Fundierungsaxiom
Das Fundierungsaxiom (auch: Regularitätsaxiom) ist ein Axiom der Mengenlehre von John von Neumann von 1925, die in der Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre (NBG) aufging, und ein Axiom der verbreiteten Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre (ZF) von 1930. Ernst Zermelo gab ihm den Namen und eine einfache Formulierung für einen Bereich von Mengen und Urelementen mit folgendem Wortlaut:
-
- Jeder nichtleere Teilbereich
enthält wenigstens ein Element
, das kein Element
in
hat.
- Jeder nichtleere Teilbereich
Formalisiert lautet das Fundierungsaxiom für den Bereich
im Sinne der Klasse aller Mengen und Urelemente (Allklasse):
In der reinen Mengenlehre, in der alle Variablen Mengen bezeichnen, gibt es
kürzere Formulierungen des Fundierungsaxioms, bei denen
aus der Formel eliminiert wird, zum Beispiel folgende Fassung:
Das hier existierende Element
nennt man auch ∈-minimales Element von
,
da es kein Element
mit
gibt. Das Fundierungsaxiom sichert also die Existenz eines ∈-minimalen Elements
jeder nichtleeren Menge.
Zulässige Folgerungen
Das Fundierungsaxiom verhindert zyklische Elementketten: .
Die Menge
,
deren Existenz mit Hilfe des Paarmengen- und des Vereinigungsaxioms gesichert
ist, widerspräche dann nämlich dem Fundierungsaxiom, sie hätte kein ∈-minimales
Element. Es gibt somit auch keine Menge, die sich selbst als Elemente enthält
(
).
Des Weiteren verhindert das Fundierungsaxiom die Existenz einer auf
definierten Funktion
(aufgefasst als Menge), mit
für alle
,
da das Bild dieser Funktion, welches aufgrund des Ersetzungsschemas als
Menge existiert, kein ∈-minimales Element besäße. Man beachte jedoch, dass sich
aus der Formelmenge
kein Widerspruch ableiten lässt, vorausgesetzt, dass ZFC widerspruchsfrei ist,
denn bei einem solchen Widerspruchsbeweis könnten nur endlich viele Formeln
benutzt werden, was offensichtlich zu keinem Widerspruch führen würde. Oder
anders ausgedrückt: Aufgrund des Kompaktheitssatzes
gibt es, falls es Modelle von ZFC gibt, auch Modelle, die nicht bezüglich der
Elementrelation ∈ fundiert
sind. Betrachtet man ein Modell der oben konstruierten Formelmenge, so kann es
in diesem Modell keine Menge geben, die genau die
als Element enthält. Diese Menge würde nämlich dem Fundierungsaxiom
widersprechen (sie besäße kein ∈-minimales Element).
Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom
Es gibt auch Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom. Dazu gehört die
ursprüngliche Zermelo-Mengenlehre,
in der Zermelo ausdrücklich zirkelhafte (oder zirkuläre) Mengen
(mit zyklischen Elementketten, etwa mit )
einkalkulierte,
oder die Ackermann-Mengenlehre.
Bei beiden kann aber das Fundierungsaxiom hinzugefügt werden, ohne einen (vorher
noch nicht vorhandenen) Widerspruch zu erzeugen. Zu nennen ist auch die
Mengenlehre von Willard Van Orman Quine,
der Individuen-Mengen
durch
definierte, so dass diese zirkelhaft sind und das Fundierungsaxiom definitiv
nicht gilt.
In solchen Mengenlehren ohne Fundierungsaxiom sind zirkelhafte Mengen möglich,
was zeigt, dass diese nicht unbedingt einen Widerspruch erzeugen. Die Bildung
gewisser zirkelhafter Mengen wie der Allmenge oder der Menge der Ordinalzahlen,
die in der naiven
Mengenlehre Widersprüche erzeugen, ist schon in der Zermelo-Mengenlehre ohne
Fundierungsaxiom ausgeschlossen. Allgemein kann das Hinzufügen eines Axioms
keine Widersprüche verhindern, die es ohne das Axiom gegeben hätte, da das
Hinzufügen eines Axioms die Menge der beweisbaren Sätze nur vergrößern, nicht
aber verkleinern kann.
Vorgeschichte
Die Idee, ∈-fundierte Mengen als normale Mengen zu betrachten, geht auf Dmitry Mirimanoff zurück, der 1916 die in der ursprünglichen Zermelo-Mengenlehre erlaubten zirkulären Mengen als extraordinär bezeichnete. Diese extraordinären Mengen wollte Abraham Fraenkel 1921 aus der Mengenlehre ausscheiden durch ein Beschränktheitsaxiom, „das dem Mengenbereich den geringsten mit den übrigen Axiomen verträglichen Umfang auferlegt“. Sein Beschränktheitsaxiom ist aber nicht in der Sprache der Mengenlehre formulierbar. Die erste korrekte Formel, die den Ausschluss extraordinärer Mengen erreichte, gab Neumann 1925 in seinem Beschränktheitsaxiom an, das aber komplizierter ist als das verbreitete Fundierungsaxiom von Zermelo.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.04. 2021