzelne Tensoren und Koordinatendarstellungen siehe Tensor.
Tensorprodukt von Vektorräumen
Zur Motivation
In der Quantenmechanik
ist der Zustandsraum
eines Objekts ein Hilbertraum.
Hat man
Teilchen mit Zuständen
in Hilberträumen
und betrachtet nun die Zustände des aus den Teilchen gebildeten Systems
,
so sind da zunächst die Zustände, die die Information zusammenfassen, die in den
Zuständen
dieser Teilchen, jedes für sich allein, enthalten ist, und die man
Produktzustände
nennt. Da die Quantenmechanik verlangt, dass auch jede Überlagerung von
Zuständen eines Objekts (hier
)
wieder ein möglicher Zustand des Objekts ist, muss das mathematische Modell
außer den genannten Produkten auch beliebige Linearkombinationen enthalten, die
dann insgesamt den Hilbertraum des Systems
bilden. Der neue Vektorraum wird mit
bezeichnet und Tensorprodukt genannt. Die Bedürfnisse der Physik und auf
Seiten der Mathematik das Bestreben, die Konstruktion so einfach wie möglich zu
halten, führen zu der unten gegebenen Definition. Das Skalarprodukt des
Hilbertraumes bleibt dabei als zusätzliche Struktur zunächst unberücksichtigt.
Definition
Sind
und
zwei Vektorräume über einem
gemeinsamen Skalarkörper
,
so ist das Tensorprodukt
ein Vektorraum, der wie folgt konstruiert werden kann: Ist
eine Basis
von
und
eine Basis von
,
dann ist
ein Vektorraum, genannt Tensorproduktraum, in dem es eine Basis gibt, die
auf eindeutige Weise mit den geordneten Paaren des kartesischen Produkts
der Basen der Ausgangsräume identifiziert werden kann. Die Dimension von
ist demzufolge gleich dem Produkt der Dimensionen von
und
.
Das Element dieser Basis, das dem geordneten Paar
entspricht, wird als
notiert. Das Symbol
hat dabei bis hierher keine tiefere Bedeutung. Ein beliebiges Element des
Tensorprodukts
hat dann die Gestalt
wobei
und
endliche Teilmengen der Indexmengen
und
sind und
für jedes
und
gilt.
Man kann nun mit Hilfe dieser Basis ein Produkt von Vektoren aus
und
definieren, das mit demselben Verknüpfungssymbol notiert wird. Natürlicherweise
ist das Produkt zweier Basisvektoren
und
gerade der Basisvektor, der mit
bezeichnet wurde. Das Produkt beliebiger Vektoren kann nun durch bilineare
Fortsetzung erhalten werden,
und
mit endlichen Teilmengen
wird das Produkt
zugeordnet.
Endlichdimensionaler Fall
Für endlichdimensionale Vektorräume
mit Basis
und
mit Basis
kann das Tensorprodukt direkt als Raum von Matrizen
konstruiert werden. Die Zeilen werden mit dem Basisindex
von
nummeriert, die Spalten mit dem Basisindex
von
.
Das Tensorprodukt zweier Vektoren
,
ist diejenige Matrix, deren Eintrag an der Stelle
die
-te
Koordinate von
bezüglich
multipliziert mit der
-ten
Koordinate von
bezüglich
ist. In der Sprache der Matrizen heißt diese Konstruktion auch dyadisches Produkt
der Koordinatenvektoren.
Eigenschaften
Für das Tensorprodukt von Vektoren gelten folgende Rechenregeln für alle
und
sowie
:
(1) | ||
(2) | ||
(3) |
Mit anderen Worten: Die Abbildung ;
ist
-bilinear.
Diese Regeln sehen aus wie Distributivgesetze
bzw. Assoziativgesetze,
was den Namen Tensorprodukt motiviert.
Ein Kommutativgesetz
gilt im Allgemeinen nicht, denn für
gehören die Tensoren
und
nur dann demselben Vektorraum an, wenn die Räume
und
identisch sind. Jedoch sind auch in diesem Fall die Tensoren
und
im Allgemeinen verschieden.
Tensorprodukt von Vektorräumen mit linearen Abbildungen
Gegeben seien zwei Vektorräume
je mit einer linearen Abbildung auf einen weiteren Vektorraum,
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
die
zu einer Abbildung
fortsetzt. Diese Abbildung wird mit demselben Verknüpfungssymbol als
geschrieben und heißt das Tensorprodukt von
und
Im Sinne der Kategorientheorie
bildet das Paar von Abbildungen
einen Funktor.
Die in einem Funktor zusammengefassten Abbildungen mit dem gleichen Symbol (hier
)
zu bezeichnen, ist üblich.
Die Konstruktion geht aus von Basen
von
und
Die
bilden (s.o.) eine Basis von
Die Forderung
auf den Elementen dieser Basis definiert eindeutig eine lineare Abbildung
Hierdurch wird
auch für die anderen Elemente von
nicht nur für die Paare
Aus den Darstellungen von
und
als
und
ergibt sich nämlich
Beginnt man die Konstruktion mit anderen Basen
von
und
definiert man also eine lineare Abbildung
durch
so ergibt sich nun
Die Abbildungen
und
stimmen auf den Elementen einer Basis von
überein, sind also identisch. Die Konstruktion von
ist von der Wahl der Basen unabhängig.
Universaldefinition
Bisher wurde die Frage umgangen, welcher Natur denn der mit
bezeichnete Vektorraum im allgemeinen Fall ist. Die bisher angegebenen
Forderungen an diesen Vektorraum können verkürzt, aber eindeutig in Form einer
Universaldefinition
angegeben werden.
Als Tensorprodukt der -Vektorräume
und
wird jeder
-Vektorraum
bezeichnet, zu dem es eine bilineare
Abbildung
gibt, welche die folgende universelle Eigenschaft erfüllt:
- Jede weitere bilineare Abbildung
in einen
-Vektorraum
faktorisiert linear eindeutig über
. Dies heißt exakter, dass es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
gibt, sodass für beliebige Paare von Vektoren gilt:
- also
Gibt es einen solchen Vektorraum, so ist er bis auf Isomorphie eindeutig
bestimmt, d.h. für jede andere bilineare Abbildung
mit der universellen Eigenschaft gibt es einen Isomorphismus
,
sodass
gilt. Es wird
und
notiert. Die universelle Eigenschaft kann also als
geschrieben werden, oft verzichtet man auf die Vergabe unterschiedlicher
Bezeichnungen, da der Definitionsbereich aus dem Argument ablesbar ist.
Um nun tatsächlich Vektorräume anzugeben, die diese Definition erfüllen, gibt es zwei übliche Wege: einmal im endlichdimensionalen Fall über den Raum der Bilinearformen auf den Dualräumen, wie im Folgenden angegeben, und zum anderen durch die Konstruktion eines einfach anzugebenden, aber zu großen Raumes, von dem ein Quotientenraum nach einem geeigneten Unterraum die Eigenschaften des Tensorproduktes erhält. Die letztgenannte Konstruktion wird im Artikel Tensorprodukt von Moduln ausgeführt.
Natürliche Homomorphismen
Aus der Universaldefinition folgt, dass der Vektorraum
der bilinearen Abbildungen
kanonisch isomorph zum Vektorraum
der linearen Abbildungen
ist:
Es sei
eine bilineare Abbildung. Dann kann man zeigen, dass durch
eine lineare Abbildung definiert wird.
Ist umgekehrt
eine lineare Abbildung, so ist die Abbildung
bilinear.
Weiterhin gibt es einen natürlichen Monomorphismus ,
definiert durch
.
Dieser ist genau dann ein Isomorphismus, wenn
oder
endlichdimensional ist.
Durch Currying erhält man außerdem
einen Isomorphismus .
Für endlichdimensionale Vektorräume und
gilt also
wobei z.B.
der Dualraum von
ist und der Isomorphismus
verwendet wird. Allgemein ist
,
definiert durch
,
ein Isomorphismus von Vektorräumen.
Ersetzt man
durch seinen Dualraum und benutzt die natürliche Identifikation
mit dem Bidualraum,
so erhält man einen Isomorphismus
,
definiert durch
.
Für den Fall, dass beide Vektorräume unendlichdimensional sind, hat man nur
einen natürlichen Monomorphismus.
Tensorprodukt und Bilinearformen
Aus der Universaldefinition folgt .
Im Fall endlichdimensionaler Vektorräume kann man das Tensorprodukt von
und
also auch als den Dualraum
des Vektorraums aller bilinearen Abbildungen
definieren.
Ein Grund, weshalb man nicht statt des Tensorproduktes mit dem Raum der Bilinearformen arbeitet, ist: Multilinearformen, also beispielsweise Abbildungen
für drei -Vektorräume
,
,
,
die linear in jeder Komponente sind, entsprechen linearen Abbildungen
aber es gibt keine ähnlich einfache Möglichkeit, Räume von Multilinearformen durch Räume von Bilinearformen auszudrücken; dabei bezeichnet
die Räume
bzw.
die mit Hilfe von
kanonisch identifiziert werden können. Diese Identifizierung entspricht dem Umstand, dass man aus einer Multilinearform
einerseits durch Festhalten des Argumentes aus
eine Bilinearform
andererseits durch Festhalten des Argumentes aus
eine Bilinearform
erhalten kann.
Erweiterung der Skalare
Ist
ein Vektorraum über
und
ein Erweiterungskörper
von
,
so kann man das Tensorprodukt
bilden, indem man auch
als
-Vektorraum
auffasst; dies wird durch
symbolisiert.
wird zu einem Vektorraum über
,
wenn man
setzt. Die Dimension von
als
-Vektorraum
ist gleich der Dimension von
als >
-Vektorraum:
Ist
eine
-Basis
von
,
so bildet die Menge
eine -Basis
von
.
Tensorprodukt von Darstellungen
Seien
lineare Darstellungen. Wir definieren die lineare Darstellung
in das Tensorprodukt von
und
durch
für ,
wobei das Tensorprodukt von Matrizen das Kronecker-Produkt
ist. Diese Darstellung wird äußeres Tensorprodukt der Darstellungen
genannt. Existenz und Eindeutigkeit folgen aus den Eigenschaften
des Tensorprodukts.
Seien
und
zwei lineare Darstellungen derselben Gruppe und sei
dann kann
definiert werden durch
für
Man schreibt dafür
Die Abbildung
definiert dann eine lineare Darstellung von
die ebenfalls Tensorprodukt der gegebenen Darstellungen genannt wird.
Man muss diese beiden Fälle jedoch strikt unterscheiden. Der erste Fall ist
eine Darstellung des Produkts zweier Gruppen in das Tensorprodukt der jeweils
zugehörigen Darstellungsräume. Der zweite Fall ist eine Darstellung einer Gruppe
ins Tensorprodukt von Darstellungsräumen dieser Gruppe. Der zweite Fall kann
jedoch als Spezialfall des ersten Falls angesehen werden, indem man die
diagonale Untergruppe
betrachtet. Die Definitionen können endlich oft iteriert werden.
Seien
und
Darstellungen der Gruppe
dann ist
eine Darstellung, wie durch die Identifikation
ersichtlich ist. Sei
und sei
die Darstellung auf
die Darstellung auf
die Darstellung auf
Dann liefert die obige Identifikation die Gleichung
für alle
Die irreduziblen Darstellungen von
sind bis auf Isomorphie genau die Darstellungen
,
für die
und
die irreduziblen Darstellungen von
bzw.
sind.
Dieses Ergebnis schränkt das Studium der Darstellungen von
auf das Studium der Darstellungen von
und
ein.
Das folgende Beispiel illustriert den Unterschied zwischen direkter Summe und Tensorprodukt. Sei
die lineare Darstellung, die gegeben ist durch
Und sei
die lineare Darstellung, die gegeben ist durch
Dann ist das äußere Tensorprodukt
gegeben durch
wobei
Die lineare Abbildung
die zum Erzeuger
gehört, ist dann in der Basis von
gegeben durch:
Ein Vergleich mit der direkten Summe zeigt den Unterschied. Die erhaltenen Darstellungen besitzen auch nicht denselben Grad.
Symmetrisches und alternierendes Quadrat
Sei
eine lineare Darstellung von
und
eine Basis von
Definiere
indem wir
linear fortsetzen. Dann gilt
und
Damit zerfällt
in
wobei
und
Diese Unterräume sind -invariant
und definieren so Teildarstellungen, die symmetrisches bzw.
alternierendes Quadrat genannt werden. Diese Teildarstellungen existieren
auch für
werden dann allerdings mit Hutprodukt
und symmetrisches Produkt
bezeichnet. Im Falle
ergibt sich
dann im Allgemeinen nicht mehr als die direkte Summe der beiden Produkte.
Tensorprodukt von Moduln
Der Begriff des Tensorprodukts lässt sich von dem des Tensorprodukts von Vektorräumen über einem Körper auf den des Tensorprodukts von Moduln über einem (beliebigen, auch nichtkommutativen) Ring mit 1 verallgemeinern.
Um interessante Objekte auch im nichtkommutativen Fall zu erhalten, muss die Bedingung (3) geringfügig abgeschwächt werden.
Struktur der Elemente
Elementare Tensoren
Ein elementarer Tensor (auch reiner oder einfacher
Tensor) im Tensorprodukt
ist ein Element von der Form
mit
.
Allgemeine Gestalt
Jedes Element des Tensorprodukts ist eine endliche Summe von elementaren Tensoren. Im Allgemeinen lässt sich nicht jeder Tensor als elementarer Tensor schreiben.
Zum Beispiel ist der Tensor
kein elementarer Tensor im Tensorprodukt
,
wobei
die Standardbasisvektoren sind (dagegen
durchaus).
Ist
ein kommutativer Ring und
ein von einem Element erzeugter
-Modul,
dann ist jeder Tensor des Tensorprodukts
ein elementarer Tensor für jeden beliebigen
-Modul
Weiterführende Begriffe
In der Algebra:
In der Differentialgeometrie:
In der Funktionalanalysis
- Projektives Tensorprodukt (Banachräume, lokalkonvexe Räume)
- Injektives Tensorprodukt (Banachräume, lokalkonvexe Räume)
- Räumliches Tensorprodukt (C*-Algebren)
- Maximales Tensorprodukt (C*-Algebren)
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.10. 2021