Kellerautomat

Ein Kellerautomat (KA, auch PDA für englisch pushdown automaton; auch Stackmaschine) ist ein Automat im Sinne der theoretischen Informatik, ein Konstrukt, das verwendet wird, um gewisse Eigenschaften von Problemen und Algorithmen zu analysieren und zu beweisen.

Der Kellerautomat ist ein endlicher Automat, der um einen Kellerspeicher (a.g. Stack) erweitert wurde. Ein Kellerautomat mit zwei Kellerspeichern ist gleichmächtig zur Turingmaschine.

Funktionsweise

Kellerautomat

Ein Kellerautomat dient dazu, zu klären, ob eine Eingabe (d.h. ein Wort aus null, einem oder mehreren Zeichen) zu einer bestimmten formalen Sprache (d.h. einer Menge von Wörtern) gehört. Dafür arbeitet der Automat das Eingabewort Schritt für Schritt von links nach rechts ab und kann dabei eine Reihe von Zuständen annehmen. Zu Anfang ist er im sogenannten Startzustand. Typischerweise wird in jedem Verarbeitungsschritt ein Zeichen aus der Eingabe gelesen. Außerdem wird in jedem Verarbeitungsschritt das oberste Zeichen vom Keller gelesen, d.h. entfernt. Abhängig vom aktuellen Zustand, dem gerade gelesenen Eingabezeichen und dem gerade gelesenen Kellerzeichen geht der Automat in einen neuen Zustand über und legt anstelle des entfernten Kellerzeichens ein neues Wort auf dem Keller ab. Wenn die gesamte Eingabe gelesen wurde und der Keller leer ist, gehört die Eingabe zur vom Automaten erkannten Sprache.

Allgemein sind allerdings mehrere Abweichungen von der obigen Erklärung möglich:

Beispiel

Um das Prinzip eines Kellerautomaten zu verdeutlichen, wird häufig die syntaktische Untersuchung geklammerter Ausdrücke herangezogen. Beispielsweise muss in einem Ausdruck einer bestimmten Sprache zu jeder öffnenden Klammer auch eine schließende Klammer existieren:

Beispiel: { … { … } … }

Der Automat beginnt in einem Startzustand z0; im Keller befindet sich ein Zeichen, welches das Ende kennzeichnet (#). Bei der Abarbeitung des Ausdrucks bewegt sich der Lesekopf Zeichen für Zeichen weiter. Stößt er dabei auf eine öffnende Klammer, so wird diese in den Keller geschrieben. Tritt in der weiteren Abarbeitung eine schließende Klammer auf, so wird das oberste Klammer-auf-Zeichen im Keller wieder gelöscht. Der Ausdruck ist dann erfolgreich abgearbeitet, wenn der Lesekopf das Ende des Eingabebandes erreicht hat und sich im Keller ausschließlich das Zeichen # befindet. Befände sich hingegen noch eine geöffnete Klammer nach der Ausdrucksabarbeitung im Keller, so würde dies bedeuten, dass eine schließende Klammer fehlt und ein syntaktischer Fehler vorliegt. Auch wenn das Ende des Kellers erreicht wird, bevor die Eingabe vollständig abgearbeitet wurde, liegt ein Fehler vor. In diesem Fall befinden sich zu viele schließende Klammern in der Eingabe.

Formale Definition

Ein nichtdeterministischer Kellerautomat (NKA) wird definiert als ein 7-Tupel M=(Z,\Sigma ,\Gamma ,\delta ,z_{0},\#,F), wobei

ist.

Dabei bezeichnet \varepsilon das leere Wort und {\displaystyle \Gamma ^{*}} die Menge der Wörter des Alphabets \Gamma .

Manchmal findet man auch Kellerautomaten als 6-Tupel M=(Z,\Sigma ,\Gamma ,\delta ,z_{0},\#), in diesem Fall gibt es keine Endzustände, und der Kellerautomat akzeptiert ein Wort, falls nach der Abarbeitung des Wortes der Keller leer ist.

Wenn die Übergangsfunktion die Eigenschaft \forall z\in Z,\forall a\in \Sigma ,\forall g\in \Gamma ,\left|\delta (z,a,g)\right|+\left|\delta (z,\varepsilon ,g)\right|\leq 1 erfüllt, spricht man von einem deterministischen Kellerautomaten. Zu einer festen Eingabe gibt es dann höchstens eine Zustandsübergangsabfolge, Mehrdeutigkeiten können also nicht auftreten.

Anmerkungen

Akzeptierte Sprache

Die Menge der Konfigurationen eines Kellerautomaten ist K=Z\times \Sigma ^{*}\times \Gamma ^{*}. Ein Element (z,\alpha ,\gamma )\in K dieser Menge besteht aus

Auf K wird eine Relation {\rightsquigarrow }\subseteq K\times K definiert, über die im Anschluss festgelegt wird, welche Worte akzeptiert werden. Es ist

{\begin{aligned}{\rightsquigarrow }:=&\ \{((z,a\alpha ,g\gamma ),(z',\alpha ,\gamma '\gamma ))\mid z\in Z,a\in \Sigma ,\alpha \in \Sigma ^{*},g\in \Gamma ,\gamma ,\gamma '\in \Gamma ^{*},(z',\gamma ')\in \delta (z,a,g)\}\\\cup &\ \{((z,\alpha ,g\gamma ),(z',\alpha ,\gamma '\gamma ))\mid z\in Z,\alpha \in \Sigma ^{*},g\in \Gamma ,\gamma ,\gamma '\in \Gamma ^{*},(z',\gamma ')\in \delta (z,\varepsilon ,g)\}.\end{aligned}}

Für Automaten, deren Endzustandsmengen über die Akzeptanz entscheiden sollen, heißt es dann:

\alpha \in \Sigma ^{*} wird von M genau dann akzeptiert, wenn es ein f\in F sowie ein \gamma \in \Gamma ^{*} gibt, sodass (z_{0},\alpha ,\#)\rightsquigarrow ^{*}(f,\varepsilon ,\gamma ).

Für Automaten hingegen, bei denen die Akzeptanz davon abhängt, ob der Keller leer ist, lautet die Formulierung:

\alpha \in \Sigma ^{*} wird von M genau dann akzeptiert, wenn es ein z\in Z gibt, sodass (z_{0},\alpha ,\#)\rightsquigarrow ^{*}(z,\varepsilon ,\varepsilon ) oder (z_{0},\alpha ,\#)\rightsquigarrow ^{*}(z,\varepsilon ,\#).

Dabei ist \rightsquigarrow ^{*}> die reflexive und transitive Hülle von \rightsquigarrow .

Beispiel

Der folgende Kellerautomat M ist deterministisch und erkennt die kontextfreie Sprache L=\{a^{n}\,b^{n}\,|\,n>0\}:

M=(Z,\Sigma ,\Gamma ,\delta ,z_{0},\#,F)

Definition für δ
Parameter Funktionswert
Zustand Eingabe Keller Zustand Keller
z0 a # z0 a# (1)
z0 a a z0 aa (2)
z0 b a z1 ε (3)
z1 b a z1 ε (4)
z1 ε # z2 ε (5)
Beispiel-Kellerautomat

Erhält der Kellerautomat beispielsweise die Eingabe aabb, so durchläuft er folgende Konfigurationen:

(die hochgestellte Nummer am Pfeil kennzeichnet die benutzte Zustandsübergangsfunktion)

(z0, aabb, #) ⇝(1) (z0, abb, a#) ⇝(2) (z0, bb, aa#) ⇝(3) (z1, b, a#) ⇝(4) (z1, ε, #) ⇝(5) (z2, ε, ε)

Dieser Kellerautomat M kann grundsätzlich, wenn er begonnen hat, den Keller zu lesen, nicht wieder schreiben. Daher ist die erkannte Sprache insbesondere auch eine lineare Sprache.

Kellerautomaten und formale Sprachen

Ein (Keller-)Automat liest eine aus einzelnen Zeichen bestehende Eingabe und akzeptiert (oder erkennt) diese – oder auch nicht. Die Menge der akzeptierten Eingaben bildet die durch den Automaten definierte Sprache.

Der nichtdeterministische Kellerautomat erkennt genau die kontextfreien Sprachen (Typ 2, vgl. Chomsky-Hierarchie). Er ist damit mächtiger als endliche Automaten, welche genau die regulären Sprachen (Typ 3) erkennen, aber weniger mächtig als Turingmaschinen, welche genau die rekursiv aufzählbaren Sprachen (Typ 0) erkennen. Ein deterministischer Kellerautomat (DPDA) erkennt die deterministisch-kontextfreien Sprachen, also nur eine echte Teilmenge der kontextfreien Sprachen.

Die Bedeutung des Kellerautomaten ergibt sich also daraus, dass sich Erkenntnisse über diesen (beispielsweise Äquivalenz mit anderen Automaten) auf die kontextfreien Sprachen übertragen lassen (und umgekehrt).

Praktische Implementierung eines Kellerautomaten

Als praktisches Anwendungsbeispiel eines Kellerautomaten sei folgender Parser (implementiert in C) gegeben, welcher eine Sprache, die aus Klammerpaaren besteht, parst und auf Richtigkeit prüft. Der Ausdruck ()((()())) würde beispielsweise akzeptiert werden, falsch hingegen wäre (()())), da hier eine schließende Klammer zu viel gegeben ist.

 #include <stdlib.h>
#include <stdio.h>
#include <string.h>

#define POP -1
#define ACCEPT -2
#define ERROR -3

#define ALPHABET 3 /* Größe des Eingabealphabets */

#define MAX_LEN 80
/*
 Ein einfacher Kellerautomat ("pushdown automaton")

 Symbol   | (       | )      | \0
 ---------+---------+--------+-----------
 State 0  | PUSH 1  | ERROR  | ACCEPT
 State 1  | PUSH 1  | POP    | ERROR
*/

int states[2][ALPHABET*2] =
{
   {
      '(', 1 /* PUSH 1 */,
      ')', ERROR,
      '\0', ACCEPT
   },
   {
      '(', 1 /* PUSH 1 */,
      ')', POP,
      '\0', ERROR
   }
};


int main( int argc, char** argv )
{
   int stack[100] = { 0 };
   int i  = 0;
   int action  = 0;
   int* tos  = stack;
   char s  [MAX_LEN+1];
   char* p  = s;

   /* Eingabe-Zeichenkette */
   printf("Bitte Ausdruck eingeben: ");
   fgets(s, sizeof(s), stdin);
   s[strlen(s)-1]='\0'; /* Zeilenvorschub (NL) von fgets() durch binäre Null ersetzen */


   /* Startzustand auf Stack ("push") */
   *(tos++) = 0;

   /* Ausführungsschleife */
   do
   {
      /* Aktion auf Basis des Eingabesymbols ermitteln */
      action = ERROR;
      for( i = 0; i < ALPHABET; ++i )
      {
         if( states[*(tos-1)][i*2] == *p )
         {
            action = states[*(tos-1)][i*2+1];
            break;
         }
      }

      /* Ausführen der Aktionen */
      if( action == ERROR )
      {
         printf("Unerwartetes Zeichen an Position %d\n", p-s);
         break;
      }
      else if( action == ACCEPT )
         printf("Ausdruck akzeptiert!\n");
      else if( action == POP )
         --tos;
      else
         *(tos++) = action;

      /* Eingabe erweitern... */
      ++p;
   }
   while( action != ACCEPT );

   return 0;
}

Anwendungen in Technik und Wissenschaft

Die Gleitkommaeinheit (engl. Floating Point Unit, FPU) der Intel-32-Bit x86-Architektur ist ursprünglich als Kellerautomat (engl. Stack Machine) realisiert. Ihr Kellerspeicher besitzt eine Tiefe von 8 Speicherplätzen (für jeweils einen 80-Bit-Gleitkommawert). Angesichts der Einschränkungen durch das Kellermodell ist tendenziell jedoch erkennbar, dass künftig auch im PC – wie in anderen Rechnerarchitekturen üblich – vorwiegend Verarbeitungseinheiten mit direkt adressierbaren Registern verwendet werden (SIMD-Erweiterung).

Compiler oder Interpreter von Programmiersprachen können mit Hilfe von Kellerautomaten entwickelt werden. Der Kellerautomat dient dabei der Syntaxanalyse, das heißt, er überprüft die syntaktische Korrektheit einer Tokenfolge.

Siehe auch

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.10. 2022