Elektrolytische Leitfähigkeit
Die elektrolytische Leitfähigkeit ist die elektrische
Leitfähigkeit einer Elektrolytlösung.
Dabei ist die elektrische Leitfähigkeit definiert als die Proportionalitätskonstante
zwischen der elektrischen
Stromdichte
und der elektrischen
Feldstärke
gemäß
.
In einem Elektrolyten bewegen sich Ionen beim Anlegen eines elektrischen Feldes je nach Polarität ihrer elektrischen Ladung bevorzugt in Feldrichtung oder ihr entgegen; dadurch verursachen sie einen elektrischen Strom. Dieser Ionenstrom ist abhängig von:
- der elektrischen Feldstärke
und damit über einen Geometrie-Faktor (je nach Form der Messzelle) von der
angelegten Spannung
;
- der Ladungsträgerkonzentration
oder der Ionenkonzentration
, jeweils ausgedrückt als Teilchendichte;
- der Ladungsmenge,
die jedes Ion
transportiert, aufgrund seiner Wertigkeit
und der Elementarladung
;
- der durchschnittlichen Driftgeschwindigkeit
der einzelnen Ionenarten in Feldrichtung.
Theoretische Hintergründe
Widerstand und Messzelle
Für die elektrische
Stromstärke
innerhalb der Lösung gilt empirisch
gut bestätigt das ohmsche
Gesetz:
.
Hierbei werden die von ,
dem Leitwert
oder reziproken Widerstand,
zusammengefasst.
Zum Anlegen einer Spannung sind zwei Elektroden notwendig. Infolge des Stromes durch die Grenzfläche Elektrolyt/Elektrode treten an dieser Fläche Reaktionen auf, durch die eine Gegenspannung entsteht. Man bezeichnet diesen Vorgang als elektrolytische Polarisation. Diese erzeugt eine die Messung verfälschende systematische Messabweichung. Sie lässt sich folgendermaßen vermeiden:
- Die Messzelle wird derart konstruiert, dass der Elektrolyt einen großen Widerstand erhält; die dann erforderliche Spannung ist so groß, dass die Polarisationsspannung dagegen vernachlässigbar klein ist.
- Die Spannung wird nicht zwischen den stromdurchflossenen Elektroden gemessen, sondern zwischen zwei an definierten Punkten in der Messzelle angebrachten Sonden, die nur von einem ganz geringen Strom durchflossen und daher nicht polarisiert werden.
- Am häufigsten wird mit Wechselspannung von relativ hoher Frequenz gemessen. Hierdurch wird erreicht, dass die Stoffumsätze, welche die Polarisation verursachen, in der Kürze der Zeit gering sind und während der Halbperiode mit umgekehrtem Vorzeichen wieder rückgängig gemacht werden.
Der Widerstand
eines beliebigen Leiters
hängt von zwei Parametern ab: dem spezifischen Widerstand
(oder der Leitfähigkeit
)
und einem Geometrie-Faktor
.
Bei Elektrolyt-Messzellen wird dieser Faktor Zellkonstante genannt. Dafür gilt
.
Im Idealfall eines gleichförmig stromdurchflossenen Leiters ist ,
wobei
die Länge und
die Querschnittsfläche des Leiters sind. Sonst gibt der Hersteller die
Zellkonstante bekannt, oder sie muss bestimmt werden, indem der Widerstand einer
Kalibrierlösung mit bekanntem
gemessen wird.
Ionentransport
Als Ursache des Stromes erfährt ein Ion mit der Ladung
im elektrischen Feld
eine Kraft
.
Es setzt sich demzufolge beschleunigt in Bewegung. Infolge der geschwindigkeitsproportionalen hydrodynamischen Reibungskraft
geht diese beschleunigte Bewegung nach sehr kurzer Anlaufzeit ()
in eine Bewegung mit stationärer
Driftgeschwindigkeit
über, so dass
ist. Mit der Beweglichkeit
als Proportionalitätskonstante zwischen der Geschwindigkeit der Ionenart und der
Feldstärke ergibt sich:
.
Bei frei beweglichen Ladungsträgern entsteht proportional zur Geschwindigkeit eine Stromdichte
.
Im Elektrolyten befinden sich Kationen und Anionen mit ihren Wertigkeiten
und
und ihren Konzentrationen
und
.
Sie bewegen sich mit den Geschwindigkeiten
und
aufgrund der unterschiedlichen Vorzeichen ihrer Ladungen in entgegengesetzten
Richtungen und tragen gemeinsam zu Stromdichte bei
.
Daraus ist die Leitfähigkeit unmittelbar abblesbar:
.
Sie ist also abhängig von den Ionenkonzentrationen, die aber noch mit den Faktoren Wertigkeit und Beweglichkeit der Ionenarten bewertet werden. Mit den Größen
- Anzahl
der positiven bzw. negativen Ionen, in die ein Molekül dissoziiert,
- Molekülkonzentration
, ausgedrückt als Teilchendichte der in Lösung gegangenen Moleküle,
- elektrochemische Wertigkeit
ergibt sich
.
Somit ist die Leitfähigkeit in jeder Lösung proportional zur Konzentration der dissoziierten Moleküle, wobei die Proportionaltätskonstante ebenfalls die Wertigkeiten und Beweglichkeiten der einzelnen Ionenarten enthält.
Molare Werte
Eine Umrechnung auf molare Größen
- unter Verwendung der Faraday-Konstante
mit der Avogadro-Konstante
- und der molaren
Konzentration
ergibt
.
Nach Friedrich Wilhelm Kohlrausch
werden die Größen
gewöhnlich zusammengefasst und als äquivalente Ionenbeweglichkeiten bezeichnet.
Kohlrausch führte ebenfalls den Begriff der Äquivalentleitfähigkeit
ein, wobei
die Äquivalentkonzentration ist.
Nach obigen Gleichungen setzt sich die Äquivalentleitfähigkeit additiv aus
den Ionenbeweglichkeiten zusammen und sollte unabhängig von der
Ionenkonzentration sein. In Wirklichkeit trifft dies nur für unendlich große
Verdünnung zu; bei höheren Konzentrationen wird stets eine Abnahme von
beobachtet, was auf den Einfluss des Dissoziationsgleichgewichts und auf den
Einfluss der interionischen Wechselwirkungskräfte zurückzuführen ist.
Der Einfluss des Dissoziationsgleichgewichts
Bei unvollständiger Dissoziation hängt
vom Dissoziationsgrad
ab:
.
Da der Dissoziationsgrad bei unendlicher Verdünnung seinen Maximalwert
besitzt ()
und mit steigender Konzentration immer kleiner wird, ist ein Absinken der
Äquivalentleitfähigkeit ohne weiteres verständlich, was auch bereits frühzeitig
erkannt wurde (ostwaldsches
Verdünnungsgesetz).
Der Einfluss der interionischen Wechselwirkungskräfte
Die Bewegung der Ionen erfolgt nicht frei. Vielmehr tritt infolge der weitreichenden elektrostatischen Kräfte eine gegenseitige Behinderung der wandernden Ionen ein. Ein Ion ist infolge seiner elektrostatischen Wirkung im Mittel von mehr entgegengesetzten als gleichgeladenen Teilchen umgeben. Diese „Ionenwolke“ ballt sich mit zunehmender Konzentration immer mehr zusammen und hat folgende Wirkungen:
- Das Ion muss sich infolge seiner Fortbewegung an jedem Ort eine neue Ionenwolke erst wieder aufbauen. Das wirkt sich so aus, als ob das Ion seiner Ionenwolke immer etwas vorauseilt, was eine Bremsung des Ions zur Folge hat.
- Die Wolke, deren Ionen sich im Feld ja in entgegengesetzter Richtung bewegen, erzeugt eine Strömung, gegen die das Zentralion schwimmen muss, und wodurch es eine weitere Verzögerung erfährt.
Beide Effekte nehmen mit der Konzentration zu.
Die auf diesem Modell aufgebaute Theorie von Petrus Josephus Wilhelmus Debye, Erich Hückel und Lars Onsager liefert für kleine Konzentrationen den Ausdruck:
.
Dieses Ergebnis (Quadratwurzelgesetz) wurde bereits viel früher von
Kohlrausch experimentell gefunden.
Dabei sind
und
Konstanten bei isothermer
Messung. Durch Debye, Hückel, und Onsager wurde dieses Kohlrausch'sche
Quadratwurzelgesetz präzisiert, indem die Konzentration (unter der Wurzel) gegen
die Ionenstärke
ausgetauscht wurde. Für Ionenstärken unter 0,001 mol/liter soll es dann auch
für Lösungen mehrwertiger Ionen gültig sein. Siehe dazu:
Effekte auf die Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen
In Lösungen ist die Leitfähigkeit nicht nur von der Temperatur, sondern auch noch von weiteren Effekten abhängig:
- Der Relaxationseffekt stört beim Anlegen eines elektrischen Feldes die Nahordnung der Ionenwolke um ein Zentralion. Da Ionen in einem elektrischen Feld in Richtung der ihnen entgegengesetzt geladenen Pole beschleunigt werden verzerrt sich die Ionenwolke. Dabei eilt das Zentralion dem Ladungsschwerpunkt seiner Ionenwolke stets voraus und es entsteht ein elektrisches Zusatzpotential, gegen welches das Ion transportiert werden muss.
- Der elektrophoretische Effekt beschreibt die Herabsetzung der Leitfähigkeit durch die Erhöhung der Kräfte, die auf das Zentralion wirken, wenn sich die Ionenwolke in entgegengesetzter Richtung zum Zentralion bewegt.
- Der Wien-Effekt beschreibt eine erhöhte Leitfähigkeit in einem starken E-Feld, wenn sich ein Zentralion schneller bewegt als seine Ionenwolke und es so zu keinem Relaxationseffekt kommt.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.04. 2021