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Chlorethan

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[5] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr
H- und P-Sätze H:
  • Extrem entzündbares Gas.
  • Enthält Gas unter Druck; kann bei Erwärmung explodieren.
  • Kann vermutlich Krebs erzeugen (Expositionsweg angeben, sofern schlüssig belegt ist, dass diese Gefahr bei keinem anderen Expositionsweg besteht).
  • Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung.
P:
  • Vor Gebrauch alle Sicherheitshinweise lesen und verstehen.
  • Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen.
  • Freisetzung in die Umwelt vermeiden.
  • Schutzhandschuhe/ Schutzkleidung/ Augenschutz/ Gesichtsschutz/ Gehörschutz/ … tragen.
  • Bei Exposition oder falls betroffen: Ärztlichen Rat Einholen / ärztliche Hilfe hinzuziehen.
  • Brand von ausströmendem Gas: Nicht löschen, bis Undichtigkeit gefahrlos beseitigt werden kann.
  • Bei Undichtigkeit alle Zündquellen entfernen.
  • An einem gut belüfteten Ort aufbewahren.
[1]
MAK
  • DFG: nicht festgelegt, da vermutlich krebserregend[1]
  • Schweiz: 9,0 ml/m3 bzw. 25,0 mg/m3[6]

Chlorethan ist eine chemische Verbindung, die synthetisch als Ethylierungsreagenz eingesetzt werden kann. Weitere Namen sind Aethylchlorid, Chloräthyl, Monochloräthan, Chlorwasserstoffäther, leichter Salzäther, Kelen und Chelen.

Strukturformel
Struktur von Chlorethan
Allgemeines
Name Chlorethan
Andere Namen
  • Ethylchlorid
  • Monochlorethan
  • R-160
  • Kelen
  • Chlorethyl
Summenformel C2H5Cl
Kurzbeschreibung farbloses Gas mit etherartigem, stechendem Geruch[1]
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer Extern 75-00-3
EG-Nummer 200-830-5
ECHA-InfoCard Extern 100.000.755
PubChem Extern 6337
ChemSpider Extern 6097
DrugBank Extern DB13259
Eigenschaften
Molare Masse 64,51 g/mol
Aggregatzustand gasförmig
Dichte
  • 2,884 kg/m3 (0 °C, 1013 mbar)[1]
  • 0,9054 kg/l (Flüssigkeit am Siedepunkt)[1]
Schmelzpunkt −138,3 °C[1]
Siedepunkt 13,1 °C[1]
Dampfdruck
  • 1,343 bar (20 °C)[1]
  • 1,9 bar (30 °C)[1]
  • 3,4 bar (50 °C)[1]
Löslichkeit
  • mäßig löslich in Wasser (5,74 g/l bei 20 °C)[1]
  • mischbar mit organischen Lösungsmitteln[2]
Dipolmoment 2,05 D[3] (6,8 · 10−30 C · m)
Brechungsindex 1,3798[4]
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0
  • −112,1 kJ/mol (Gas)[7]
  • –136,8 kJ/mol (Flüssigkeit)[7]

Geschichte

Ethylchlorid als chemische Verbindung wurde bereits sehr früh entdeckt und hergestellt. Man nimmt an, dass es der erste hergestellte chlorierte Kohlenwasserstoff ist. Bereits 1440 wurde es von Basilius Valentinus durch Reaktion von Ethanol mit Salzsäure hergestellt. Zwei Jahrhunderte später – im Jahr 1648 – erhielt Johann Rudolph Glauber die Verbindung ebenfalls, indem er Ethanol mit Zinkchlorid umgesetzt hat. Nachdem Ernst von Bibra und Emil Harleß tierexperimentell Salzäther erforscht und Thomas Nunneley sowie James Young Simpson das Chloräthyl eingehender untersucht hatten, verwendeten Marie-Jean-Pierre Flourens in Paris[8] und Johann Ferdinand Heyfelder in Erlangen 1847 als Erste Salzätherinhalationen zur Herbeiführung einer Inhalationsnarkose.[9] Auch als Lokalanästhetikum in der Zahnheilkunde wurde Chlorethan benutzt. So benutzte der Schweizer Camille Redard (1841–1910) um 1888 Chloräthyl als Lokalanästhetikum. Nachdem Carlson und Thiessing 1894 festgestellt hatten, dass das Lokalanästhetikum auch eine allgemeine Betäubung bewirken kann, wurde es wieder vermehrt für kurze Operationen bzw. als Einleitungshypnotikum verwendet.[10] Um 1904 entwickelte Wilhelm Herrenknecht eine modernere Technik des Chloräthylrausches.[11] Im Rahmen der Industrialisierung und der immer stärker wachsenden Automobilindustrie in den 1920er Jahren wurde Chlorethan zu einem wichtigen Massenprodukt der Chemischen Industrie. Es wurde anfangs in großen Mengen bei der Produktion von Tetraethylblei, einem Antiklopfmittel für Motorenbenzin, verwendet. Durch die strikteren Regulierungen im Bezug auf verbleites Motorenbenzin zur Erhöhung der Oktanzahl (Verbot seit 2000 in der EU) und aufgrund der Entwicklung von alternativen Zusatzstoffen (z. B. Methyl-tert-butylether) für Ottomotoren ist der Bedarf an Chlorethan rückläufig geworden.[4]

Gewinnung und Darstellung

Wie bereits erwähnt gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Herstellung von Chlorethan, von denen jedoch nur noch zwei von industrieller Bedeutung sind.

Thermische Chlorierung von Ethan

Ein vorteilhaftes Verfahren zur großtechnischen Herstellung von Chlorethan besteht in der thermischen Chlorierung von Ethan mit Chlorgas bei Temperaturen von 400–450 °C und Drücken von 5–10 bar.[4][12]

Thermische Chlorierung von Ethan zu Chlorethan und Chlorwasserstoff
Thermische Chlorierung von Ethan zu Chlorethan und Chlorwasserstoff

Die Umsetzung wird katalysatorfrei in einem adiabatisch betriebenen Rohrreaktor durchgeführt. Man arbeitet mit einem hohen Ethanüberschuss, um die Bildung von höher chlorierten Kohlenwasserstoffen (z. B. 1,1-Dichlorethan) zu reduzieren. Es handelt sich um einen radikalische Substitutionsreaktion, die aufgrund der hohen Temperatur ohne Katalysator abläuft. Alternativ kann die Reaktion auch photochemisch induziert werden. Das Produktgemisch wird destillativ aufgereinigt und von anderen Bestandteilen abgetrennt.[4][12]

Hydrochlorierung von Ethen

Ein weiteres Verfahren zur industriellen Herstellung von Chlorethan betrifft die Hydrochlorierung von Ethen mit Chlorwasserstoff bei Temperaturen von 30–50 °C und geringen Drücken von 1–5 bar in Gegenwart von Aluminiumchlorid als Katalysator.[4][12]

Reaktion von Ethen mit Chlorwasserstoff zu Chlorethan in Gegenwart von Aluminiumchlorid als Katalysator
Reaktion von Ethen mit Chlorwasserstoff zu Chlorethan in Gegenwart von Aluminiumchlorid als Katalysator

Man arbeitet in der Flüssigphase in Siedebettreaktoren, in denen die entstandene Reaktionswärme durch ein Kühlsystem abgeführt wird. Der Umsatz von Ethen und Chlorwasserstoff ist nahezu quantitativ. Die Selektivität bezogen auf Chlorethan beträgt 98–99 %. Als Nebenprodukte entstehen geringe Mengen an oligomeren Ethen-Verbindungen (durch Ziegler-Natta-Verfahren) und höher chlorierte Kohlenwasserstoffe.[4]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Chlorethandämpfe sind schwerer als Luft und reichern sich am Boden an („Schwergas“). Es besitzt eine kritische Temperatur von 187,2 °C, einen kritischen Druck von 52,7 bar, eine kritische Dichte von 0,331 kg/l und eine Tripelpunkt-Temperatur von −138,3 °C (Schmelztemperatur).[1]

Chemische Eigenschaften

Chlorethan ist unter Normalbedingungen gasförmig, sehr reaktionsfreudig und lichtempfindlich. Bei der thermischen Zersetzung unter Sauerstoffausschluss entsteht Chlorwasserstoff und Ethylen. An Luft und unter Lichteinwirkung zersetzt es sich langsam unter Bildung von Chlorwasserstoff und Phosgen.[1]

Verwendung

Chlorethan wird wegen der schwierigen Handhabung praktisch nur industriell genutzt, etwa als Ethylierungs-, Löse- und Extraktionsmittel.[1] In der Medizin dient es seit etwa 1882[13] zur Lokalanästhesie (Vereisung).[14] Industriell war Chlorethan ein wichtiger Ausgangsstoff zur Herstellung des Antiklopf-Additivs Tetraethylblei für Kraftstoffe. In der Zahnmedizin dient es zur Sensibilitätsprüfung der Zähne („Vitalitätsprüfung“).
Chlorethan wurde früher auch als (in Ampullen aufbewahrtes) und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekanntes[15] Inhalationsnarkotikum[16] verwendet, erwies sich aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts[17] wegen seiner im Vergleich zu anderen Substanzen geringen therapeutischen Breite als ungeeignet.[18]

Sicherheitshinweise

Chlorethan ist hochentzündlich und gesundheitsschädlich, möglicherweise sogar krebserregend. Das Gas wirkt stark betäubend; bereits 4 % in der Atemluft verursachen Narkose.[2] Schon narkotische Konzentrationen können zu Kammerflimmern und Herzstillstand führen, höhere Konzentrationen (6 %) nach kurzer Zeit zu Atemlähmung.[1]

Einzelnachweise

  1. Hochspringen nach: a b c d e f g h i j k l m n o p Eintrag zu Extern Chlorethan in der GESTIS-Stoffdatenbank des Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, abgerufen am 30. Oktober 2025. (JavaScript erforderlich)
  2. Hochspringen nach: a b Eintrag zu Extern Ethylchlorid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 30. Oktober 2025.
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Permittivity (Dielectric Constant) of Gases, S. 6-188.
  4. Hochspringen nach: a b c d e f Eberhard‐Ludwig Dreher, Klaus K. Beutel, John D. Myers, Thomas Lübbe, Shannon Krieger, Lynn H. Pottenger: Chloroethanes and Chloroethylenes. In: Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. Wiley‐VCH Verlag GmbH & Co. KGaA., 19. November 2014, doi: Extern 10.1002/14356007.o06_o01.pub2.
  5. Eintrag zu Extern Chloroethane in der Datenbank ECHA CHEM der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 30. Oktober 2025. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung Extern erweitern.
  6. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Extern Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 75-00-3 bzw. Chlorethan), abgerufen am 30. Oktober 2025.
  7. Hochspringen nach: a b W. M. Haynes (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 97. Auflage. (Internet-Version: 2016), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-10.
  8. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 14.
  9. Ulrich von Hintzenstern, Wolfgang Schwarz: Frühe Erlanger Beiträge zur Theorie und Praxis der Äther- und Chloroformnarkose. Teil 1: Heyfelders klinische Versuche mit Äther und Chloroform. In: Der Anaesthesist. Band 45, Heft 2, 1996, S. 131–139, hier: S. 131 und 135 f.
  10. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. 1973, S. 14 und 25.
  11. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 58.
  12. Hochspringen nach: a b c Manfred Fedtke, Wilhelm Pritzkow, Gerhard Zimmermann: Technische Organische Chemie – Grundstoffe, Zwischenprodukte, Finalprodukte, Polymere. 1. Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1992, ISBN 3-342-00420-7.
  13. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 18.
  14. Johannes Petres, Rainer Rompel: Operative Dermatologie: Lehrbuch und Atlas. 2. Auflage, Springer-Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-34086-7, S. 44.
  15. H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 18.
  16. Hans Killian: Hinter uns steht nur der Herrgott. Sub umbra dei. Ein Chirurg erinnert sich. Kindler, München 1957; hier: Lizenzausgabe als Herder-Taschenbuch (= Herderbücherei. Band 279). Herder, Freiburg/Basel/Wien 1975, ISBN 3-451-01779-2, S. 31.
  17. Vgl. etwa Gustav Döderlein: Der heutige Stand der abdominalen Schnittentbindung. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 56–61, hier: S. 61 (zur Chloräthyl-Äther-Narkose).
  18. Harry Auterhoff: Lehrbuch der pharmazeutischen Chemie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1968, S. 121.
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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.11. 2025