Alphabet
Ein Alphabet (frühneuhochdeutsch von kirchenlateinisch alphabetum, von altgriechisch ἀλφάβητος alphábētos) ist die Gesamtheit der kleinsten Schriftzeichen bzw. Buchstaben einer Sprache oder mehrerer Sprachen in einer festgelegten Reihenfolge. Die Buchstaben können über orthographische Regeln zu Wörtern verknüpft werden und damit die Sprache schriftlich darstellen. Die im Alphabet festgelegte Reihenfolge der Buchstaben erlaubt die alphabetische Sortierung von Wörtern und Namen beispielsweise in Wörterbüchern. Nach einigen Definitionen ist mit Alphabet nicht der Buchstabenbestand in seiner festgelegten Reihenfolge gemeint, sondern die Reihenfolge selbst.
Die Bezeichnung Alphabet geht auf die ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets zurück (Alpha – α, Beta – β). Ausgehend von den ersten drei Buchstaben des deutschen Alphabets (bzw. des lateinischen Alphabets) sagt man auch Abc.
Alphabetschriften gehören wie Silbenschriften zu den phonographischen Schriften und stehen damit im Gegensatz zu piktografischen oder logografischen Systemen, bei denen die Zeichen für Begriffe stehen (z.B. Rind, Sonnenaufgang, Freundschaft). Im Unterschied zu Silbenschriften bezeichnen alphabetische Buchstaben in der Regel jeweils nur einen Laut (Phonem). Damit wird die fürs Sprechenlernen schon erbrachte und unerlässliche Abstraktionsleistung hochgradig ins Schreiben hinübergerettet und das Erlernen völlig neuer Symbole für die Objekte des Alltags eingespart. Eine Zwischenform aus Alphabetschrift und Silbenschrift stellen die sogenannten Abugidas dar, zu denen die indischen Schriften gehören.
Das Alphabet dient auch dem Erlernen des Lesens und des Schreibens; eine Merkhilfe dazu waren die Buchstabentafeln. Jemand, der lesen kann, wird fachsprachlich ebenfalls als Alphabet bezeichnet, das Gegenteil ist der Analphabet. Ein wichtiges Ziel von Kulturpolitik ist die Alphabetisierung der jeweiligen Bevölkerung – also die Beherrschung des Lesens und des Schreibens durch alle.
Deutsches Alphabet
Das deutsche Alphabet ist eine Variante des lateinischen Alphabets. Von diesem stammen die 26 Buchstaben A bis Z; hinzu kommen noch die Umlaute (Ä/ä, Ö/ö, Ü/ü) sowie das Eszett (ẞ/ß).
Großbuchstaben | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z | Ä | Ö | Ü | ẞ |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Kleinbuchstaben | a | b | c | d | e | f | g | h | i | j | k | l | m | n | o | p | q | r | s | t | u | v | w | x | y | z | ä | ö | ü | ß |
Weitere Alphabete (Auswahl)
Natürliche Schriftsprachen
Bezeichnung/Name | Zeit | Zeichen |
---|---|---|
Althebräische Schrift | 1000 v. Chr. | 22 |
Altnubische Schrift | 800 n. Chr. | 30 |
Altsüdarabische Schrift | 800 v. Chr. | 29 |
Alttürkische Schrift (Orchon-Runen) | 700 n. Chr. | |
Altungarische Schrift | unbekannt | 35 |
Arabisches Alphabet | 800 n. Chr. | 28 |
Aramäische Schrift | 900 v. Chr. | |
Armenisches Alphabet | 400 n. Chr. | 36–39 |
Deutsches Alphabet | 1500 n. Chr. | 30 |
Georgisches Alphabet | 400 n. Chr. | 33 |
Germanische Schrift (Runen) | 100 n. Chr. | |
Glagolitische Schrift | 860 n. Chr. | 41 |
Gotisches Alphabet | 350 n. Chr. | 25 |
Griechisches Alphabet | 900 v. Chr. | 24 |
Koptisches Alphabet | 200 n. Chr. | 32 |
Koreanisches Alphabet | 1446 n. Chr. | 24 |
Kufische Schrift | 600 n. Chr. | 28 |
Kyrillisches Alphabet | 1000 n. Chr. | 33 |
Lateinisches Alphabet | 700 v. Chr. | 26 |
Libysche Schrift | 300 v. Chr. | |
Phönizisches Alphabet | 1000 v. Chr. | 22 |
Protosinaitische Schrift | 1700 v. Chr. | 22–24 |
Tifinagh-Schrift | unbekannt | 21–27 |
Wadi-el-Hol-Schrift | 1900–1800 v. Chr. | 13 oder mehr |
Ugaritische Schrift | 1400 v. Chr. | 30 |
Plan-, Sonder- und Geheimsprachen
Bezeichnung/Name | Zeit | Anmerkungen |
---|---|---|
Henochische Sprache | 1583 n. Chr. | – |
Schrift des Codex Seraphinianus | 1978 n. Chr. | von Luigi Serafini entwickelt |
Thebanisches Alphabet | 1500 n. Chr. | – |
Voynich-Alphabet | unbekannt | – |
Funktionsweise
Die Buchstaben eines Alphabetes sind schriftliche Symbole für die kleinsten bedeutungsunterscheidenden lautlichen Einheiten der Sprache, die Phoneme; zum Beispiel unterscheiden ⟨t⟩ und ⟨s⟩ in ⟨Haut⟩ und ⟨Haus⟩ die Bedeutung der Wörter (siehe auch Minimalpaar und Allophon).
In einem idealen Alphabet entspricht jeder Buchstabe einem Phonem und umgekehrt. In der Praxis finden sich aber immer Abweichungen:
- Es kann dasselbe Zeichen für verschiedene Laute gelten (z.B. ⟨v⟩ für [f] in Vogel und [v] in Vase oder die drei ⟨e⟩ in weggeben [ˈvɛkˌgeːbən]).
- Es kann derselbe Laut mit verschiedenen Zeichen notiert werden (z.B. [f] in ⟨Vogel⟩ und ⟨Fisch⟩).
- Es können mehrere Zeichen für ein einziges Phonem stehen (⟨sch⟩).
- Es können mehrere Laute durch ein einziges Zeichen wiedergegeben werden (z.B. ⟨x⟩ für /ks/).
- Es kann ein Laut unbezeichnet bleiben (z.B. der Knacklaut in ⟨beachten⟩ /bəˈʔaxtən/).
Darüber hinaus geht die einmal festgelegte Korrespondenz von Phonem und Graphem auch durch den Sprachwandel verloren (vergleiche englisch ⟨sign⟩ /saɪn/ und ⟨signal⟩ /ˈsɪgnəl/ gegenüber lateinisch ⟨signum⟩).
Fehlen in einem Schriftsystem Zeichen für Phoneme, können sprachliche (inhaltliche) Unterschiede eventuell nicht schriftlich wiedergegeben werden. So bestanden einige Alphabete ursprünglich nur aus Konsonanten (Konsonantenschrift). Später wurden sie mit Zeichen für Vokale ergänzt, die als kleine Zusätze (z.B. Punkte, Striche) zu den Konsonanten gesetzt werden konnten (z.B. arabisches und hebräisches Alphabet).
Sind hingegen in einem Schriftsystem Zeichen für Phoneme im Übermaß vorhanden, können semantische (inhaltliche) Unterschiede selbst bei gleicher Lautung schriftlich ausgedrückt werden. Zum Beispiel im Deutschen ⟨Lerche⟩ und ⟨Lärche⟩.
Die Schriftsysteme für die meisten europäischen Sprachen nutzen Varianten des lateinischen Alphabets. Dabei wurden den Zeichen für lateinische Laute ähnliche Laute der jeweiligen Sprache zugeordnet. Dieselben Zeichen standen in den verschiedenen Sprachen für teilweise unterschiedliche Laute. Zudem ist es im Zuge der Sprachentwicklung zu weiteren Veränderungen der Aussprache gekommen (vgl. ⟨j⟩ im Deutschen und Englischen).
Da die Zahl und Art der Phoneme in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich ist, genügte der Zeichenvorrat des lateinischen Alphabetes oft nicht. Deshalb wurden zur Darstellung der betreffenden Phoneme Buchstabenkombinationen (z.B. ⟨ou⟩, ⟨ch⟩, ⟨sz⟩) und diakritische Zeichen eingeführt (z.B. auf ⟨ö⟩, ⟨š⟩).
Daneben wurden Varianten der ursprünglichen lateinischen Zeichen (⟨i⟩ → ⟨j⟩, ⟨v⟩ → ⟨u⟩) und Ligaturen (⟨ae⟩ → ⟨æ⟩, ⟨uu⟩/⟨vv⟩ → ⟨w⟩, ⟨ſz⟩/⟨ſs⟩ → ⟨ß⟩) zu eigenständigen Zeichen weiterentwickelt und gelegentlich auch Buchstaben aus anderen Alphabeten übernommen (⟨þ⟩).
Lautschrift
Ein absolut phonetisches Alphabet wäre in der Praxis unbrauchbar, weil es aufgrund der mannigfaltigen Nuancen einer Sprache sehr viele Zeichen hätte. Ein in Bezug auf die phonetische Wiedergabe optimiertes Alphabet ist das IPA, welches möglichst vielen Lautnuancen ein grafisches Zeichen zuordnet.
Eine phonemische Schreibweise behandelt unterschiedliche Aussprachen desselben Phonems gleich. So wird beispielsweise in der deutschen Orthografie die regional unterschiedliche (phonetische) Aussprache des Phonems /g/ in ⟨Tag⟩ als norddeutsch [taχ] und hochdeutsch [taːk] nicht berücksichtigt. Daneben sorgen morphemische Schreibungen für ein konstanteres Schriftbild bei der Flexion, z.B. schreibt man wegen des Plurals Tage nicht *⟨Tak⟩, sondern ⟨Tag⟩, und bei der Derivation, z.B. ⟨täglich⟩ statt ⟨teglich⟩.
Buchstabieren
Wenn Menschen einander mündlich die korrekte Schreibweise eines Wortes mitteilen, indem sie nacheinander alle Buchstaben jenes Wortes nennen, so bezeichnet man diesen Vorgang als Buchstabieren (Verb: buchstabieren). Dabei werden Konsonantenbuchstaben meist mit Hilfe von zusätzlichen Vokalen ausgesprochen, im Deutschen zum Beispiel [beː] für B oder [kaː] für K. Um Missverständnisse auszuschließen, können auch in einer Buchstabiertafel festgelegte Ansagewörter (beispielsweise Namen) ausgesprochen werden, die mit dem betreffenden Buchstaben beginnen, zum Beispiel „Aachen“ für A oder „Berlin“ für B. Für Deutschland sind Buchstabiertafeln und Buchstabierregeln in der DIN 5009 enthalten.
Entstehung und Entwicklung
Aus den in Vorderasien gebräuchlichen Keilschriften entwickelten Händler in Ugarit um 1400 v.Chr. die erste alphabetische Schrift, die sogenannte ugaritische Schrift. Aus dieser Schrift hat sich um 1000 v.Chr. unter anderem das phönizische Alphabet entwickelt, das wiederum Ausgangspunkt für die heute gebräuchlichen Alphabete war. Die Phönizier verwendeten dabei Elemente vorhandener Bilderschriften. Sie lösten die Zeichen vollständig von ihrer bildlichen Bedeutung und wiesen ihnen Lautwerte zu. Die phönizische Schrift verlief von rechts nach links. Trotz der großen Unterschiede in der Gestalt der Zeichen lassen sich die Buchstaben der Phönizier mit den Keilschrift-Zeichen der ugaritischen Schrift in Verbindung bringen.
Die phönizische Schrift war eine reine Konsonantenschrift. Dies entsprach der Struktur der semitischen Sprachen. Die hebräische und die arabische Schrift, die daraus entstanden, verzichten bis heute (weitgehend) auf Vokale. Als die Griechen etwa im 10. oder 9. Jahrhundert v.Chr. die phönizische Schrift übernahmen, benutzten sie Zeichen für bestimmte semitische Konsonanten, die in ihrer Sprache nicht vorkamen, zur Bezeichnung von Vokalen, z.B. wurde aus dem Zeichen H für einen rauen Hauchlaut im griechischen Alphabet ein Zeichen für einen Vokal. Einige Zeichen für Konsonanten, die die phönizische Sprache nicht kannte, wurden neu geschaffen, z.B. das Psi. Im Jahre 403 v.Chr. wurde in Athen das Alphabet normiert. Es wurde so zum Schriftsystem für ganz Griechenland.
Anfang des 4. Jahrhunderts v.Chr. brachten griechische Siedler das Alphabet nach Italien, wo die Etrusker (in der heutigen Toskana) es im Laufe des 4. Jahrhunderts übernahmen. Im 3. Jahrhundert v.Chr. orientierten sich die Römer an der griechisch-etruskischen Schrift und überlieferten sie im 1. Jahrhundert v.Chr. nach Mitteleuropa.
Historische Bedeutung
Durch das Alphabet entstand ein System mit vergleichsweise wenigen Zeichen. Um die Aufzeichnungen der alten Ägypter verstehen zu können, musste man Hunderte, später sogar Tausende Hieroglyphen lernen. Nun genügten zwei Dutzend Zeichen, um sämtliche Gedanken, die überhaupt formulierbar sind, zu notieren. Die Einfachheit dieses Systems begünstigte dessen Verbreitung über die halbe Welt.
„Die menschlichen Sprechwerkzeuge können zwar eine riesige Zahl von Lauten erzeugen, doch beruhen fast alle Sprachen auf dem formalen Wiedererkennen von nur ungefähr vierzig dieser Laute durch die Mitglieder einer Gesellschaft.“ (Jack Goody).
Die Reihenfolge des griechischen und lateinischen Alphabets folgt global (mit wenigen Ausnahmen) der Reihenfolge des phönizischen Alphabets, da die Zeichen auch mit einem Zahlwert gekoppelt waren.
Alphabete im weiteren Sinn
Die Buchstaben (Schriftzeichen eines Alphabets) bestehen meist aus Linien und können beispielsweise auf Papier geschrieben werden. Das bestimmende Merkmal eines Buchstabens ist jedoch nicht die Form, sondern seine Funktion, einen Sprachlaut oder eine Lautverbindung zu repräsentieren. Deshalb spricht man im weiteren Sinn auch bei den folgenden Zeichensystemen von Alphabeten:
- Brailleschrift, die häufigste Form einer Blindenschrift
- Fingeralphabet für Gehörlose und Schwerhörige
- Morsezeichen
- Flaggenalphabet
- Winkeralphabet
- optische Telegrafie
Diese Zeichensysteme kodieren eigentlich Buchstaben – und nur indirekt Laute. Zudem enthalten sie auch Zeichen für Ziffern und teilweise weitere Zeichen (Satzzeichen, Steuerzeichen, Zeichen für Wörter).
In der Informatik werden die Begriffe Alphabet und Buchstabe in einem verallgemeinerten Sinn verwendet. Ein „Buchstabe“ kann hier auch eine Ziffer oder ein sonstiges Symbol sein – „Alphabete“ und „Wörter“ können solche beliebigen Symbole enthalten. Siehe hierzu Alphabet (Informatik) und formale Sprache.
Literatur
- Hans Peter Willberg: Wegweiser Schrift. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2001, ISBN 3-87439-569-3.
- Lewis F. Day: Alte und neue Alphabete. Reprint der Ausgabe von 1906, mit einem Nachwort von Hans A. Halbey. Harenberg Edition, Dortmund 1991, ISBN 3-88379-603-4.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 22.11. 2022