Kongruenz (Zahlentheorie)
Die Kongruenz ist in der Zahlentheorie
eine Beziehung zwischen ganzen
Zahlen. Man nennt zwei ganze Zahlen
und
kongruent modulo
(= eine weitere Zahl), wenn sie bei der Division
durch
beide denselben Rest
haben. Das ist genau
dann der Fall, wenn sie sich um ein ganzzahliges Vielfaches von
unterscheiden. Stimmen die Reste hingegen nicht überein, so nennt man die Zahlen
inkongruent modulo
.
Jede Kongruenz modulo einer ganzen Zahl ist eine Kongruenzrelation auf
dem Ring
der ganzen Zahlen.
Beispiele
Beispiel 1
Beispielsweise ist 5 kongruent 11 modulo 3, da
und
,
die beiden Reste (2) sind also gleich, bzw. da
,
die Differenz ist also ein ganzzahliges Vielfaches (2) von 3.
Beispiel 2
Hingegen ist 5 inkongruent 11 modulo 4, da
und
;
die beiden Reste sind hier nicht gleich.
Beispiel 3
Und −8 ist kongruent zu 10 modulo 6, denn bei Division durch 6 liefern sowohl
10 als auch −8 den Rest 4. Man beachte, dass die mathematische Definition der
Ganzzahldivision zugrunde gelegt wird, nach der der Rest dasselbe Vorzeichen wie der
Divisor (hier 6) erhält, also .
Schreibweise
Für die Aussage „
und
sind kongruent modulo
“
verwendet man folgende Schreibweisen:
Diese Schreibweisen können dabei als Kurzform der (zu obiger Aussage
gleichwertigen) Aussage „Divisionsrest von
durch
ist
gleich Divisionsrest von
durch
“,
also von
,
gesehen werden (wobei in letztgenannter Gleichung
die mathematische Modulo-Funktion
ist, die den Rest einer ganzzahligen Division ermittelt, hier also den Rest von
bzw.
;
bei der mathematischen Modulo-Funktion hat das Ergebnis, also der Rest, immer
dasselbe Vorzeichen wie
).
Geschichte
Die Theorie der Kongruenzen wurde von Carl
Friedrich Gauß in seinem im Jahr 1801 veröffentlichten Werk „Disquisitiones
Arithmeticae“ entwickelt. Der Begriff Kongruenz wurde von Christian Goldbach
schon ab 1730 in Briefen an Leonhard
Euler verwendet, jedoch ohne die theoretische Tiefe von Gauß. Im Gegensatz
zu Gauß verwendete Goldbach das Symbol
und nicht
.
Auch der chinesische
Mathematiker Qin
Jiushao (秦九韶) kannte schon Kongruenzen und die damit einhergehende Theorie,
wie aus seinem 1247 veröffentlichten Buch „Shushu Jiuzhang“
(chinesisch 數書九章 / 数书九章, Pinyin
Shùshū Jiǔzhāng – „Mathematische Abhandlung in neun Kapiteln“)
hervorgeht.
Formale Definition
In der Zahlentheorie wird die Kongruenz auf eine Teilbarkeitsaussage
zurückgeführt. Seien dazu ,
und
ganze Zahlen, d.h. Elemente aus
.
- Zwei Zahlen
und
heißen kongruent modulo
, wenn
die Differenz
teilt.
- Zwei Zahlen
und
heißen inkongruent modulo
, wenn
die Differenz
nicht teilt.
Unter Verwendung der mathematischen Notation lassen sich diese beiden Aussagen wie folgt schreiben:
Restklassen
Eine Kongruenzrelation ist eine spezielle Äquivalenzrelation. Sie hat also die folgenden Eigenschaften:
- Reflexivität
für alle
- Symmetrie
für alle
- Transitivität
und
für alle
Die Äquivalenzklassen
der Kongruenzrelation heißen Restklassen.
Will man auch
angeben, so spricht man von Restklassen
.
Eine Restklasse, die das Element
enthält, wird oft mit
bezeichnet.
Wie jede Äquivalenzrelation definiert eine Kongruenzrelation eine Partition ihrer Trägermenge: Die Restklassen zu zwei Elementen sind entweder gleich oder disjunkt, ersteres genau dann, wenn die Elemente kongruent sind:
.
Ausgestattet mit den von
induzierten
Verknüpfungen bilden die Restklassen einen Ring,
den sogenannten Restklassenring.
Er wird für
mit
bezeichnet.
- Bemerkung
- Da eine Division durch
bisher nicht vorkommt, kann man für die formale Definition (im vorigen Abschnitt) wie auch für die Äquivalenzrelation (in diesem Abschnitt)
zulassen.
- Da es im Ring
keine echten Nullteiler gibt, degeneriert die Relation
zum trivialen Fall, zur Gleichheit:
-
für alle
.
- Der unitäre Ring der Charakteristik
ist isomorph zu
. Diese Eigenschaft wird auch für den Fall
gebraucht. Dann ist
. Dieser Ring wird nicht als Restklassenring im engeren Sinn angesehen.
- Die interessanten Fälle sind die Fälle
, was man als Standard annehmen kann.
- Der Restklassenring
ist der Nullring, der nur aus einem Element besteht.
Ist
nicht trivial, also
,
dann befinden sich in einer Restklasse alle Zahlen, die den gleichen Rest
bei der Division
durch
aufweisen. Dann entspricht auch der Absolutwert
von
,
also
,
der Anzahl der Restklassen. Beispielsweise existieren für 2 die beiden
Restklassen der geraden
und der ungeraden
Zahlen.
Rechenregeln
Im Folgenden seien ,
,
,
,
und
ganze Zahlen. Dabei sei
,
und
.
Dann gelten folgende Rechenregeln:
Ist
ein Polynom
über den ganzen Zahlen, dann gilt:
Auch bei Kongruenzen ist ein Kürzen
möglich. Es gelten jedoch andere Kürzungsregeln als von rationalen oder reellen
Zahlen gewohnt (
… größter
gemeinsamer Teiler):
Daraus folgt unmittelbar, dass – wenn
eine Primzahl
und diese kein Teiler
von
ist – gilt:
Falls
eine zusammengesetzte Zahl oder ein Teiler von
ist, gilt nur:
Für jeden Teiler
von
folgt aus
,
dass
.
Sind
ganze Zahlen ungleich null und ist
ihr kleinstes
gemeinsames Vielfaches, dann gilt:
für alle
Potenzen
Ist
eine natürliche
Zahl, dann gilt:
Sind
und
teilerfremd, dann gilt
nach dem Satz
von Euler
,
wobei
die Eulersche
φ-Funktion bezeichnet. Daraus folgt außerdem
, falls
.
Ein Spezialfall davon ist der kleine
fermatsche Satz, demzufolge für alle Primzahlen
die Kongruenz
erfüllt ist.
Abgeleitete Rechenregeln
- Für
gilt:
- Ist
ein Teiler von
, dann gilt:
- Für jede ungerade Zahl
gilt:
- Für jede ganze Zahl gilt entweder
oder
oder
.
- Für jede ganze Zahl
gilt:
- Für jede ganze Zahl gilt entweder
oder
oder
.
- Für jede ganze Zahl gilt entweder
oder
.
- Ist
sowohl eine Quadratzahl als auch eine Kubikzahl (z.B.
), dann gilt entweder
oder
oder
oder
.
- Sei
eine Primzahl mit
. Dann gilt:
- Sei
eine ungerade ganze Zahl. Ferner sei
. Dann gilt:
- Sei
. Ferner seien
und
Primzahlzwillinge. Dann gilt:
Lösbarkeit von linearen Kongruenzen
Lineare Kongruenz
Eine lineare Kongruenz der Form
ist genau dann in
lösbar, wenn
die Zahl
teilt. In diesem Fall besitzt die Kongruenz genau
Lösungen in
,
und die Lösungen sind zueinander kongruent modulo
.
Auch für große
kann man die Lösungen effizient ermitteln, indem man den erweiterten
euklidischen Algorithmus auf
und
anwendet, der neben
auch zwei Zahlen
und
berechnet, die
als Linearkombination
von
und
ausdrücken:
Eine Lösung erhält man dann mit ,
und die übrigen Lösungen unterscheiden sich von
um ein Vielfaches von
.
Beispiel:
ist lösbar, denn
teilt die Zahl
,
und es gibt
Lösungen im Bereich
.
Der erweiterte euklidische Algorithmus liefert
,
was die Lösung
ergibt. Die Lösungen sind kongruent modulo
.
Für
lautet die Lösungsmenge somit
.
Simultane Kongruenz
Eine simultane Kongruenz wie
ist sicher dann lösbar, wenn gilt:
- für alle
ist
durch
teilbar, d.h. jede Kongruenz ist für sich lösbar, und
- die
sind paarweise zueinander teilerfremd.
Der Beweis des Chinesischen Restsatzes liefert den Lösungsweg für solche simultanen Kongruenzen.
Beziehung zur Modulo-Funktion
Allgemein
Mit ,
,
gilt allgemein:
Programmierung
Sind zwei Zahlen
und
kongruent modulo einer Zahl
,
ergibt sich bei der Division
durch
derselbe Rest.
Mithilfe der vor allem in der Informatik verbreiteten „symmetrischen
Variante“ der Modulo-Funktion,
die in Programmiersprachen
oft mit den Modulo-Operatoren
mod
oder %
bezeichnet wird, kann man dies so
schreiben:
(a mod m) = (b mod m)
bzw.(a % m) = (b % m)
Man beachte, dass dies mit der in der Informatik üblichen
symmetrischen Modulo-Funktion nur für positive
und
richtig ist. Damit die Gleichung tatsächlich für alle
und
äquivalent zur Kongruenz wird, muss man die durch
definierte mathematische Modulo-Funktion
verwenden, deren Ergebnis immer dasselbe Vorzeichen wie
hat (
ist die Gaußklammer).
Mit dieser Definition gilt beispielsweise
.
Anwendungen
Kongruenzen bzw. Restklassen sind oft hilfreich, wenn man Berechnungen mit sehr großen Zahlen durchführen muss.
Eine wichtige Aussage über Kongruenzen von Primzahlen ist der kleine Satz von Fermat bzw. der fermatsche Primzahltest.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.07. 2021