Sinc-Funktion
Der Sinus cardinalis, auch si-Funktion, Kardinalsinus
oder Spaltfunktion ist eine analytische
Funktion. Die Bezeichnung Kardinalsinus geht auf Philip
M. Woodward aus dem Jahr 1953 zurück.
Die Nomenklatur ist in der
Literatur nicht einheitlich festgelegt, insbesondere in der englischsprachigen
Literatur wird die Bezeichnung
sowohl für die normierte als auch für die nicht normierte Variante verwendet. In
der deutschsprachigen Literatur wird eine Unterscheidung zwischen den beiden
Festlegungen getroffen und die nichtnormierte Version als:
![](bilder/si_sinc.png)
definiert. In der Informationstheorie
und der digitalen
Signalverarbeitung, den Anwendungsgebieten der -Funktion,
findet hingegen meist die normierte Form mit der Bezeichnung
Anwendung:
Die im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnung
für den nicht normierten Kardinalsinus ist nicht mit dem Integralsinus
,
der Stammfunktion der
-Funktion,
zu verwechseln.
Eigenschaften
Allgemeines
An der hebbaren
Singularität bei
werden die Funktionen durch den Grenzwert
bzw.
stetig fortgesetzt, der sich aus der Regel von
de l’Hospital ergibt; manchmal wird die Definitionsgleichung auch mit
Fallunterscheidung geschrieben.
Softwarepakete wie Matlab
verwenden meist die normierte -Funktion,
welche sich auch als Produkt oder mit Hilfe der Gammafunktion
ausdrücken lässt als:
Die Taylorreihe der -Funktion
lässt sich unmittelbar aus der
-Funktion
herleiten zu:
Die sphärische
Bessel-Funktion erster Art
ist mit der
-Funktion
identisch:
Nullstellen
gilt für
gilt für
Maxima und Minima
![](bilder/si_cos.png)
Die Extrema von
mit positiver
-Koordinate
,
liegen in guter Näherung bei
wobei für ungerade
ein Minimum angenommen wird und für gerade
ein Maximum. Für das erste Extremum mit positiver
-Koordinate
– das Minimum bei
– ist der absolute Fehler des Näherungswertes bereits deutlich kleiner als
1/100.
Neben diesen Extrema und dem absoluten Maximum bei 0 besitzt die Kurve
wegen ihrer Symmetrie zur -Achse
auch Extrema bei
.
Maxima | Minima |
---|---|
0 | |
≈ 4,4934095 ≈ 1½π − 0,219284 | |
≈ 7,7252518 ≈ 2½π − 0,12873 | |
≈ 10,904122 ≈ 3½π − 0,091452 | |
≈ 14,066194 ≈ 4½π − 0,070973 | |
≈ 17,220755 ≈ 5½π − 0,057989 | |
≈ 20,371303 ≈ 6½π − 0,049049 | |
≈ 23,519452 ≈ 7½π − 0,042493 | |
≈ 26,666054 ≈ 8½π − 0,042998 | |
≈ 29,811599 ≈ 9½π − 0,033531 | |
≈ 32,956389 ≈ 10½π − 0,030334 | |
≈ 36,100622 ≈ 11½π − 0,0276935 | |
≈ 39,244432 ≈ 12½π − 0,025476 | |
⋯ | |
⋯ | |
≈ (2n−½)·π − ((2n−½)·π)−1 | |
≈ (2n+½)·π − ((2n+½)·π)−1 |
Fouriertransformierte der Rechteckfunktion
Die sinc-Funktion ist die Fouriertransformierte der Rechteckfunktion
denn es gilt
.
Aus den Eigenschaften der Fourier-Transformation folgt, dass die
sinc-Funktion analytisch und damit beliebig oft stetig differenzierbar ist. Aus
der Plancherel-Identität
der Fourier-Transformation folgt weiter, dass sie orthogonal zu Verschiebungen
ihrer selbst um ganzzahlige Vielfache von
ist, es gilt
,
wobei
das Kronecker-Delta
bezeichnet.
Mit einer passenden Normierung bilden diese Verschiebungen der sinc-Funktion
also ein Orthonormalsystem
im Funktionenraum .
Die Projektion auf den von den
aufgespannten Unterraum ergibt sich als
.
Aufgrund der Interpolationseigenschaft gilt ,
also
.
Funktionen aus diesem Unterraum sind also durch ihre Werte an den Stellen
eindeutig bestimmt.
Die Rechteckfunktion als Fouriertransformierte der -Funktion
hat beschränkten Träger, ist daher samt den Linearkombinationen ihrer
Verschiebungen bandbeschränkt. Umgekehrt ist jede bandbeschränkte als eine
solche Linearkombination darstellbar, und daher durch die Funktionswerte an den
genannten Stützstellen eindeutig bestimmt. Das ist die Aussage des WKS-Abtasttheorems.
Ableitungen
Die -te
Ableitung
von
lässt sich für alle
analytisch bestimmen zu:
Die daraus gebildeten ersten zwei Ableitungen lauten:
Fläche>
Die gesamte Fläche unter dem Integral beträgt
und entsprechend
.
Beziehung zur Delta-Distribution
Mit der normierten sinc-Funktion lässt sich die Delta-Distribution durch den schwachen Grenzwert definieren:
Der auftretende Grenzwert ist kein gewöhnlicher Grenzwert, da die linke Seite der Gleichung nicht konvergiert. Genauer definiert der Grenzwert eine Distribution
für jede Schwartz-Funktion.
In der obigen Gleichung geht die Zahl der Oszillationen pro Längeneinheit der
Sinc-Funktion zwar für
gegen Unendlich, trotzdem oszilliert die Funktion für jedes
im Intervall
.
Diese Definition zeigt, dass man von der Delta-Distribution nicht wie von
einer gewöhnlichen Funktion denken sollte, die ausschließlich für
einen beliebig großen Wert annehmen. Ein ähnliches Problem zeigt auch das Gibbs-Phänomen.
Anwendung
Signalverarbeitung
Die -Funktion
hat insbesondere in der digitalen
Signalverarbeitung eine große Bedeutung. Sie tritt in der sogenannten
Samplingreihe (oder Kardinalreihe, E.
T. Whittaker 1915) auf, mit Hilfe derer ein kontinuierliches
bandbeschränktes Signal
aus seinen Abtastwerten
rekonstruiert bzw. eine beliebige Stützstellenfolge zu einem kontinuierlichen
Signal fortgesetzt wird:
Diese ist die Interpolationsformel
geringster Schwankung, d.h., das Frequenzspektrum ist beschränkt und hat
die kleinstmögliche höchste (Kreis-)Frequenz
bzw. Frequenz
.
Ist die Voraussetzung der Bandbeschränktheit für das Signal
nicht mehr gegeben, hat also das Ausgangssignal Anteile höherer Frequenzen, so
ist die Folge dieser Abtastwerte zu grobmaschig, die hochfrequenten Anteile
werden in zusätzliche niederfrequente Anteile umgesetzt, d.h., es tritt Aliasing (Fehlzuordnung
der Frequenzanteile) auf.
Beugung am Spalt
Bei der Beugung
von Wellen an einem Spalt bilden die Amplituden ein Beugungsmuster, das sich
durch Fouriertransformation einer rechteckigen Öffnungsfunktion erklären lässt.
Deshalb wird der Kardinalsinus auch als Spaltfunktion bezeichnet. Die bei
der Beugung von Licht vom Auge wahrgenommene Helligkeitsverteilung ist
allerdings das Quadrat der Wellenamplitude; sie folgt daher der quadrierten
Funktion .
Primzahlverteilung und Kernphysik
Der Funktionsterm
beschreibt in der Physik die Paar-Korrelations-Verteilung der Energien der
Eigenzustände von schweren Atomkernen. In der Mathematik beschreibt er die mit
der Verteilung von Primzahlen
assoziierte Paar-Korrelation der Nullstellen der Riemannschen
Zetafunktion. Die Gemeinsamkeit liegt in der beiden zugrundeliegenden
Theorie der Zufallsmatrizen,
worauf zuerst der Physiker Freeman
Dyson 1972 im Gespräch mit dem Mathematiker Hugh
Montgomery hinwies.
Abgrenzung
Die Tanc-Funktion weist eine strukturell hohe Ähnlichkeit zu der Spaltfunktion auf, zählt aber nicht zu den Kardinalfunktionen.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 31.07. 2022