Festigkeitslehre
Die Festigkeitslehre in der Technischen Mechanik | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Ziel der Festigkeitslehre (alte Bezeichnung Elastostatik) ist es, verlässliche Aussagen zu machen, ob Maschinenteile oder Bauwerke Belastungen, denen sie unterliegen, standhalten beziehungsweise ab welcher Belastungshöhe sie versagen. Versagen bedeutet, dass die Teile oder Werke brechen oder sich so stark bleibend verformen, dass ihre Funktion nicht mehr gewährleistet ist.
Einführung
Im Altertum und im Mittelalter wurde die nötige Festigkeit der Bauwerke und Maschinen (weder zu schwach noch überdimensioniert) von der Erfahrung, der Intuition und der Tradition der Baumeister bestimmt. Insbesondere der Fortschritt in der Physik (Mechanik) hat zu fundierten Dimensionierungsmethoden geführt.
Die Festigkeitslehre ist ein Teilgebiet der technischen Mechanik.
Arbeitsschritte:
- Wie wirkt eine äußere Belastung (Kräfte und Momente, zeitlich konstant oder veränderlich) auf das Innere des Bauteils/Bauwerks? Hierbei betrachtet man den mikroskopisch kleinen Bereich bis herab auf die Molekülebene. Konkret: wie groß ist die Beanspruchung eines beliebig kleinen Ausschnitts (Würfel mit sehr kleiner Kantenlänge) an einem beliebigen Ort. Man spricht von inneren Spannungen (Zug/Druck- und Scherspannung), die man in der Regel an der Stelle einer gedachten Schnittfläche untersucht.
- Wie hält das Baumaterial der Belastung stand? Die Werkstoffkunde beantwortet diese Frage. Sie liefert Methoden, wie man die an einem Probekörper im Versuch ermittelten Verhältnisse auf das ganze noch zu erstellende Bauteil übertragen kann. Die Ergebnisse münden in die Aussage der zulässigen Spannungen, wobei zwischen zulässig ohne plastische Verformung und zulässig ohne Bruch unterschieden wird.
- Vergleich zwischen durch die Belastung entstehenden und den zulässigen inneren Spannungen.
- Bei Ergebnis Versagen Änderung der Bauteil-/Bauwerk-Dimensionierung.
Einen ideal starren Körper gibt es nicht. Der ältere Begriff Elastostatik (Elastizitätslehre) deutet darauf, dass in einem eventuellen weiteren Schritt die immer vorhandene elastische Verformung beurteilt wird. Sie darf in manchen Fällen einen durch die Funktion des Bauteils/Bauwerks vorgegebenen Wert nicht überschreiten. Bei Federn als definiert elastischen Bauteilen ist eine gewünschte Elastizität (Federkennlinie) zu erreichen. In die Dimensionierung eingehende Materialeigenschaft ist der Elastizitätsmodul.
Mögliche Belastungen
Die Belastungen sind die mechanischen Größen Kraft und Moment (Drehmoment). In einigen Fällen hängen sie von Größen der Fluidmechanik oder der Thermodynamik ab, deren Einfluss vorgängig zu ermitteln ist.
Angabe der Belastungen:
- Beanspruchungsart: Kraft (Zug-, Druckkraft), Drehmoment (Biege-, Torsionsmoment)
- Richtungen
- Beträge
- Zeitliche Abhängigkeiten (z.B. schwellend, wechselnd)
- Einleitungsorte
Widerstandsfähigkeit des Körpers
Die Widerstandsfähigkeit eines Körpers wird in vielen Fällen ermittelt, indem man die Materialkennwerte einer genormten Probe auf die Kennwerte des Körpers umrechnet.
Dabei bedient man sich im Allgemeinen der Elastizitätstheorie bzw. auch der Plastizitätstheorie. Für einfach geformte (z.B. stabförmige Körper) können daraus Formeln theoretisch abgeleitet werden. Für kompliziertere Körper verwendet man vorwiegend Computerprogramme, u.a. Anwendungen der Finite-Elemente-Methode. Weitere Einflüsse (außer Form, Belastungsart und Materialkennwerte) sind:
- der Größeneinfluss (bedingt durch den unterschiedlichen Einfluss von Materialfehlern)
- der Oberflächeneinfluss, bedingt z.B. durch Rauheit oder Verfestigung der Oberfläche
- Einfluss sonstiger Randbedingungen, z.B. Temperatur (soweit nicht schon im Berechnungsmodell berücksichtigt), trockene Reibung oder aggressive Medien.
Diese Einflüsse werden z.T. durch empirisch gewonnene Faktoren berücksichtigt.
In manchen Fällen wird die Widerstandsfähigkeit der Körper rein empirisch entwickelt, d.h. durch Experimente an gleichartigen Körpern oder Modellen. Bei der Verwendung von Modellen müssen die Gesetze der Ähnlichkeitstheorie berücksichtigt werden.
In einigen Bereichen z.B. Maschinenbau oder Bauwesen existieren einheitliche Berechnungsverfahren, die größtenteils genormt sind.
Ergebnisse der Festigkeitsberechnung
Die Ergebnisse sind dimensionslose Werte (Werte ohne physikalische Einheiten), die Sicherheiten genannt werden. Sie werden als Verhältnis von Widerstandsfähigkeit zur auftretenden Belastung berechnet. Die Sicherheiten müssen größer als die Mindestwerte sein. Die Höhe dieser Mindestwerte hängt im Wesentlichen von folgenden Einflüssen ab:
- Genauigkeit des gewählten Berechnungsmodelles
- Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Auftretens von Höchstwerten unabhängiger Belastungen
- Wahrscheinlichkeitsverteilung der Werkstoff-Widerstandswerte
- Auswirkung des Versagens von Bauteilen auf das gesamte Tragwerk
In vielen Fällen muss die Sicherheit gegen mehrere Versagensarten nachgewiesen werden, z.B.:
- Sicherheit gegen Bruch
- Sicherheit gegen Funktionsverlust durch unzulässige Verformung
- Sicherheit gegen Ermüdung (Bruch nach häufigen Belastungsänderung, z.B. bei Fahrzeugachsen)
- Sicherheit gegen Stabilitätsverlust, z.B. gegen Knicken oder Beulen
Beispiel
Als einfachstes Beispiel ist ein Stab zu betrachten, der von beiden Seiten mit der Kraft F gezogen wird. Mit der Querschnittsfläche A ergibt sich die Spannung σ. (σ =F/A).
Besteht der Stab aus dem Stahl S235, so kann nun die Spannung σ mit der Streckgrenze dieses Stahls verglichen werden (ca. 235 N/mm2). Ist die berechnete Spannung kleiner als die Streckgrenze, tritt keine dauerhafte Verformung auf.
Berechnungsverfahren
Es werden insbesondere die Berechnungsverfahren der Technischen Mechanik und der Baustatik benutzt; dazu gehörten bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem graphische Verfahren, wie
- der Mohrsche Spannungskreis zur Bestimmung der Komponenten des Spannungstensors,
- das Seileckverfahren zur Bestimmung der Lage und Größe der Resultierenden bei mehreren Kräften,
- der Cremonaplan zur Bestimmung der Stabkräfte in Fachwerken.
Hinzu kamen analytische Verfahren der Kraftgrößenmethode, wie
- das Rittersche Schnittverfahren zur Berechnung einzelner Stabkräfte in Fachwerken oder
- die Anwendung der Sätze von Castigliano zur Berechnung der Auflagerkräfte und Schnittreaktionen in statisch unbestimmten Tragwerken.
Heute haben sich in der Hauptsache computergestützte Methoden durchgesetzt, die die Analyse auch komplizierter Systeme mit verhältnismäßig geringem Aufwand ermöglichen. Dazu gehören vor allem
- die Finite-Elemente-Methode,
- die Rand-Elemente-Methode sowie
- die Distinct-Element-Methode zur Berechnung von Körpern mit Diskontinuitäten.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.08. 2024