Dichotomie
Dichotomie bezeichnet eine Struktur aus zwei Teilen, die einander ohne Schnittmenge gegenüberstehen. Sie können einander ergänzen, zum Beispiel ein komplementäres Begriffspaar, oder eine Aufteilung in zwei Teile ausdrücken, zum Beispiel die Aufteilung eines Bereichs in zwei Teilbereiche.
Dichotomie bedeutet wörtlich ‚Halbieren, Zerschneiden‘ (altgriechisch διχοτομία dichotomía; aus altgriechisch δίχα dícha, deutsch ‚entzwei‘, ‚getrennt‘ und altgriechisch τέμνειν >témnein, deutsch ‚schneiden‘). Das Adjektiv lautet dichotom oder dichotomisch. Man spricht beispielsweise von einer dichotomen oder dichotomischen Methode, wenn sie auf Einteilungen in jeweils zwei Teile oder Gruppen beruht.
Dichotomie im Sinne der Mengentheorie
Entscheidend ist bei der dichotomen Einteilung einer Menge (Beispiel: Einteilung in zwei Begriffe A und B), dass
- jedes Element der einen oder der anderen Untermenge (A oder B) zuzuordnen ist und
- kein Element beiden Untermengen (Begriffen) zugleich zuzuordnen ist; die Untermengen dürfen also keine Schnittmenge haben (die Begriffe sind disjunkt).
Bei einer dichotomen Einteilung ist der Fehler der unangemessenen Einteilung ausgeschlossen. Es wird gefordert, dass zwei einander komplementäre Begriffe den Umfang oder die Bedeutung des ursprünglichen Begriffes vollständig umfassen. Eine unvollständige Einteilung oder eine sich überschneidende Einteilung ist somit nicht möglich. Die Vereinigung der dichotomen Begriffe führt wieder zum Ursprungsbegriff.
Dichotome Einteilungen sind nicht immer zweckmäßig. Zum Beispiel können bei plakativen Einteilungen der Bevölkerung in Alt und Jung, Stadt und Land, Schwarz und Weiß (Hautfarbe) die Unterschiede überbetont werden und mögliche Gemeinsamkeiten aus dem Blick geraten („Schwarz-Weiß-Malerei“).
Dichotomien in der Mathematik
Beispiele aus den Bereichen Mathematik und Logik:
- die Einteilung der ganzen Zahlen in gerade und ungerade Zahlen,
- die Einteilung der reellen Zahlen in rationale und irrationale Zahlen,
- die Einteilung der rationalen Zahlen in ganze Zahlen und Brüche, deren Zähler und Nenner teilerfremd sind,
- die Einteilung von Aussagen in wahre und falsche Aussagen („Tertium non datur“ (lat.: „Etwas drittes gibt es nicht“)).
In der Statistik versteht man unter einer dichotomen oder binären Variablen eine Variable, die zwei Ausprägungen hat, zum Beispiel die Variable „Münze“ mit den beiden Ausprägungen „Kopf“ und „Zahl“.
In der Testtheorie bezeichnet man ein Antwortformat als dichotom, wenn lediglich zwei Antwortmöglichkeiten vorgegeben sind, zum Beispiel „Ja“ und „Nein“. Im Gegensatz dazu werden auch mehrfach gestufte Antwortformate verwendet, zum Beispiel „nie“, „selten“, „manchmal“, „oft“ und „immer“.
In der mathematischen Optimierung versteht man unter einem dichotomen Verfahren eine Methode der lokalen nichtlinearen Optimierung ohne Nebenbedingung. Ein solches Verfahren, das mit gleich großen Halbierungen von Intervallen arbeitet, ist die Intervallhalbierungsmethode.
Dichotomien in der Astronomie
In der Astronomie wird die Phase, während der ein nicht selbst leuchtendes Gestirn – also meist ein Planet oder Mond im Gegensatz zu einem Stern – von einem Betrachter als zur Hälfte beleuchtet gesehen wird, als Dichotomie bezeichnet. In der visuellen Astronomie bedeutet Dichotomie daher auch „Halbphase“: Ein Planet oder Mond ist genau von der Seite beleuchtet (d.h. im Phasenwinkel 90°), sodass er als Halbkreisfläche erscheint. Bekanntestes Beispiel ist die Phase des Halbmondes, aus der zum Beispiel Aristarch von Samos die Entfernung des Mondes abschätzen konnte. Von der Erde aus können Halbphasen außer beim Mond nur bei den unteren Planeten Merkur und Venus beobachtet werden.
In der Planetologie steht der Begriff für die unter den festen Himmelskörpern verbreitete Erscheinung von zwei auffallend unterschiedlich gestalteten Halbkugeln. Die bekanntesten Beispiele sind neben der Erde und dem Erdmond der Planet Mars und der Saturnmond Iapetus:
- bei der Erde der auffällige Unterschied zwischen Land- und Wasserhemisphäre – eine Folge der Bildung des Pazifik,
- beim Mond die vielen Mare der Vorderseite, die auf der Mondrückseite weitgehend fehlen – eine Folge des „Großen Bombardements“ durch Asteroiden vor etwa vier Milliarden Jahren,
- beim Mars eine ähnliche „Zweiteilung“ zwischen Nord- und Südhemisphäre: im Norden hauptsächlich Tiefebenen, im Süden gewaltige Hochländer. (Der mittlere Großkreis, der diese topografischen Hemisphären voneinander trennt, ist dabei 40° gegen den Äquator geneigt. Die unsymmetrische Massenverteilung bewirkt, dass der Schwerpunkt des Mars gegenüber dem geometrischen Mittelpunkt um drei Kilometer in Richtung der nördlichen Tiefebenen versetzt ist.)
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 30.07. 2024