Konvergenz in Wahrscheinlichkeit
Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit, auch stochastische Konvergenz genannt, ist ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist das wahrscheinlichkeitstheoretische Pendant zur Konvergenz nach Maß in der Maßtheorie und neben der Konvergenz im p-ten Mittel, der Konvergenz in Verteilung und der fast sicheren Konvergenz einer der Konvergenzbegriffe in der Stochastik. Es finden sich auch Quellen, welche die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit analog zur Konvergenz lokal nach Maß der Maßtheorie definieren. Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit findet beispielsweise Anwendung bei der Formulierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.
Definition
Für reellwertige Zufallsvariablen
Eine Folge
von reellen Zufallsvariablen
konvergiert in Wahrscheinlichkeit oder stochastisch gegen die
Zufallsvariable
,
wenn für jedes
gilt, dass
ist. Man schreibt dann
oder
oder auch
.
Allgemeiner Fall
Seien
ein separabler
metrischer Raum und
die zugehörige Borelsche
σ-Algebra. Eine Folge
von Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum
mit Werten in
heißt konvergent in Wahrscheinlichkeit oder stochastisch
konvergent gegen
,
wenn für alle
gilt, dass
ist. Dabei wird die vorausgesetzte Separabilität benötigt, um die in der
Definition verwendete Messbarkeit der Abbildung ,
sicherzustellen.
Beispiel
Seien
unabhängige
Rademacher-verteilte
Zufallsvariablen, also
.
Dann ist
und
.
Definiert man nun die Folge von Zufallsvariablen
als
,
so ist aufgrund der Unabhängigkeit
und
.
Mit der Tschebyscheff-Ungleichung
erhält man dann die Abschätzung
.
Also konvergieren die
in Wahrscheinlichkeit gegen 0. Neben der Tschebyscheff-Ungleichung ist die
allgemeinere Markow-Ungleichung
ein hilfreiches Mittel, um Konvergenz in Wahrscheinlichkeit zu zeigen.
Eigenschaften
- Konvergiert
stochastisch gegen 0 und konvergiert
stochastisch gegen 0, so konvergiert auch
stochastisch gegen 0.
- Ist die reelle Zahlenfolge
beschränkt und konvergiert
stochastisch gegen 0, so konvergiert auch
stochastisch gegen 0.
- Man kann zeigen, dass eine Folge
genau dann stochastisch gegen
konvergiert, falls
- das heißt die stochastische Konvergenz entspricht der Konvergenz
bezüglich der Metrik
. Der Raum aller Zufallsvariablen versehen mit dieser Metrik bildet einen topologischen Vektorraum, der im Allgemeinen nicht lokalkonvex ist.
Beziehung zu anderen Konvergenzarten der Stochastik
Allgemein gelten für die Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie die Implikationen
und
.
Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist also ein mäßig starker Konvergenzbegriff. In den unten stehenden Abschnitten sind die Beziehungen zu den andere Konvergenzarten genauer ausgeführt.
Konvergenz im p-ten Mittel
Aus der Konvergenz
im p-ten Mittel folgt für
unmittelbar die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit. Dazu wendet man die
Markow-Ungleichung
auf die Funktion
an, die für
monoton wachsend ist, und die Zufallsvariable
an. Dann folgt
,
was im Grenzwert gegen Null geht. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist: sind die Zufallsvariablen definiert durch
mit .
Dann ist
,
wenn .
Also konvergiert die Folge für
im Mittel gegen 0. Für beliebiges
ist aber
. Also konvergiert die Folge für alle
in Wahrscheinlichkeit gegen 0.
Ein Kriterium, unter dem die Konvergenz im p-ten Mittel aus der Konvergenz in
Wahrscheinlichkeit gilt ist, dass eine Majorante
mit
existiert, so dass
für alle
gilt. Konvergieren dann die
in Wahrscheinlichkeit gegen
,
so konvergieren sie auch im p-ten Mittel gegen
.
Allgemeiner lässt sich eine Verbindung zwischen der Konvergenz im p-ten Mittel
und der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit mittels des Konvergenzsatzes
von Vitali und der gleichgradigen
Integrierbarkeit im p-ten Mittel ziehen: Eine Folge konvergiert genau dann
im p-ten Mittel, wenn sie gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel ist und sie
in Wahrscheinlichkeit konvergiert.
Fast sichere Konvergenz
Aus der fast sicheren Konvergenz folgt die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit. Um dies zu sehen, definiert man die Mengen
.
Die
bilden eine monoton
wachsende Mengenfolge, und die Menge
enthält die Menge
der Elemente, auf denen die Folge punktweise konvergiert. Nach Voraussetzung
ist
und damit auch
und demnach
.
Durch Komplementbildung folgt dann die Aussage.
Die Umkehrung gilt aber im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist die
Folge von Bernoulli-Verteilten
Zufallsvariablen zum Parameter ,
also
.
Dann ist
für alle
und somit konvergiert die Folge in Wahrscheinlichkeit gegen 0. Die Folge
konvergiert aber nicht fast sicher, man zeigt dies mit dem hinreichenden
Kriterium für fast sichere Konvergenz und dem Borel-Cantelli-Lemma.
Bedingungen, unter denen aus der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit die fast sichere Konvergenz folgt sind:
- Die Konvergenzgeschwindigkeit der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist ausreichend schnell, sprich es gilt
.
- Der Grundraum
lässt sich als abzählbare Vereinigung von μ-Atomen darstellen. Dies ist bei Wahrscheinlichkeitsräumen mit höchstens abzählbarer Grundmenge immer möglich.
- Ist die Folge der Zufallsvariablen fast sicher streng monoton fallend und konvergiert in Wahrscheinlichkeit gegen 0, so konvergiert die Folge fast sicher gegen 0.
Allgemeiner besitzt jede in Wahrscheinlichkeit konvergierende Folge eine Teilfolge, die fast sicher konvergiert.
Konvergenz in Verteilung
Aus Konvergenz in Wahrscheinlichkeit folgt nach dem Satz
von Slutzky die Konvergenz
in Verteilung, der Umkehrschluss gilt im Allgemeinen nicht. Ist
beispielsweise die Zufallsvariable
Bernoulli-verteilt
mit Parameter
,
also
,
und setzt man
für alle
,
so konvergiert
in Verteilung gegen
,
da sie dieselbe Verteilung haben. Es gilt aber immer
,
die Zufallsvariablen können also nicht in Wahrscheinlichkeit konvergieren. Es
existieren jedoch Kriterien, unter denen aus der Konvergenz in Verteilung die
Konvergenz in Wahrscheinlichkeit folgt. Sind beispielsweise alle
Zufallsvariablen
auf demselben Wahrscheinlichkeitsraum definiert und konvergieren in Verteilung
gegen die Zufallsvariable
,
die fast
sicher konstant ist, so konvergieren die
auch in Wahrscheinlichkeit gegen
.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.04. 2020