Ferroelektrikum
Ferroelektrizität (oder auch Polarisationskatastrophe) beschreibt das Phänomen, dass Stoffe mit einem elektrischen Dipolmoment durch das Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes die Richtung der spontanen Polarisation ändern. Die Ferroelektrizität wurde früher als Seignette-Elektrizität (selten auch als Seignettesalzelektrizität) bezeichnet, da sie am Seignettesalz (Kaliumnatriumtartrat) entdeckt wurde.
Eigenschaften
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Ferroelektrizität kommt nur in Kristallen vor, in denen die kristalline Symmetrie eine polare Achse zulässt. Dadurch kommt es durch die Verschiebung verschieden geladener Ionen im Kristallgitter zur spontanen Polarisation. Im Unterschied zu piezo- und pyroelektrischen Stoffen kann die elektrische Polarisation in Ferroelektrika durch das Anlegen einer Spannung umgepolt werden. Ferroelektrische Stoffe sind immer auch pyroelektrisch und somit auch piezoelektrisch.
Die Vorsilbe „Ferro-“ bezieht sich bei den Ferroelektrika nicht auf eine
Eigenschaft von Eisen, sondern auf die Analogie zum Ferromagnetismus. Wie
bei den Ferromagnetika die Magnetisierung, so verschwindet bei Ferroelektrika
die Polarisation bei hohen Temperaturen (der ferroelektrischen
Curie-Temperatur) – das Material ist dann paraelektrisch.
Oberhalb dieser Temperatur folgt die elektrische
Suszeptibilität analog zur magnetischen
Suszeptibilität
dem Curie-Weiss-Gesetz.
Bei Abkühlung des Materials findet bei Unterschreiten der Curie-Temperatur ein
Phasenübergang statt, der in der Regel mit einer Strukturveränderung
(Verringerung der Kristallsymmetrie) zusammenfällt und das Material wird wieder
ferroelektrisch. Dabei steigt die relative Permittivität zu tieferen
Temperaturen erheblich an, bei 4 K liegt sie oftmals um den Faktor 10 bis
20 über dem Wert bei Raumtemperatur und kann Werte oberhalb von 106
erreichen.
Ferroelektrische Kristalle bilden Domänen, also
Bereiche mit gleicher Polarisationsrichtung. Von Domäne zu Domäne ändert sich
die Polarisationsrichtung im Bereich weniger Atomlagen, in denen die
Polarisation verschwindet. Die ferroelektrischen Domänenwände sind nur wenige Nanometer
breit. Im Gegensatz dazu ändert sich beim Ferromagnetismus
die Orientierung der Magnetisierung schrittweise über einen Bereich von
10 nm und mehr. Wegen der schmaleren Domänenwände können unterschiedlich
orientierte Domänen in ferroelektrischen Dünnschichten eine höhere Dichte
aufweisen als in ferromagnetischen Dünnschichten. Deshalb erhofft man sich eine
höhere maximale Informationsdichte bei der Entwicklung ferroelektrischer
Speichermedien gegenüber ferromagnetischen. Die Polarisation
kann durch Anlegen eines externen elektrischen Feldes
,
wie in nebenstehender Skizze dargestellt, umgepolt werden und folgt dabei einer
Hysteresekurve.
Anwendung
Ferroelektrika werden zur Herstellung höchst präziser mechanischer Aktoren (Verschiebeelemente) genutzt. Unter Verwendung des inversen piezoelektrischen Effektes sind Verschiebungen mit einer Auflösung von weniger als einem Atomdurchmesser möglich. Sie werden beispielsweise in Rasterkraftmikroskopen, Rastertunnelmikroskopen oder anderen Rastersondenmikroskopen verwendet.
Ferroelektrika besitzen in der Regel eine hohe bis sehr hohe relative Permittivität ()
im Bereich zwischen 100 und 100.000, weshalb sie als Material für Keramikkondensatoren
mit hohen Volumenkapazitäten verwendet werden. Sie ersetzen zunehmend die Elektrolytkondensatoren
und zeichnen sich gegenüber diesen durch geringe äquivalente Serienwiderstände
und -induktivitäten (ESR und ESL) aus. Nachteilig sind jedoch die starke
Temperaturabhängigkeit, die großen Toleranzen und die hohen dielektrischen
Verlustfaktoren. Diese hohe Permittivität macht sie auch in der Halbleitertechnologie
interessant, wo für kleinere Speicherschaltkreise (RAM) hohe
Kapazitäten auf engstem Raum benötigt werden. Der Hauptvorteil bei der
Verwendung von sogenanntem FeRAM
(ferroelektrischer RAM) ist, dass diese ihren Ladungszustand im Vergleich
zu derzeit (2008) hauptsächlich eingesetzten DRAMs nicht verlieren. Man spricht
in diesem Fall von nichtflüchtigen Speichern (NVRAM).
Ein weiterer Forschungsbereich ist die Verwendung von Ferroelektrika als so
genannte High-k-Dielektrika.
Vor allem Perowskite könnten in Zukunft
das Siliciumdioxid als Gate-Dielektrikum der Feldeffekttransistoren
in integrierten
Schaltungen ablösen. Aufgrund der permanenten Polarisierbarkeit eignen sie
sich weiterhin als Elektrete,
z.B.in Sensoren und Mikrofonen.
Beispiele
Die bekanntesten Ferroelektrika sind Ionenkristalle mit Perowskit-Struktur wie:
- Bariumtitanat BaTiO3 (Abkürzung: BTO)
- Blei-Zirkonat-Titanat Pb(ZrxTi1-x)O3 (PZT) – wird häufig zur Herstellung piezomechanischer Stellelemente verwendet.
Weiterhin sind auch folgende Stoffe ferroelektrisch, teilweise jedoch nur in Form von Dünnschichten:
- Natriumnitrit NaNO2
- Lithiumniobat LiNbO3
- Kalium-Natrium-Tartrat-Tetrahydrat (Seignettesalz) KNaC4H4O6 · 4 H2O
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.06. 2022