Filter (Mathematik)
In der Mathematik ist ein Filter eine nichtleere nach unten gerichtete Oberhalb-Menge innerhalb einer umgebenden halbgeordneten Menge. Der Begriff des Filters geht auf den französischen Mathematiker Henri Cartan zurück.
Anschaulich betrachtet enthält ein Filter Elemente, die zu groß sind, als dass sie den Filter passieren könnten. Ist x ein Filterelement, so ist auch jedes in der gegebenen Ordnungsrelation größere Element y ein Filterelement, und je zwei Filterelemente x und y haben einen gemeinsamen Kern z, der selbst schon zu groß ist, als dass er den Filter passieren könnte.
Filter in der umgekehrten Halbordnung heißen Ideale der Ordnung oder Ordnungsideale.
Anwendungen
Filter treten in der Theorie der Ordnungen und Verbände auf. Ein
wichtiger Spezialfall sind Mengenfilter, d.h. Filter in der durch
die Mengeninklusion halbgeordneten Potenzmenge
einer Menge. Mengenfilter werden besonders in der Topologie
verwendet und erlauben dort die Verallgemeinerung des Begriffs der Folge für
topologische Räume ohne abzählbare Umgebungsbasis.
So bildet das System der Umgebungen
eines Punktes
in einem topologischen Raum einen speziellen Filter, den Umgebungsfilter.
Umgebungsfilter können in Räumen, die kein Abzählbarkeitsaxiom
erfüllen, zur Definition von Netzen
verwendet werden, die die Rolle der Folgen
aus der elementaren Analysis
teilweise übernehmen. Man fasst dazu einen Filter als gerichtete Menge auf
und betrachtet Netze auf dieser gerichteten Menge.
Mit einem Ultrafilter (der kein Hauptfilter ist) auf den natürlichen Zahlen lassen sich die hyperreellen Zahlen der Nichtstandardanalysis konstruieren. Allerdings wird die Existenz solcher Filter selbst nur durch das Auswahlaxiom – also nicht konstruktiv – gesichert.
Allgemeine Definitionen
Eine nichtleere Teilmenge
einer Quasiordnung
heißt Filter, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
ist eine Oberhalb-Menge:
- (D.h. alle (mit
in Relation stehenden) Elemente, die größer als
sind, sind Teil des Filters.)
- (D.h. alle (mit
ist nach unten gerichtet:
und
- (D.h.
ist bzgl. der Umkehrrelation der betrachteten Halbordnung gerichtet.)
- (D.h.
Der Filter
heißt eigentlicher (oder echter) Filter, wenn er nicht
gleich
ist, sondern eine echte Teilmenge
.
Jeder Filter auf einer quasi- oder halbgeordneten Menge
ist Element der Potenzmenge von
.
Die Menge der auf derselben (schwach)
halbgeordneten Menge definierten Filter wird durch die Inklusionsrelation
ihrerseits halbgeordnet. Sind
und
Filter auf derselben (schwach) halbgeordneten Menge
,
so heißt
feiner als
gröber als
wenn
.
Ein maximal feiner echter Filter heißt Ultrafilter.
Filter in Verbänden
Während diese Definition von Filter die allgemeinste für beliebige
quasi- oder halbgeordnete Mengen ist, wurden Filter ursprünglich für Verbände
definiert. In diesem Spezialfall ist ein Filter eine nichtleere Teilmenge
des Verbandes
,
die eine Oberhalb-Menge ist und abgeschlossen unter endlichen Infima,
d.h. für alle
ist auch
.
Hauptfilter
Der kleinste Filter, der ein vorgegebenes Element
enthält, ist
.
Filter dieser Form heißen Hauptfilter, und
ein Hauptelement des Filters. Der zu
gehörende Hauptfilter wird als
geschrieben.
Primfilter
Ein echter Filter
in einem Verband
mit der Zusatzeigenschaft
heißt Primfilter.
Ideale
Der zum Filter duale Begriff ist der des Ideals: Ein Ideal (auch Ordnungsideal) ist eine gerichtete Unter-Halbmenge in einer Quasi- oder Halbordnung.
Betrachtet man in einer halbgeordneten Menge
die Umkehrrelation
,
so ist auch
wieder eine halbgeordnete Menge. Die so durch Dualisierung
entstehende Struktur als
notiert.
Ein Filter in
Ideal in
und umgekehrt.
Ebenso erhält man aus einem (distributiven) Verband
durch Vertauschen der beiden Verbandsverknüpfungen Supremum
und Infimum
wieder einen (distributiven) Verband. Sind in
ein kleinstes Element 0 und ein größtes Element 1 vorhanden, so werden sie
ebenfalls vertauscht.
Beispiel
Wir betrachten in der sogenannten punktierten komplexen Ebene
die Teilmengen
für
der (offenen) Strahlen aus der Null (kurz: Nullstrahlen). Auf
definieren wir nun eine Halbordnung
,
indem wir
als kleiner-gleich
betrachten, falls
und
auf demselben Strahl liegen und
betraglich kleiner-gleich
ist. D.h.
für .
In der halbgeordneten Menge
sind nun alle Filter gegeben durch die Nullstrahlen und deren offene und
abgeschlossene Teilstrahlen
für alle
mit
Jeder dieser Filter ist echt. Außerdem folgt aus
,
dass
feiner
feiner
feiner
;
insbesondere ist
ein maximal-feiner echter Filter und damit ein Ultrafilter. Für jede komplexe
Zahl
ist der abgeschlossene Strahl
ihr Hauptfilter
mit
als (einzigem) Hauptelement.
Die Ordnungsideale in
entsprechen den fehlenden Strahlenabschnitten zwischen der Null und dem Beginn
jedes Teilstrahls. Ist der Teilstrahl offen, enthält er also nicht seinen
Aufpunkt, so fehlt auch im entsprechenden Ordnungsideal der Aufpunkt –
analog ist er im abgeschlossenen Fall in Teilstrahl und Ideal jeweils enthalten.
(Filter und Ordnungsideal sind also nicht disjunkt!)
Aus dem Nullstrahl ergibt sich kein entsprechendes Ordnungsideal, da der
„fehlende“ Strahlenabschnitt durch die leere Menge gegeben wäre (die kein Filter
sein kann). Die Ideale haben also die Form:
und
für alle
und
.
Mengenfilter
Definition
Ein wichtiger Spezialfall eines Filters – vor allem in der
Topologie – sind Mengenfilter. Man geht in diesem Fall von der durch die
Mengeninklusion halbgeordneten Potenzmenge
einer beliebigen nichtleeren Mengen
aus. Eine echte Teilmenge
ist genau dann ein Mengenfilter oder Filter, wenn folgende Eigenschaften
erfüllt sind:
und
,
,
.
Ein Mengenfilter, für den gilt
,
der also zu jeder Teilmenge diese selber oder ihr Komplement enthält, heißt
Ultrafilter auf .
Diese Definitionen stimmen mit den oben gegebenen für echte Filter in
Verbänden überein, da die Potenzmenge von
einen Verband bildet.
Beispiele für Mengenfilter
heißt der von
erzeugte Hauptfilter.
- Ist
ein topologischer Raum mit Topologie
, dann heißt
Umgebungsfilter von
.
- Ist
eine unendliche Menge, dann heißt
Fréchet-Filter der Menge
.
- Ist
ein nichtleeres Mengensystem von
mit folgenden Eigenschaften
und
,
- so heißt
Filterbasis in
. Ein solches Mengensystem erzeugt auf natürliche Weise einen Filter
- Dieser heißt der von
erzeugte Filter.
- Ist
eine Abbildung zwischen zwei nichtleeren Mengen und
ein Filter auf
, so bezeichnet
den von der Filterbasis
erzeugten Filter. Dieser heißt Bildfilter von
.
Anwendungen in der Topologie
In der Topologie ersetzen Filter und Netze die dort für eine befriedigende Konvergenztheorie unzureichenden Folgen. Insbesondere die Filter als sich verengende Mengensysteme haben sich hier als gut geeignet zur Konvergenzmessung erwiesen. Man erhält auf diesem Wege oft analoge Sätze zu Sätzen über Folgen in metrischen Räumen.
Ist
ein topologischer Raum, heißt ein Filter
genau dann konvergent gegen ein
,
wenn
,
d.h., wenn
feiner ist als der Umgebungsfilter
von
,
d.h. alle (es genügen offene) Umgebungen von
enthält. Schreibweise:
Von der Verfeinerung von Zerlegungen spricht man besonders im
Zusammenhang mit Integrationstheorien.
So ist zum Beispiel eine Abbildung
zwischen zwei topologischen Räumen genau dann stetig, wenn für jeden Filter
mit
gilt, dass
.
In einem nicht-hausdorffschen Raum kann ein Filter gegen mehrere Punkte konvergieren. Hausdorff-Räume lassen sich sogar gerade dadurch charakterisieren, dass in ihnen kein Filter existiert, welcher gegen zwei verschiedene Punkte konvergiert.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.12. 2020