Gudermannfunktion
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Die Gudermannfunktion, benannt nach Christoph Gudermann
(1798–1852), stellt eine Verbindung zwischen den trigonometrischen und
den hyperbolischen
Funktionen her, ohne dabei die komplexen
Zahlen zu benutzen. Dabei ist die Gudermannfunktion eine Zwischenfunktion,
um für ein Argument
durch Anwendung auf eine Kreisfunktion eine Exponential- bzw. eine
Hyperbelfunktion zu erhalten. Sie wurde erstmals von dem Schweizer Mathematiker
Johann
Heinrich Lambert um 1760 beschrieben, als dieser bei Experimenten mit Kettenbrüchen für den
Tangens eine unmittelbare Abhängigkeit der Eulerschen
Zahl von der Kreiszahl
finden wollte. Er konnte für diese von ihm „transzendenter Winkel“ genannte
Zwischenfunktion keine nicht-triviale, analytische Form angeben und auch keinen
weiteren Nutzen aufzeigen, da sich damit der gesuchte Zusammenhang zwischen
und
nicht herleiten ließ.
Die Gudermannfunktion
Um 1830 stieß Christoph Gudermann bei der Untersuchung von elliptischen Integralen zufällig auf einen reellen, nicht-trivialen Zusammenhang zwischen Kreis- und Exponentialfunktionen, der sich zudem auf alle Winkelfunktionen anwenden ließ. Damit konnte Lamberts Zwischenfunktion in analytischer Form dargestellt werden, fand aber nur wenig Beachtung und Anerkennung (siehe Rezeption des Werks von Christoph Gudermann). Die Bezeichnung Gudermannfunktion wurde 1862 von Arthur Cayley eingeführt, als dieser sich in einem eigenen Werk über elliptische Integrale auf Gudermanns Vorarbeiten bezog.
Die Funktion ist für
definiert durch:
.
Mit den Substitutionen
und daraus folgend mit dem Differential
lässt sich das Integral auswerten:
Aus dieser expliziten Formel lässt sich erkennen, dass der Wert der
Gudermannfunktion einen Winkel
und das Argument
einen Skalar für die Exponentialfunktion darstellt. Aufgelöst nach der
e-Funktion ergibt sich ein Ausdruck für den halben Winkel
und daraus erhält man eine Beziehung zum halben Argument
Gl. (2) führt auf folgende alternative Darstellungen der Gudermannfunktion
Sie entspricht dem Zusammenhang, den Lambert untersucht hat
Der Übergang von halben zu ganzen Winkeln und Argumenten wird durch Einsetzen von Gl. (2) in das Additionstheorem für den Tangens des doppelten Winkels vollzogen:
Diese Gleichung ist eine weitere Beziehung zwischen Winkel
und Skalar
.
Von besonderem Interesse sind Darstellungen, bei denen Tangens oder
Tangens-Hyperbolikus auftreten, da sich deren Umkehrfunktionen besonders leicht
mit numerischen Mitteln ausrechnen lassen.[1]
Somit ist
von den möglichen Alternativdarstellungen die wichtigste.
Die inverse Gudermannfunktion
Die Umkehrfunktion
der Gudermannfunktion kann einerseits durch Auflösung einer deren Gleichungen
nach
gewonnen und muss üblicherweise mittels Logarithmus dargestellt werden. Sie ist
jedoch auch unabhängig von den obigen Gleichungen definiert und deren Herleitung
folgt in analoger Weise der Herleitung der Gudermannfunktion, allerdings sind
für die Zwischenschritte komplexe Rechnungen nötig.
Für
gilt:
Für die numerische Auswertung der inversen Gudermannfunktion ist die
Darstellung nach Gl. (4) insbesondere für die mittleren zwei Drittel des Definitionsbereichs
geeignet: .
An den Rändern ist eine Darstellung mit halben Winkeln zu bevorzugen, weil diese
nicht in den flachen Bereichen der Extrema von Sinus und/oder Kosinus arbeiten
und deshalb eine höhere numerische Schärfe besitzen. Für die Auswertung der
Gudermannfunktion
sind ähnliche Überlegungen anzustellen.
Weitere Beziehungen
Die Ableitung der Gudermannfunktion und derer Umkehrung sind entsprechend der Integranden ihre Definitionsintegrale:
Besonders bemerkenswert ist die Identität für komplexe Rechnung:
Die Verbindung von Kreis- und Hyperbelfunktionen ist im Wesentlichen gegeben durch:
Praktische Anwendung
Mit den gezeigten Verbindungen von Kreis- und Hyperbelfunktionen lassen sich mathematische Ausdrücke gegebenenfalls vereinfachen.
Wegen ihrer einfachen Ableitungen eignen sich die Gudermannfunktion und ihre Inverse als Substitution für die Integralrechnung. Zu diesem Zweck hat Gudermann sie benutzt.
Mit der Gudermannfunktion bzw. deren Umkehrung wird der Winkel der geographischen
Breite
mit der Nord-Süd-Komponente
der Mercator-Projektion
verknüpft. Dabei sind mit dem Erdradius
insbesondere die Gleichungen
von Bedeutung. Da die lokale Verzerrung der Mercator-Projektion mit
vom Breitengrad abhängt, ist der relative Projektionsabstand
vom Äquator bis zum
Breitengrad
das Integral aller Verzerrungen über den Kreisbogen
(Meridianbogen) vom
Äquator bis
Für die Auswertung ist eventuell eine Darstellung der inversen Gudermannfunktion für halbe Winkel zu bevorzugen.
Siehe auch
Einen zur Gudermannfunktion sehr ähnlich sigmoiden Kurvenverlauf zeigt etwa der Tangens hyperbolicus, bzw. die auf ihm basierende Logistische Funktion
Anmerkungen
- ↑ Die Umkehrfunktion des Tangens lässt sich mittels vereinfachtem Newton-Verfahren ohne Divisionen sehr effizient aus Sinus und Cosinus entwickeln und der Area-Tangens wird als Logarithmus ausgedrückt. Dieser kann als Inverse der e-Funktion ebenfalls mittels Newton-Verfahren oder noch eleganter und effizienter mit dem kubisch konvergierenden Halley-Verfahren berechnet werden.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 20.07. 2021